Was passiert mit der Top-Führungsebene?

Management-Qualität bei Fusionen

25.04.2012
Von 


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

So früh wie möglich die Prüfung durchführen

Deshalb kann die eigentliche Leadership-Due-Diligence-Prüfung in der Regel erst erfolgen, wenn die Übernahme vollzogen ist. Dann sollte sie aber schnellstmöglich geschehen, damit die Führungskräfte Gewissheit über ihr eigenes Schicksal erhalten und ihren Mitarbeiter den Halt geben können, den diese gerade in Umbruchsituationen brauchen. Also muss die Leadership-Due-Diligence-Prüfung zum Übernahme-Zeitpunkt bereits vorbereitet sein.

Eine Leadership-Due Diligence-Prüfung lässt sich mit einem Management-Audit vergleichen, bei dem mit einer Batterie von Instrumenten versucht wird, einzuschätzen, inwieweit die oberen Führungskräfte einer Organisation über die nötigen Kompetenzen verfügen, um ihren Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele zu leisten. Der einzige Unterschied zu den Audits, die viele Großunternehmen im Drei-, Vier-Jahresrhythmus zum Soll-Ist-Abgleich durchführen, ist, dass bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung die zentralen Fragen lauten:

- Welche Top-Executives des übernommenen Unternehmens verfügen über die Fähigkeiten und Eigenschaften, die künftig auf der Managementebene des Unternehmens benötigt werden? Und:

- Kann das bisherige Führungsteam auch unter den geänderten Rahmenbedingungen die gewünschte Wirkung entfalten oder sind personelle und strukturelle Veränderungen nötig?

Das heißt: Bei einer Leadership-Due-Diligence-Prüfung ist das Audit auf die angestrebten Veränderungen und die Ziele des neuen Eigners fokussiert. Dies ist wichtig! Denn bei Übernahmen gilt: Oft sind gerade die Top-Executives, die im akquirierten Unternehmen in der Vergangenheit die "Erfolgsgaranten" waren, die "Bremser", wenn es um das Erreichen der neuen Ziele geht. Dies sei an einigen Beispielen illustriert.

Beispiel 1:
Angenommen ein Anlagenbauer möchte einen Mitbewerber übernehmen und gegen diese "feindliche Übernahme" wehren sich insbesondere dessen Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand vehement. Doch dann wird das Unternehmen doch geschluckt, was der Finanzvorstand auch als persönliche Niederlage empfindet. Dann fällt es ihm vermutlich schwer, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren und sich mit den neuen Zielen zu identifizieren. Also stellt sich für die neuen Eigner die Frage: Ist dies für uns der richtige Mann - ungeachtet seiner Kompetenz als Finanzvorstand?

Beispiel 2:
Ein Büromaschinenhersteller wird von seinem bisher härtesten Konkurrenten geschluckt, über dessen Produkte sich der Vertriebsleiter des übernommenen Unternehmens bisher in Mitarbeiter- und Kundengesprächen stets abfällig äußerte - teils aus taktischen Gründen, teils aus Überzeugung. Dann stellt sich für die neuen Eigner die Frage: Kann der bisherige Vertriebsleiter auch künftig diese Funktion bekleiden? Verliert er, wenn er plötzlich die Produkte des ehemaligen Mitbewerbers mitvertreibt und lobt, nicht die Glaubwürdigkeit bei seinen Mitarbeitern und Kunden?

Beispiel 3:
Ein Versicherungskonzern erwirbt eine andere Versicherungsgesellschaft und um die gewünschten Synergieeffekte zu erzielen, soll unter anderem die IT des übernommenen Unternehmens der IT-Landschaft des neuen Eigners angepasst werden. Dadurch wird auch der bisherige Leiter IT teilweise "entmachtet". Er muss sich nun dem Diktat der neuen Herren unterordnen. Daraus erwächst die Frage: Kann er sich auch künftig noch mit seiner Position identifizieren? Erfährt er sein neues Stellenprofil nicht als "Degradierung"?

Auch solche Fragen gilt es bei der Leadership Due Diligance-Prüfung zu beantworten, um letztlich zur Entscheidung zu gelangen: Wer nimmt welche Funktion in der Organisation wahr? Also müssen auch die Fragestellungen im Audit hierauf fokussiert sein.