Antonio Schnieder, CEO Capgemini Central & Eastern Europe

"Management-Beratung brummt wieder"

24.09.2004
Die deutsche Capgemini-Niederlassung wächst mit IT-Beratung und -Outsourcing schneller als der französischen Mutterkonzern und viele der hiesigen Wettbewerber. Die Gründe erläutert Deutschland-Chef Antonio Schnieder im Gespräch mit CW-Redakteur Joachim Hackmann.

CW: Der Capgemini-Konzern hat die finanziellen Ziele des ersten Halbjahres 2004 einmal mehr verfehlt. Wie sind die Geschäfte in Deutschland gelaufen?

SCHNIEDER: Die Zahlen in Zentraleuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz) sind relativ gut. Wir haben ein Wachstum von insgesamt 11,5 Prozent auf 225 Millionen Euro erzielt. Dabei konnten wir in den Bereichen Consulting und Technology Services um drei bis fünf Prozent zulegen und im Outsourcing-Geschäft um 20 Prozent. Wir sind der Wachstumsmotor von Capgemini in Europa.

CW: Was haben Sie anders gemacht als der Konzern?

SCHNIEDER: Die Situation der Gruppe wird derzeit negativer dargestellt, als sie ist. In den USA ist das Geschäft heftig eingebrochen, das Gleiche gilt aber auch für die Wettbewerber. Capgemini ist insgesamt sehr gut aufgestellt. Das Einzige, was passierte, ist, dass wir die Erwartungen um 30 bis 40 Millionen Euro verfehlt haben.

CW: ...und in der Folge ist der Börsenkurs ist eingebrochen.

SCHNIEDER: Das ist nicht erfreulich, lässt sich aber nicht ändern. Wir sind - salopp formuliert - immer noch sexy. Capgemini hat enormes Potenzial und wird wieder zweistellig wachsen. Im laufenden Halbjahr wird der Druck auf die Margen noch anhalten, weil die abgeschlossenen großen Outsourcing-Deals Anlaufkosten verursachen. Wir haben eine Marge von zwei bis drei Prozent angekündigt und werden sie im Lauf der nächsten Semester deutlich steigern.

CW: Zurück zur Ausgangsfrage: Was haben Sie anders gemacht als der Konzern?

SCHNIEDER: Wir haben das Geschäft mit Consulting und Systemintegration mehr als stabilisiert. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass wir im Jahr 2001 rechtzeitig Einschnitte vorgenommen haben. Zudem profitieren wir davon, dass sich der Markt in Deutschland erholt. Das durchschnittliche Marktwachstum im Bereich Consulting und Systemintegration beläuft sich auf zwei Prozent, wir liegen darüber. Wir waren auch bei der Umsetzung des Gesamtkonzeptes erfolgreich und konnten bedeutende Outsourcing-Deals abschließen, zuletzt mit den Drägerwerken. Im deutschen Outsourcing-Markt ist Capgemini größer als CSC und Accenture.

CW: Der Begriff Outsourcing ist bei Arbeitnehmer oftmals negativ besetzt, weil die Maßnahmen zumeist mit Entlassungen verbunden ist. Was sagen Sie den übernommenen Mitarbeitern, etwa im Falle der Drägerwerke?

SCHNIEDER: Die Unternehmen überarbeiten ihre Prozesse in jedem Fall und so etwas zieht immer Entlassungen nach sich. Im Zweifel ist das Ausmaß bei uns geringer, weil wir wachsen und den übernommenen Mitarbeitern eine Perspektive bieten. Wir binden einen Teil der Arbeitskräfte in anderen Projekten ein, etwa in den Bereichen Consulting sowie Technology Services. Wir garantieren nicht, dass sie weiterhin beim ehemaligen Arbeitgeber tätig sind. Sie haben aber die Chance, sich weiterzuentwickeln und zwar auch - sofern sie wollen - international.

CW: Spüren Sie bei Ausschreibungen in Deutschland eigentlich die Konkurrenz indischer Softwarehäuser?

SCHNIEDER: Nein. Infosys und weitere indische Anbieter erzielen gerade einmal fünf Prozent ihres Umsatzes in Kontinentaleuropa, bei Jahreseinnahmen zwischen eins und 1,2 Milliarde Dollar. Wenn es ihnen gelänge, einen wirklich starken Partner in Europa zu akquirieren, dann müsste man sich Sorgen machen.

CW: Gemessen am Börsenwert könnte Tata Consultancy Services eine Übernahme von Capgemini gelingen.

SCHNIEDER: Dazu müssten wir bereit sein. Unsere Strategie lautet eindeutig: Wir wollen unabhängig bleiben. Eine feindliche Übernahme kann ich mir nicht vorstellen.

CW: Wie werden sich die Geschäfte bei Capgemini in Deutschland entwickeln?

SCHNIEDER: Wahrscheinlich werden wir im hohen einstelligen Prozentbereich zulegen, vielleicht wachsen wir auch zweistellig. Das Beratungsgeschäft ist absolut wieder da, Management-Consulting brummt. Ich kann zum ersten mal seit zwei oder drei Jahren sagen, dass wir Mitarbeiter einstellen. Wir wollen im Consulting und Technology Services um drei bis fünf Prozent wachsen. Um das umsetzen zu können, benötigen wir etwa 120 neue Mitarbeiter. Dabei werden wir im Systemintegrationsgeschäft beim Umsatz schneller wachsen als bei den Mitarbeiterzahlen, weil wir einen Teil des Wachstums mit unseren Nearshore-Centern auffangen. Im Outsourcing-Bereich werden wir zweitstellig zulegen.

CW: Wird Capgemini im nächsten Jahr ein großer Outsourcing-Deal gelingen?

SCHNIEDER: Ich bin zuversichtlich, dass er uns noch in diesem Jahr gelingen wird.

Antonio Schnieder

Seit 2001: Vorsitzender der Geschäftsführung und CEO von Capgemini Central 38;#38; Eastern Europe.

1996 bis 2001: Vorstand der Ernst 38;#38; Young AG sowie CEO Europe Ernst 38;#38; Young Consulting.

1993 bis 1996: Vorsitzender der Geschäftsführung der Schitag Ernst 38;#38; Young Unternehmensberatung GmbH.

1987 bis 1993: Vorstandsmitglied der ADV/Orga, später Sema Group.