"Vergessen Sie das C bei CIM!"

Management der 90er Jahre - Erfahrungsbericht des DEC-Fertigungschefs über CIM

08.05.1987

Wer schnell und kundenindividuell auf Marktanforderungen reagieren will, muß auf Computer-Integration setzen. Das erfordert von der Informationstechnologie Netzwerkkommunikation, Ausfallsicherheit, Softwaretechnologie der vierten Generation, um Datenstrukturen flexibel an Strukturwandlungen bei Technologien und Märkten anpassen zu können. Vor allem aber erfordert das von der Organisationsentwicklung eine Unternehmenskultur, die zum Management des Wandels befähigt.

"Vergessen Sie das C bei CIM!" - Der dies sagt, ist nicht etwa Gewerkschaftsvertreter bei Verhandlungen über Rationalisierungsschutzabkommen oder Ökofreak oder Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. Mit diesem unerwarteten Kontrastprogramm eröffnete William C. Hanson kürzlich ein Pressegespräch über Fertigung als einen der wettbewerbsbestimmenden Faktoren in der Computerbranche. Einer also, der es eigentlich wissen müßte.

Bill Hanson (48) ist Corporate Vice-President Manufacturing Operations, das für Produktion zuständige Vorstandsmitglied der Digital Equipment Corporation (DEC). Ernüchternd für die versammelten Wirtschaftsjournalisten - ihre Fragen zeigten es deutlich; waren sie doch gekommen, das Patentrezept des erfolgreichen CIM-Anbieters und -Anwenders schwarz auf weiß nach Hause zu tragen.

Statt dessen gerieten sie in ein Kolloquium über das Management der 90er Jahre. Verständlich daher die Hartnäckigkeit der Journalisten angesichts der spektakulären Erfolge, auf die der DEC-Produktionschef verweisen konnte: "Also alles nur administrative Maßnahmen?" oder "nur verschärfte Qualitätskontrollen?" und "Leistungssteigerung der Mitarbeiter erzwungen?". Auf die Frage, bis zu welchem Grad man glaube, in der DEC-Fertigung "CIM" realisiert zu haben, antwortete Bill Hanson schlicht: "Wir würden die Frage so nicht stellen. Wir würden fragen, um wieviel konnten wir den Lagerumschlag oder die Arbeitsproduktivität erhöhen?"

Strategie-Implementierung statt Strategie-Empfehlung

Da brach es wieder durch, dieses branchenübliche Mißverständnis in der veröffentlichten Meinung über dieses "Ding mit Namen CIM", ein Mißverständnis, das von der CeBIT jedes Jahr wieder bundesweit zementiert wird; kein Hersteller, der nicht die gebrauchsfertige CIM-Lösung anböte, nach dem Hausrezept: Man nehme eine bestimmte Hardware und dazu passend ein paar Anwendungsprogramme - und schon habe man "das CIM" installiert, wie die Heizungsanlage im eigenen Reihenhaus.

Der Gegensatz hätte nicht schärfer ausfallen können: hier die schreibende Zunft der Wirtschaftsjournalisten, auf der Suche nach den harten Facts, nach Systemen und epochemachenden Zäsuren, nach dem Spektakulären. Dort der praktizierende "CIM-Chef" aus der High-Tech-Branche, der spricht von "innovativen Prozessen", von den "basics", von Führungsstil und Unternehmenskultur, davon, daß man sein Geschäft kennen müsse, und die Engpässe, die es bestimmen, und daß ein wichtiges Werkzeug der Engpaßbeseitigung eben die Informationstechnologie sei. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: "Vergessen Sie das C bei CIM" ... Bezeichnendes Schlaglicht auf das gespaltene Bewußtsein einer Branche, die auszog, die Welt zu verändern?

Auf jeden Fall Ausdruck dessen, daß CIM weniger Strategie-Empfehlung ist (wie die Wirtschaftsjournalisten meinten) als vor allem Strategie-Implementierung (worüber der DEC-Fertigungschef sprach). Die Strategie ist simpel: Stärkung der strategischen Wettbewerbsposition durch Verkürzung der Durchlaufzeiten, wettbewerbsbestimmendes Qualitätsniveau und Erhöhung der Flexibilität ("Fertigungslosgröße eins"). Auch der Weg dahin ist klar: Computer-Integration, das heißt, Verbesserung der horizontalen Kommunikation verschiedener Unternehmensbereiche.

Was meint Bill Hanson, wenn er von seinem Fertigungsbereich spricht? Die DEC-Fertigung umfaßt weltweit 33 Werke in 13 Ländern, die in drei Werksgruppen USA, Europa und Übersee gegliedert sind. Nach der DEC-Philosophie soll jede Werksgruppe selbständig und unabhängig die gesamte Produktpalette abdecken, wobei jedes Werk an ein Partnerwerk in den USA angebunden ist. Die Werksgruppe Europa ist inzwischen bereits selbständig. Sie wurde seit 1972 zielstrebig zunächst im englischsprachigen Raum aufgebaut, wobei man bedenken muß, daß die Strecke von Boston nach Galway in Irland kürzer ist als die von Boston nach Kalifornien.

Die Werksgruppe Europa fertigt an sechs Standorten (siehe Abbildung 1). Außerdem werden Software und Spezialsysteme in Annecy (Frankreich), München (Bayern), Nijmegen (Holland) und Reading (England) hergestellt. In den europäischen DEC-Werken arbeiten 3 200 Mitarbeiter von insgesamt 20 300 Mitarbeitern (16 Prozent) bei DEC Europa.

Weltweit sind nur noch ein Viertel (26 Prozent) der derzeit 101 000 DEC-Mitarbeiter in der Fertigung tätig. 1982 waren das noch knapp 40 Prozent. Die Fertigungskapazität beträgt weltweit 1 Million Quadratmeter, der wöchentliche Warendurchsatz 150 Millionen Dollar. Beeindruckend auch die jährlichen Investitionen: 250 Millionen Dollar in Produktionsanlagen, je 150 Millionen Dollar in neue Produkte und in Verfahrenstechnologie.

Bill Hansons Reise nach Deutschland war Ausdruck der wachsenden Erkenntnis, daß DEC auf dem Wege ist zu einem internationalen Unternehmen. So kam es, daß Werner Burghardt (47), Werksleiter von DEC Kaufbeuren und Doktor der Ingenieurswissenschaften, zum Gastgeber des ersten weltweiten Werksleitertreffens im nichtenglischen Kulturraum avancierte - willkommener Nebeneffekt: Erfahrungsbericht des DEC-Fertigungschefs über CIM vor interessierten Wirtschaftsjournalisten. Werner Burghardt verbindet mit Bill Hanson nicht nur, daß er diesen zu besagtem Pressegespräch übersetzend und interpretierend begleitete, sondern daß beide den akademischen Grad eines Master of Science an derselben Stanford University erworben haben.

Schreib-/Lesekopf ohne Chance bei Fingerabdruck

Noch aufschlußreicher sind die anderen Gründe, welche die 35 Fabrikleiter von DEC in Kaufbeuren versammelten: Da die Bundesrepublik kein Niedriglohnland ist, konnte man in Kaufbeuren die Bedingungen studieren, unter denen man wettbewerbsfähig dort produziert, wo auch verkauft wird. Gleichzeitig war dort die gesuchte Kundennähe gegeben, der systematische Erfahrungsaustausch mit den Anwendern der diffizilen Speicherprodukte. Denn Massenspeicher sind das Komplizierteste an der Computertechnologie - eine brisante Mischung aus Elektronik und Hochpräzisionsmechanik.

So konnte Kaufbeuren den versammelten DEC-Fabrikleitern Anschauungsbeispiele bieten für den praktischen Einsatz höchstentwickeltster Fertigungstechniken. Was höchste Präzision dabei bedeutet, erhellt dem Laien der Vergleich zur Fliegerei: Die Flugbahn des Schreib-/Lesekopfes über der Magnetplatte gleicht einem Jumbo, der in 30 Zentimeter Bodenabstand mit 200 Kilometern pro Stunde über die Landebahn rasen würde. Wie Abbildung 5 eindrucksvoll zeigt, würde jeder Fingerabdruck auf der Magnetplatte den Schreib-/Lesekopf chancenlos scheitern lassen. Verständlich daher, daß DEC allein 5 Millionen Mark (von 86 Millionen Mark Gesamtinvestment in Kaufbeuren) in den "trockenen Reinraum" (das heißt, ohne chemische Prozesse) steckte.

Verständlich auch, daß sich die DEC-Fabrikleiter brennend für die Erfahrungen beim Robotereinsatz im Reinraum interessierten, die Werner Burghardt in Kaufbeuren seit zwei Jahren sammelt. Das Werk Kaufbeuren setzte 1986 mit knapp 500 Mitarbeitern etwa 300 Millionen Mark mit Winchester-Plattenlaufwerken um, die größten mit 2,5 Gigabyte Speicherkapazität zum Einkaufspreis von 193 000 Mark das Stück.

"Vor einigen Jahren war die Situation in der DEC-Fertigung chaotisch", bekannte Bill Hanson in schöner amerikanischer Offenheit, und Werner Burghardt mochte da nicht widersprechen, waren ihm doch seine ersten Eindrücke bei DEC damals noch gut in Erinnerung: Die Umsätze explodierten (mit jährlichen Wachstumsraten von 25 bis 35 Prozent), ebenso allerdings Lagerbestände und Belegschaft in der Fertigung; Warenrohertrag und Arbeitsproduktivität tendierten nach unten, jedes dritte System wurde verspätet ausgeliefert, jedes zweite fehlerbehaftet. Anlaß genug für das Produktionsmanagement zu einer Durchbruchsstrategie (siehe Abbildung 4: Strategiewürfel) für die DEC-Fertigung mit dem Ziel, "einen signifikanten Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit" des Unternehmens zu leisten.

Das Leistungsprofil, das William C. Hanson drei Jahre später vorweist, kann sich sehen lassen. Allein mit der Erhöhung des Lagerumschlages von 2 auf 3 (4 geplant bis 1989) gelang ein Milliardending, das angesichts von Lagerbeständen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar ganz erhebliche Mittel für die Finanzierung des Expansionskurses freisetzte. 1986 bewegt sich dieser Selbstfinanzierungsbeitrag des Fertigungsbereiches in einer Größenordnung von etwa 600 Millionen Dollar. Gleichzeitig konnte die Arbeitsproduktivität in der Fertigung verdoppelt werden; bis 1989 soll sie noch einmal annähernd verdoppelt werden, mit unübersehbaren Auswirkungen auf sinkende Produktionskosten und steigende Warenrohgewinnmargen.

In der Tat: Signifikante Beiträge zur Stärkung von DECs Wettbewerbsposition und Traumergebnisse eines erfolgreichen CIM-Konzepts in kurzer Dreijahresfrist - enttäuschend allein das Statement: "Vergessen Sie das C bei CIM!", nachdrücklich bestätigt von Werksleiter Burghardt, der dennoch allein in Kaufbeuren in Computer (Hardware und Software) um die 40 Millionen Mark investierte, ein stolzes Arbeitsplatzinvestment von

100 000 Mark.

Schlüsselbegriff Multrix

"Wir halten viel von der Matrix", sagt Werner Burghardt statt dessen erklärend zu den vielfältigen, kreuzfunktionalen Zuständigkeiten in der Fertigungsorganisation von DEC (siehe Abbildung 1). Die DEC-Manager halten den locker-straffen Führungsstil, den sie ausdrücken, für eines der Erfolgsrezepte ihrer CIM-Strategie. Der Director Designate of INI in Genf, Juan Rada, hat für diese Organisationsstruktur den Ausdruck "Multrix" geprägt (in einem Arbeitspapier: "The Role of Management Development in Technological Change").

Gemeint ist damit eine Organisationsstruktur, die überlagernd zur Kompetenzhierarchie aus einem mehrdimensionalen Netzwerk von Teams besteht, das nach Aufgaben und Projekten flexibel verändert werden kann. Multrix als Rüstzeug für die Gratwanderung zwischen Allmacht oder Ohnmacht der Fachstäbe in der traditionellen Stab-Linien-Organisation - das setzt die teamgeprägte Unternehmenskultur voraus, auf die Firmengründer Ken Olsen von Anfang an gebaut hat (bei der Systemarchitektur seiner Produkte ebenso wie bei der Unternehmensorganisation).

"Ich habe viele Chefs", erklärt daher locker Werner Burghardt, als handele es sich dabei nicht um die Beerdigung des bewährten Organisationskonzepts des preußischen Generalstabs, seit Jahrzehnten überwiegend kopiert von den Unternehmen der westlichen Welt. Das Schlüsselwort "Multrix" beschreibt die vernetzte Teamstruktur, die viele Initiativen erst freisetzt, anstatt sie in Abstimmungsprozeduren zu verschütten. Offenbar haben das nicht nur die Japaner erkannt. So gerät bereits das Organigramm des DEC-Fertigungsbereichs zu einer dreidimensionalen Matrix aus regionaler Werksorganisation, kreuzverantwortlichen Funktionen und fertigungstechnologischen Produktsparten.

Dieses Organigramm spiegelt die Strategie von Bill Hanson wider. Da gibt es die Kreuzfunktionen für den gesamten Fertigungsbereich: Qualitätssicherung und Prozeßtechnologie, natürlich, sowie Computer-integrierte Fertigung (CIM) und Expertensysteme, für deren Einsatz in der Fertigung DEC jährlich etwa 15 bis 20 Millionen Dollar ausgibt - schon nicht mehr so selbstverständlich, aber Ausdruck des alten DEC-Grundsatzes "You use what you sell".

Aber dann gibt es da die ungewöhnliche Funktion "Ressourcen-Management" für Personalentwicklung, Werkzeuge und Faktoreinsätze wie Lagerbestände und Fertigungsflächen. Der Fertigungschef wies diesem Bereich bei seiner Strategie der Konzentration die besondere Aufgabe einer Vermittlungsbörse für überschüssige Kapazitäten bei Raum und Personal zu: Jeder Werksleiter konnte nicht benötigte Fertigungsflächen oder überschüssige Personalreserven an Ressourcen-Management zu Selbstkostenpreisen vermieten; die Hauptverwaltung bemühte sich zentral und weltweit um anderweitige Verwertung oder Mitarbeiterumbesetzungen.

Die Werksleiter waren durch dieses gescheite Konzept der Notwendigkeit enthoben, ihre überschüssigen Kapazitäten bei Personal, Fertigungsbeständen und Fertigungshallen zu rechtfertigen beziehungsweise zu vermarkten. Sie konnten sich, ganz auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Qualitätsniveau und Produktivität zu steigern. Das Leistungsprofil der DEC-Fertigung (siehe Abbildung 3) bis 1986 und die Perspektiven bis 1989 belegen die Durchschlagskraft dieses Konzepts. Dadurch ist es in kurzer Zeit gelungen, angesammelte Fettpolster in der Fertigungsorganisation wegzutrimmen und Ballast abzuwerfen.

Durch Verdoppelung der Arbeitsproduktivität (Personalleistung) konnte die Belegschaft im Fertigungsbereich von 32 000 auf 26 000 Mitarbeiter vermindert werden (im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Gesamtbelegschaft von DEC weltweit von 75 000 auf 101 000 Mitarbeiter). Dies gelang dem Ressourcen-Management ohne jede Mitarbeiterfreisetzung (erzwungene Kündigung) nur durch Einstellstopp und Ausnutzung der natürlichen Fluktuation (fünf bis sechs Prozent), planmäßige Umschulungsprogramme (zirka 3000 Mitarbeiter} und ein weltweites Vermittlungsprogramm bei der Besetzung vakanter Stellen. Auf ähnliche Weise konnte Ressourcen-Management die Raumleistung der DEC-Fertigung, das heißt, den Umsatz pro Quadratmeter Fertigungsfläche, in drei Jahren um knapp 70 Prozent steigern.

Know-how-Transfer von Kunden organisiert

Auch das Unternehmensziel "Nummer eins bei Kundenzufriedenheit" wurde vom Fertigungschef in origineller Weise in die Praxis umgesetzt. Er schuf mit der Querschnittsfunktion "Customer Integration" eine Börse für den wechselseitigen Technologietransfer von prozeßbezogenem Fertigungs-Know-how der Anwender seiner Produkte und der Mitbewerber. Dadurch umging er die zeitaufwendige und filternde (das heißt, möglicherweise verfälschende) Information über die Kundenbedürfnisse durch die eigene Verkaufsorganisation. Vielmehr hatte der Fertigungschef über "Customer Integration" unmittelbar das Ohr am Plus der Zeit hinsichtlich der Kundenzufriedenheit. Daher spricht er engagiert vom Einreißen der Mauern gegenüber der Entwicklung: "You lern better, when you teach".

Diese dramatischen Verbesserungen bei Lagerumschlag, Personalleistung und Raumleistung erzielte der DEC-Fertigungsbereich bei Erhöhung des Produktionsvolumens um 60 Prozent und bei gleichzeitiger Einführung von 400 neuen Produkten. Bill Hanson spricht von der Notwendigkeit, den "mind set" zu verändern, wenn er seine CIM-Konzeption erläutert. "Die Japaner haben uns gelehrt, was Spitzenleistung (Excellence) bedeutet", sagt er, als er seinen Strategiewürfel erläutert (siehe Abbildung 4).

Daher haben zwei Unternehmensziele (corporate objectives) als mind set die DEC-Organisation geprägt. Erstens die competitive financial excellence, das heißt ein angestrebter Vermögensleistungsgrad (ROA, return on assets) von 17 Prozent (vor Steuern). Gegenwärtig liegt DEC mit 14 Prozent zwar vor IBM, aber unterhalb der selbstgesetzten Ziellinie. Dennoch zeigt DEC im Vergleich der Börsendaten (siehe Abbildung 6) exzellente Ergebnisse. So schnellte DEC in der Rangliste der US-Unternehmen nach Börsenwert von Platz 40 auf Platz 8 vor.

Der Gewinn je Aktie nähert sich 1987 nach Schätzung der Finanzanalysten mit 8,04 Dollar dem IBM-Wert (8,89 Dollar) - eine ganz beachtliche Leistung bei einer Eigenkapitalquote von 80 Prozent. Und beim Jahresüberschuß legte DEC 1985 um 38 Prozent, im ersten Quartal 1987 sogar um stolze 81 Prozent zu, während Big Blue in der gleichen Zeit einen Gewinneinbruch von 27 Prozent beziehungsweise 23 Prozent einstecken mußte. Ausdruck der streng konservativen Finanzpolitik ist auch, daß DEC in den dreißig Jahren seit der Gründung noch keine Mark Dividende ausgeschüttet hat - alles reichlich Verdiente wurde thesauriert.

In dreißig Jahren keine Mark Dividende

Aber auch beim zweiten Unternehmensziel ("No. 1 in customer satisfaction") weist der Fertigungschef inzwischen Spitzenleistungen bei den verschiedenen Maßgrößen der Kundenzufriedenheit vor (siehe Abbildung 3):

* Bei den "fehlerfreien Installationen" (problem free installations) erreicht DEC 1987 einen Wert von 85 Prozent (1983: 40 Prozent), wobei die MicroVAX und Speichergeräte bereits 98 Prozent verzeichnen. Die Ziellinie liegt bei 100 Prozent.

* Bei der Systemverläßlichkeit (system reliability) konnte DEC deutlich zulegen. Die sogenannte MTBF (meantime between failure) beträgt bei der MicroVAX inzwischen 10 000 Stunden, bei den Plattenlaufwerken 30 000.

* Die termingerechte Auslieferung (on time delivery) konnte von 60 Prozent (in 1984) auf über 90 Prozent 1987 gesteigert werden.

Um kritische Erfolgsfaktoren (CSF) gekümmert

Fertigungschef Bill Hanson erläuterte am DEC-Strategiewürfel, daß DEC dieses Leistungsprofil vor allem erreichen konnte, weil man sich auf fünf kritische Erfolgsfaktoren (CSF, critical success factors) konzentriert hat. Darunter wird eine begrenzte Anzahl von Schlüsselfeldern verstanden, bei denen befriedigende Ergebnisse einen wettbewerbsbestimmenden Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens haben. CSF sind die Schlüsselfelder, auf denen "die Dinge laufen" müssen, damit das Geschäft floriert und die Unternehmensziele erreicht werden können. Bill Hanson hat für die DEC-Fertigung fünf solcher kritischer Erfolgsfaktoren ausgemacht:

Erstens braucht DEC einen Marktanteil von 25 Prozent des Produzentenmarktes, um die Vorteile der Kostendegression ausschöpfen zu können und durch entsprechende Fertigungstiefe (zum Beispiel vertikale Integration der Chip-Fertigung) und Fertigungsbreite (breitgefächerte Produktpalette) das erforderliche Fertigungs-Know-how auf dem Spitzenniveau der Branche zu halten.

Kurze Durchlaufzeiten in der Fertigung

Zweitens müssen kürzeste Durchlaufzeiten in der Fertigung erreicht werden. Hohe Lagerbestände bedeuten immer, daß man Dinge fertigt, die man nicht braucht. In diesen Bereich gehört auch das Bemühen um vertikale Inter-Organisations-Modelle, wie die Abstimmung mit den Lieferanten hinsichtlich des Just-in-Time-(JIT-)Konzepts und abgestimmter Vorverlagerung der Qualitätskontrollen.

Dritter kritischer Erfolgsfaktor sind fehlerfreie Produkte und Verfahren ("zero defects"), die sich deutlich in DECs Leistungsprofil niederschlagen.

Im vierten CSF attackiert DEC die eigene Fixierung auf die wirtschaftliche Größe, die economy of scale. Gemeint ist damit die wettbewerbsbestimmende Flexibilität der Fertigung, das heißt, die wirtschaftliche Bewältigung der "Fertigungslosgröße von einem Stück". Dies bedeutet Änderung des mind set der ganzen Organisation - weg vom "Was habe ich" hin zum "Was brauche ich". Dieser Denkansatz führte zu Prämierung der Freisetzung von Überschußkapazitäten bei Personal und Raum. Es bewirkte gleichzeitig die Konzentration auf kostenbewußte und flexible Fertigung. Wenn der Markt entscheidet, welche Produkte gehen, muß die Fertigung flexibel genug sein, diese Kundenwünsche schnell und kostengünstig in die Tat, sprich: Produkte und Service, umzusetzen.

Als fünften CSF hat DEC erkannt, daß die besten Mitarbeiter der Branche für das Unternehmen "gerade gut genug" seien. Wer die Zukunft gewinnen will, muß die Gegenwart verändern, das heißt, das Anforderungsprofil für die Mitarbeiter der Zukunft heute analysieren. Deswegen sucht DEC die Leute mit breitangelegten Fähigkeiten, die Prozesse erkennen können - nicht die Spezialisten. Daher umfaßt das Einstellverfahren Einzelinterviews mit acht bis zehn Managern der verschiedenen Bereiche. Deshalb achtet DEC stark auf das stimmige Arbeitsumfeld, in dem jeder die Freiheit hat, zu tun, was er tun muß, und in dem alle erforderlichen Werkzeuge dafür bereitstehen. Partizipativer und situativer Führungsstil und Selbststeuerung sind daher Schlüsselworte in der DEC-Philosophie.

Lieblingswort Disziplin

Und damit ist Bill Hanson wieder bei seinem Lieblingswort "Disziplin". Auf das Primat des Handelns kommt es an ("Wir sind, was wir tun") und auf das sichtbar gelebte Wertesystem ("Wir meinen, was wir sagen - und tun es auch") - zwei der acht Merkmale, die Peters & Waterman auf der Suche nach Spitzenleistungen für die "most excellent companies" ausgemacht haben. Disziplin und Selbstverpflichtung (committment), zum System erhoben, meint Bill Hanson, wenn er sagt, CIM sei eher mind set als Technologie. Vergessen Sie das C bei CIM - Vision und Management sind entscheidend. Erweiterung des berühmten "structure follows procedure" zum "procedure (Technologie) follows strategy (unternehmerische Vision)". Der Computer löst keine Probleme, sondern Aufgaben der Informationsverarbeitung - ein kleiner, aber häufig übersehener Unterschied.

Man muß sein Geschäft kennen und dessen bestimmende Engpaßfaktoren (die sog. CSF). Und wenn Kommunikation ein kritischer Erfolgsfaktor ist, dann ist CIM ein Bündel von Werkzeugen zu seiner Verbesserung. Deswegen sei CIM ein Mittel zum Zweck, eher ein dynamischer Prozeß, das Wertesystem der Organisation (mind set) zu verändern: Wie schafft man ein Klima der Offenheit und des Lernens aus Fehlern? Deswegen sagt Bill Hanson, CIM sei kein Ei des Kolumbus, sondern "basics", wie er an seinem Strategiewürfel erläutert. Die chaotische Situation in der DEC-Fertigung in 1983 sei in Ziellosigkeit und unklaren Informationsströmen begründet gewesen, in typischen Managementproblemen.

CIM ist zunächst gemeinsamer Rahmen

Von der Unternehmenskultur sei DEC eher einer Universität vergleichbar, was Freiräume des Handelns angehe. CIM sei deswegen zu allererst der gemeinsame Zielrahmen in einem durchgängigen Wirtschaftsplan gewesen, die einheitliche Antwort auf viele unterschiedliche Standpunkte. Deswegen führt Bill Hanson jeden Freitag von 8 bis 9 Uhr eine wöchentliche Überprüfung der Leistungspegel und Schwachstellenindikatoren aller Produktionseinheiten weltweit durch. Da werden je Produktionseinheit etwa 100 Leistungskennzahlen überprüft. Kontrolle ist gut - Vertrauen besser. Disziplin und Committment.

Wer aber bringt man so zeitnah die erforderlichen wöchentlichen Informationen aus 33 Werken überall in der Welt verteilt zusammen? Die Informationstechnologie macht's möglich, besser gesagt: EasyNET, DECs hausinternes Kommunikationssystem. Im EasyNet sind weltweit über 15 000 Computersysteme mit über 65 000 Teilnehmern zum Bildschirmdialog vernetzt, wöchentlich kommen etwa 100 Computersysteme hinzu. EasyNet verbindet das gesamte Produktionsmanagement von DEC zu einem weltweiten "virtuellen Management-Team". Spricht William C. Hanson: "We use, what we sell". Die Schlüsselelemente sind Information und Integration; und das heißt: Kommunikation.