Managementpositionen sind oft nur glanzvolle Fassade

23.10.1987

Angelika Siegmund, Geschäftfüherin Plenum Consulting München

Eine Managementposition und ein dazu passender wohlklingender Titel sind eine heißersehnte Trophäe von Karrierebestrebungen. Prestige-Accessoires - von der eigenen Sekretärin über den Dienstwagen bis hin zur Anstecknadel für besondere Verdienste - sind schmückendes, aber wichtiges Beiwerk, das Erfolg sichtbar demonstrieren soll.

Aber sind es wirklich nur Statussymbole und persönlicher Bekanntheitsgrad, oder sind nicht auch anspruchsvolle Arbeitsinhalte Motivation genug für Managementkarrieren?

Das Karrieredenken in hierarchischen Machtstrukturen, das Anstreben von Managementpositionen, ist heute die Triebfeder für viele hochqualifizierte Mitarbeiter. Denn oftmals bieten in größeren Unternehmen nur Managementpositionen die Möglichkeit, attraktive Einkünfte zu beziehen. Mit ihnen ist aber auch die Hoffnung auf einen größeren Gestaltungsspielraum und persönlichen Einfluß verbunden.

Das Karrieredenken verursacht allerdings auch oft genug einen beruflichen Überlebenskampf, der Ursache vieler firmenpolitischer Querelen ist. Statt gemeinsam alle Kräfte auf die Erreichung der Unternehmensziele auszurichten, werden sie durch internes Kompetenzgerangel und Machtproben geschwächt.

Durch das Streben nach Managementpositionen erreichen hochqualifizierte Mitarbeiter über ihre Beförderung in die Managementebene nicht selten zu schnell "die Stufe der Inkompetenz" (Peter-Prinzip). Der Verlust einer wertvollen Arbeitskraft ist damit vorprogrammiert, da es nur selten innerhalb des Unternehmens gelingt, diesen Schritt ohne Imageverlust für den Betroffenen rückgängig zu machen.

Das Funktionieren unserer Marktwirtschaft hat gezeigt, daß durch die Selbstorganisation in dynamischen Systemen mehr erreicht werden kann als in einer zentralistisch gesteuerten Organisation wie etwa der Planwirtschaft, die zu einem statischen Mechanismus führt und damit Innovationen aufgrund ihrer Inflexibilität hemmt. Und doch herrscht in Unternehmensorganisationen

immer noch das zentralistischen Denken vor.

Ich habe so den leisen Verdacht, daß das Karrieredenken einzelner eine wesentliche Ursache dafür ist. Denn solange das Denken in Statussymbolen den Erfolg im Beruf bestimmt und persönlicher Einfluß im wesentlichen nur aus einer Managementposition heraus ausgeübt werden kann, wird sich eine Veränderung nur schwer einstellen. Vermutlich erst dann, wenn die wirtschaftliche Notwendigkeit keinen anderen Ausweg mehr zuläßt, werden sich auch Unternehmensstrukturen wandeln.

John Naisbitt, Vorsitzender einer Gesellschaft, die sich mit gesellschaftlich orientierten Voraussagen beschäftigt, prognostiziert, daß bereits in den 90er Jahren eine drastische Veränderung der Arbeitsmarktsituation erfolgen wird. Die Verknappung der Arbeitskräfte in den Industrieländern wird dazu führen, daß sich Unternehmen um qualifizierte Mitarbeiter stark bemühen müssen Heute zeichnet sich diese Situation in der DV-Branche bereits extrem ab.

Aber nicht nur der Arbeitsmarkt, auch die Arbeitsinhalte selbst sind Veränderungen unterworfen. Betrachtet man die Ebenen des mittleren Managements einmal etwas genauer, so erkennt man, daß dessen Hauptaufgabe heute darin besteht, Informationen, die von Mitarbeitern gesammelt, verknüpft und aufbereitet werden, auszuwerten und zu verteilen. Dieser alleinige Besitz umfassender Informationen und damit die Kenntnis übergreifender Zusammenhänge sichern die Position der Manager, da Entscheidungen nur auf ausreichender Informationsbasis getroffen werden können.

Innovationen im Bereich der Informationstechnologie bergen die Chance in sich, umfassende Informationen und Zusammenhänge wesentlich schneller und sicherer zu gewinnen und breiter zugänglich zu machen. Szenarien lassen erkennen, daß auf dem Weg von der Industrie- zur Informationsgesellschaft erstmals auch das mittlere Management "rationalisierungsgefährdet" ist. Als Informationsverarbeiter und -verteiler werden sie durch den Einsatz neuer Informationstechnologien "ersetzbar". Professionelle Prognostiker behaupten, daß in naher Zukunft 10 bis 40 Prozent des mittleren Managements abgebaut werden würden.

Dieser Entwicklungstrend - die einfache Zugriffsmöglichkeit auf umfassende Informationen - könnte auch Mitarbeitern der untersten Ebene der Unternehmenshierarchie einen wesentlich breiteren Entscheidungsspielraum eröffnen. Und gerade darin steckt ein großes Motivationspotential, bezogen auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, ihrer Identifikation mit dem Unternehmen und ihrer Bereitschaft zu langfristiger persönlicher Bindung.

Unter dem Aspekt, daß sich Möglichkeiten zum Aufstieg durch den Abbau des mittleren Managements noch weiter verringern, muß nach neuen Wegen der Mitarbeitermotivation gesucht werden, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Eine Möglichkeit dazu ist der Wandel des Karrierebegriffs - weg von seiner Identifizierung mit der Managementposition hin zu anderen Werten, die sich an den Arbeitsinhalten orientieren. Freiraum zur persönlichen Entfaltung, Spaß an der Arbeit, kreativer Gestaltungsspielraum, die Nutzung innovativer Chancen persönliche Einflußmöglichkeiten, sichtbare Anerkennung der Leistung und ein entsprechend hohes Einkommen sind starke Motivationsfaktoren. Heute sind diese Werte allerdings noch zu eng mit der Vision einer Managementlaufbahn verbunden Aber zeichnen sich nicht bereits Veränderungen ab? Innovative Unternehmen haben erkannt, daß ihr größtes Leistungspotential in ihren Mitarbeitern selbst liegt, und haben begonnen, mittels einer hochentwickelten Unternehmenskultur diese Ressourcen zu erschließen. Ansätze aus den unterschiedlichsten Bereichen zeigen, daß es möglich ist, eine wesentlich breitere Mitarbeiterschaft zur Übernahme persönlicher Verantwortung für ihr Handeln zu bewegen.

Es ist also höchste Zeit, die Managementpositionen zu entmystifizieren und zu zeigen, daß sie oftmals nur glanzvolle Fassade sind.

Warum muß Karriere in größeren Unternehmen unbedingt mit Personalverantwortung oder einer besonders exponierten Position verbunden sein? Bei der Vermarktung ihrer Produkte entwickeln Unternehmen eine bemerkenswerte Kreativität, um Kaufanreize zu schaffen. Beim Umgang mit ihrer wertvollsten Ressource, dem Menschen versagen viele kläglich. Verstärkte Anstrengungen werden höchstens im Rahmen der Verkaufsförderungen für die Vertriebsmitarbeiter unternommen. In etlichen Unternehmen ist es gelungen, die Vertriebst_TIgkeit attraktiv im Sinne des Karrieredenkens zu gestalten. Es wird Zeit, daß ähnliche Motivationsmodelle auch für andere Bereiche entwickelt werden. Nur so wird es den Unternehmen gelingen die für ihre Wettbewerbsfähigkeit notwendigen besten Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. Eine Chance liegt im Wandel des Karrierebegriffs - in seiner Loslösung von der Managerlaufbahn.