Management Integration Consortium strebt mehr Interoperabilitaet an Networld+Interop: Die Anbieter forcieren ATM und Fast Ethernet

13.05.1994

LAS VEGAS - Trotz Hitze und Spielcasinos hat die Premiere der "Networld+Interop" (N+I) in Las Vegas vermutlich rund 60 000 Besucher angelockt. Novitaeten in Sachen Asynchroner Transfer-Modus (ATM) sorgten zwar fuer den meisten Gespraechsstoff, standen aber nicht allein im Mittelpunkt des Interesses. Novells neue Strategie, erste Fast-Ethernet-Komponenten, weitere Ethernet- Switching-Produkte sowie das Thema Netz-Management machten ebenfalls von sich reden.

Das wirklich Neue an der N+I war streng genommen nur der Name "Networld" im Logo. Zu der veraenderten Bezeichnung war es gekommen, weil sich der Veranstalter, die Interop Inc., vergangenes Jahr die Rechte an dem geschuetzten Namen von Novell gesichert hatte. Die Aussteller waren jedoch weitgehend die gleichen, auch wenn die Organisatoren den Besuchern die Zusammenlegung der beiden Messen als "The Summit", sprich die Verquickung zwischen LAN- und WAN-Networking, anzupreisen versuchten.

Ehrensache, dass der frischgebackene Novell-Chef Robert Frankenberg auf der gut organisierten Show nicht fehlen durfte. Anlaesslich des Jahrestreffens der Netware Users International (NUI) beteuerte Frankenberg, wie vorher schon vor Entwicklern und Novell-Kunden in Europa, dass sich seine Company auch kuenftig in erster Linie dem Networking verpflichtet fuehle, sich gleichzeitig aber staerker auf die Entwicklung und den Support von Netzanwendungen konzentrieren wolle. Dabei wird es sich dem CEO zufolge um verteilte Applikationen und Network-Services sowohl fuer lokale als auch Enterprise Networks handeln, die ueber allgemeine Netzbetreiber angeboten werden sollen.

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat Novell in Las Vegas bereits getan. Gemeinsam mit AT&T kuendigte das Unternehmen aus Provo die "Netware Connect Services" an. Dahinter verbergen sich Netware-Services und Applikationen von Novell sowie Drittanbietern, die fuer Anwender im Global Data Network von AT&T bereitgestellt werden. Mit dieser Enterprise-Services-Strategie schlaegt Novell jetzt, so Insider, einen Kurs ein, den Konkurrent Banyan schon seit Jahren verfolgt.

Frankenberg skizzierte auf dem NUI-Meeting darueber hinaus vier absolut vorrangige Ziele fuer Novell in naechster Zukunft: Zum einen soll Netware 4.1 mit einem kompletten und funktionierenden Satz an Features ausgeliefert werden. Die Versionen 4.0 und 4.01 hatten, das wurde auch bei der NUI-Konfernz deutlich, zahlreiche Maengel und fanden bisher nicht das gewuenschte Echo. Zum anderen wird Novell das fuer Ende des Jahres angekuendigte Release von Unixware 2.0 vorantreiben, die Entwicklungsumgebung fuer verteilte Anwendungen, Appware, verbessern und die Eingliederung von Wordperfect und Quattro Pro in das Unternehmen in Angriff nehmen.

Wie gemischt die Gefuehle derzeit bei Novell sind, wurde durch eine Aussage des Novell-Gruenders Ray Noorda in Las Vegas deutlich: "Um zu ueberleben, muessen wir mit unseren Wettbewerbern zusammenarbeiten. Wir haben keine andere Wahl." Noorda unterstrich damit eine Ankuendigung Frankenbergs, der die Kooperation mit Industriepartnern forcieren moechte, zur Entwicklung besagter Netware-Services und -Applikationen sowie neuer Appware- Funktionalitaeten. Ausserdem wurde auf der Messe bekannt, dass Novell bis 1997 Netware und Unixware in ein einheitliches Produkt integrieren sowie eine gemeinsame Microkernel-basierte Architektur verwenden wird, um die Verankerung von Netware-Services auf Multiprotokoll-Plattformen zu beschleunigen.

Auch in Sachen ATM, einem der Schwerpunkte der Messe, wird Novell aktiv. Zunaechst sollen Netware-User ihre LANs uebergangsweise durch LAN-Emulationsloesungen mit ATM-Back-bones verbinden koennen. In einem weiteren und viel wesentlicheren Schritt beabsichtigt das Unternehmen jedoch, ATM-Transport-Services in einem neuen Release von IPX zu integrieren.

Nahezu alle Hersteller von Rang und Namen warteten auf der N+I mit ATM-Produkten auf. Aufsehen erregte der "Access/ATM Geoswitch 155" von Ungermann-Bass, der laut CEO Roel Pieper als erster ATM-Switch am Markt unter 1000 Dollar pro Port liegt. Der Geoswitch ist modular in Versionen von vier bis zu 16 Ports erhaeltlich und unterstuetzt neben Single- und Multimode Fiber auch UTP-Kabel der Kategorie 5.

Fore Systems, Sun Microsystems und Cisco demonstrierten auf der Messe ATM-Komponenten, die untereinander kompatibel sind und alle die Spezifikation Q.2931 Switched Virtual Circuit des ATM-Forums realisierten, die jedoch vom IEEE noch nicht standardisiert ist. Zu den Anbietern neuer ATM-Erzeugnisse gehoerten unter anderem Cascade mit einem ATM-UNI-Modul, Stratacom mit einem API sowie Hughes LAN Systems, das Module fuer ATM-Ethernet-Switching und ein ATM-Network-Interface sowie eine 1,6 Gbit/s ATM-Backplane praesentierte.

Entscheidungsspielraum durch Ethernet-Switching

Stichwort Ethernet-Switching: Gute Karten bei den Anwendern duerfte weiterhin Kalpana mit seinen Ethernet-Switches haben. Auf der N+I wurde deutlich, dass die Netzadministratoren in den USA vor der gleichen Problematik stehen wie in Deutschland. Es herrscht Unsicherheit darueber, auf welches der drei Uebertragungsverfahren FDDI, Fast Ethernet und ATM sie setzen sollen. Nutzniesser dieses Vakuums sind Hersteller von Ethernet-Switches wie Kalpana, die mit ihren Produkten zumindest den Entscheidungsspielraum verlaengern. Kalpana stellte in Las Vegas den modularen "Etherswitch EPS-2015 RS" vor, der die Performance zwischen Hubs und zum Server verbessern soll. Der Switch realisiert sowohl 10 Mbit/s als auch Full-Duplex-Ethernet sowie die Features Virtual Networking, Adressenfilterung, Spanning Tree und Etherchannel.

Laut Analysten verschiedener Research-Companies kommen in den USA zwischen 80 und 90 Prozent aller Anwender mit solchen Switched- Ethernet-Produkten leicht ueber die Runden. Obwohl beim Token-Ring die Gefahr eines Bottlenecks geringer ist als bei Ethernet, haben jetzt nach SMC, das bereits einen Token-Ring-Switch anbietet, auch IBM und Madge fuer Ende des Jahres entsprechende Geraete angekuendigt.

Fast-Ethernet-Lager machen auf sich aufmerksam

Wie erwartet, nutzten auch die beiden rivalisierenden Fast- Ethernet-Lager die Show, um Lebenszeichen von sich zu geben. Nachdem Hewlett-Packard schon im Vorfeld der Messe einen 100VG- Anylan-Hub sowie diverse -Adapter praesentierte, zog jetzt die Fast Ethernet Alliance mit Synoptics an der Spitze nach. Die Kalifornier zeigten erstmals ihre neue "Lattis Switch 28000 Hub- Familie", deren Herzstueck ein 10Mbit- und 100Mbit/s-Switch auf Basis der 100Base-X-Spezifikation ist. Jeder der 16 Ports des rund 17000 Dollar teuren Switches kann Synoptics zufolge so konfiguriert werden, dass er dediziert 10- bis 100-Mbit/s- Verbindungen oder LAN-Segmente unterstuetzt.

Neben Synoptics kuendigte Intel einen Fast-Ethernet-Adapter und SMC Chips fuer das dritte Quartal an. Diese drei Unternehmen demonstrierten ferner zusammen mit ihren Partnern der Fast Ethernet Alliance an einem eigenen Stand die Kompatibilitaet ihrer Produkte, ebenso wie das 100VG-Anylan-Forum mit AT&T, HP, IBM, Novell, Proteon und Ungermann-Bass als prominentesten Vertretern.

Im Gegensatz zu Fast Ethernet und ATM machte der Bereich Netz- Management in der Wuestenstadt mehr durch allgemeine Initiativen als durch neue Produkte von sich reden. Fehlanzeige hiess es vor allem in puncto SNMP II, wo kaum ein Hersteller Nennenswertes zu bieten hatte. Zudem wurden Neuigkeiten wie das erste Windows-NT- basierte Netz-Management-System "NMC 4000" von Network Managers oder die Integration des TCP/IP-Stacks von FTP Software in den "Openview Windows Workgroup Node Manager, Version 1.0" von HP zwar mit Interesse registriert, aber von der Gruendung des "Management Integration Consortiums" ueberschattet.

API fuer den Zugriff auf allgemeine Datenbank

Die Organisation, der mehr als 30 Hersteller angehoeren und die sich in Las Vegas konstituierte, hat sich zum Ziel gesetzt, die Interoperabilitaet zwischen Netz-Management-Applikationen und - Plattformen zu forcieren. Im Klartext heisst das: Das Konsortium will ein Schema definieren, das die Ablage integrierter Management-Daten unterschiedlichster Anwendungen in einer allgemeinen Datenbank auf Basis von Structured Query Language ermoeglicht. Zu diesem Zweck will das Gremium auch ein API entwickeln, das den Zugriff auf die Datenbank erlaubt.

Im Spielerparadies machte schliesslich auch noch die Desktop Management Task Force (DMTF) auf sich aufmerksam. Die vor zwei Jahren gegruendete Institution legte die endgueltige Version ihres Desktop Management Interface (DMI) vor. Dabei handelt es sich um einen Satz von Anwendungsschnittstellen, die vernetzte PCs und Peripheriegeraete in die Lage versetzen, Informationen ueber verwaltbare Komponenten zu liefern. Laut Shannon Gray-Voigt, Sprecher der DMTF, wird das DMI das Desktop-Management erheblich vereinfachen.