Management-Buyout-Firmen fordern Nachverhandlungen

01.04.1994

Von Januar 1991 bis Oktober 1993 verkaufte die Treuhandanstalt (THA) 2500 Unternehmen als Management-Buyouts (MBOs). Hiervon entfallen zirka 340 Unternehmen auf das Land Mecklenburg- Vorpommern. Die Arbeitsgemeinschaft zur Foerderung der Partnerschaft in der Wirtschaft e.V. (AGP), Kassel, analysierte im Auftrag der Gesellschaft fuer Wirtschaftsfoerderung in Schwerin die Situation der MBOs und stellte dabei Belastungen infolge von Regelungen des Kaufvertrags fest: Wegen Altschuldentilgung, Nachbewertung und Arbeitsplatzgarantien will jeder zweite Betrieb nachverhandeln.

Unter Druck stehen zahlreiche der 2500 MBO-Unternehmen in Deutschland Ost: Ihre Gewinne reichen fuer die erforderlichen Investitionen und die anstehenden Zins- und Tilgungsforderungen nicht aus. Die THA will die Kaufpreisstundungen, die Kreditbank AG die (Alt-)Kredite und die Hausbank die MBO-Finanzierung beglichen haben.

Fakt ist, so die Verfasser der Studie "Management Buyouts in Mecklenburg-Vorpommern", Heinrich Beyer, Hans Burmeister und Michael Lezius von der AGP, "dass auf Grundlage des Substanzwertes die ostdeutschen MBO-Unternehmer viel zu teuer kauften. Im Westen waere der Ertragswert korrekt gewesen. Viele MBOs geraten daher in eine Schieflage, auch wenn das operative Geschaeft gut laeuft."

Hinzu kommt, dass die meisten MBOs nicht einzelne Geschaeftsfelder aus den Betrieben herausloesten, sondern die Firma komplett uebernommen haben. Dies kann neben Altlastproblemen vor allem das Risiko der verdeckten Gewinnausschuettung zur Folge haben. Die Treuhand hat bislang die Erwerber nicht davon freigestellt. Nach ausdauerndem Schweigen der Berliner wurden zwar der AGP Gespraechspartner genannt, bisher hat es allerdings keine konkreten Zusagen gegeben.

Dieses Jahr wird das Jahr der finanziellen Entscheidungen. Bei 43,7 Prozent der als MBOs gefuehrten Betriebe werden 51 bis 100 Prozent des Kaufpreises faellig. Dies kann zu einer erheblichen Dekapitalisierung der ostdeutschen Unternehmen fuehren. Insbesondere dadurch, dass knapp 60 Prozent Altschulden uebernommen haben.

Die neuen Firmen haben erhebliche Tilgungsleistungen erbracht, welche die finanziellen Reserven vieler Betriebe aufgezehrt haben duerften. Burmeister und Lezius warnen: "Angesichts zukuenftiger Belastungen sollten daher rechtzeitig Massnahmen zur Liquiditaetssicherung eingeleitet werden."

Zwar schaetzen ueber 65 Prozent der Unternehmen die Konditionen ihres Kaufvertrages als sehr gut bis befriedigend ein, knapp die Haelfte wuenschen jedoch eine Modifizierung. Als Gruende dafuer wurden den Analysten die Altschuldenuebernahme, die Nachbewertung des uebernommenen Vermoegens sowie Arbeitsplatzgarantien und Investitionszusagen genannt.

Auch das MBO-Unternehmen Aucoteam aus Berlin-Ost, 1991 entstanden aus der einstigen Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Elektro-Apparate-Werkes (EAW), muss sich mit Altlasten intensiv auseinandersetzen. Die Ingenieurgesellschaft fuer Automatisierungs- und Computertechnik mbH wurde verpflichtet, neben dem Preis von 2,7 Millionen Mark fuer Grund und Boden die Altschulden von mehr als 1,4 Millionen Mark zu uebernehmen. Peter Schmidt, Vorsitzender der Geschaeftsfuehrung: "Aus der Sicht unserer Kaufvertraege sind wir ein Unternehmen, das zur Zeit in seiner Existenz noch immer von der Treuhand bedroht ist. Die uns aufgezwungene Uebernahme der Altlasten ist fuer uns ein grosses Problem und kann nur aus Gewinnen bezahlt werden. Der Treuhand ist nicht klarzumachen, dass es die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten noch nicht zulassen, Geld schnell zurueckzufuehren."

Anders operierte die Rostocker Gesellschaft fuer Computerintegration und Softwareentwicklung mbH (CiS). Vor dem Kauf des Unternehmens (der DV-Abteilung des Rostocker Wohnungsbaukombinats) fand eine Entschuldung statt - sonst waere das Unternehmen nicht ueberlebensfaehig gewesen. "Die Altkredite standen fuer ueberteuerte Rechentechnik, die schon laengst verschrottet war", erinnert sich Geschaeftsfuehrer Wilfred Maaser an den Kauf im Herbst 1992. Die jetzigen und kuenftigen Kredite sind fuer Maaser "hoch, aber fuer Investitionen notwendig".

Von den 75 Unternehmen, die sich an der Studie beteiligten, gaben 97 Prozent Arbeitsplatzgarantien. Bei Nichterfuellung drohen empfindliche Poenalen, die aus dem versteuerten Einkommen zu bezahlen sind.

Die durch ein Buyout entstandenen Firmen haben, anders als bei den Unternehmensverkaeufen der THA an grosse Konzerne, "keinerlei Kompensationsmoeglichkeiten, wenn Absatzmoeglichkeiten wegfallen", fuehrt Lezius die Problematik aus. Der AGP-Vorsitzende lehnt eine pauschale Schuldzuweisung ab, "da die unter dem Druck der Ereignisse 1990 bis 1992 abgeschlossenen Vertraege nach bestem Wissen und Gewissen entstanden sind", haelt aber im Rahmen individueller Modifikationen folgende Massnahmen als Kompensationsmittel fuer realisierbar:

- Verzicht auf Poenalen fuer die Arbeitsplatzgarantien, die nicht einhaltbar sind, weil geplante Absaetze an andere Treuhandunternehmen nicht realisiert werden konnten;

- Streckung der Betrachtungszeitraeume, um den Unternehmen die Moeglichkeit zu geben, Arbeitsplatzgarantien zu einem spaeteren Zeitpunkt zu erfuellen, wenn durch Umorganisation und Innovation eine sichere wirtschaftliche Basis geschaffen wurde;

- Ueberlegungen, inwieweit durch andere Beschaeftigungs- und Bezahlungsmodelle anders koordinierte Arbeitsplaetze geschaffen und erhalten werden koennen: Job-sharing, Investivlohn-Vereinbarungen, Schaffung von Arbeitsplaetzen in ueberbetrieblichen Serviceorganisationen.

Nachbewertungsklauseln in ihren Kaufvertraegen haben ungefaehr sieben Prozent der befragten Unternehmen. Strittig waren diese laut Lezius von Anfang an: "Sie haben das grundsaetzliche Problem einer gerechten Bewertung von Grundstuecken und Gebaeuden nicht geloest, sondern nur vertagt." Fuer den AGP-Manager schwebt ueber den betroffenen Firmen "das Damoklesschwert einer unbestimmbaren, moeglicherweise existenzgefaehrdenden Belastung".

Die Partnerschaftsfoerderer schlagen vor, Kaufpreiserhoehungen, die durch Nachbewertungen entstehen, als langfristige Darlehen oder stille Beteiligungen zu EKH-Konditionen (Eigenkapitalhilfe- Programm) 20 Jahre im Unternehmen stehenzulassen und einem Rangruecktritt gegenueber allen anderen Glaeubigern zu unterwerfen. Auch soll es moeglich sein, im Rahmen von individuellen Vertragsanpassungen derartige Kaufpreiserhoehungen durch zusaetzliche Investitionen auszugleichen. Die AGP denkt dabei vor allem auch an Investitionen in den Umweltschutz, denn 79 Prozent der Unternehmen haben oekologische Altlasten uebernommen.

Der Wunsch nach Erhalt der Arbeitsplaetze war vielfach die Hauptmotivation fuer ein Buyout in den neuen Laendern. Das Management von MBOs in Deutschland Ost muss hoehere finanzielle Risiken uebernehmen, weil, so Lezius und Burmeister in ihrer Studie, "Finanzpartner zur Finanzierung nur in sehr geringem Umfang zur Verfuegung stehen".

Keine Bank an seiner Seite hatte auch Aucoteam-Chef Peter Schmidt. Da sich sonst keine Unterstuetzung fuer das Unternehmen fand, brachte ein Viertel der Beschaeftigten, 45 Mitarbeiter, nach und nach das Stammkapital von 360 000 Mark auf. Mittlerweile haben sich fuer die Ingeniergesellschaft die Zeiten geaendert: "Wir waren am Markt nichts wert, heute sind wir fuer die Geldinstitute serioese Partner." Der Ostberliner Betrieb mischt inzwischen vor allem im Sektor der Umwelttechnik, der Automation, der Computeranwendung und Dienstleistung kraeftig mit.

Gespraechsbereitschaft fordert der 2. AGP-Vorsitzende Burmeister, "damit die schwierigen juristischen Fragen nicht erst im Konkursfall geklaert werden", und spricht dabei neben der THA ebenso die Banken an, "welche die Moeglichkeit schaffen muessen, durch angemessene Besicherungsformen und Risikobereitschaft Liquiditaetsfreiraeume zu schaffen".

Die der bislang noch nicht veroeffentlichten Studien fuer Sachsen und Brandenburg dokumentieren aehnliche Ergebnisse wie die fuer Mecklenburg-Vorpommern, so dass die Resultate fuer alle fuenf neuen Bundeslaender repraesentativ sein duerften.