Man muß auch die totale Vernichtung proben

12.10.1979

Mit Heinz Waschak, Vorstand des Büros für die zentrale elektronische Datenverarbeitung der Oesterreichischen Nationalbank, und seinem Stellvertreter, Peter Schramek, sprach Elmar Elmauer

-Herr Waschak, haben Sie als Vorstand des Büros für die beim Großbrand der Oesterreichischen Nationalbank vernichtete zentrale elektronische Datenverarbeitung inzwischen ermitteln können, wie hoch im DV-Bereich der Schaden ist?

Waschak: Man kann diesen Schaden schlecht beziffern, zumal bei der Hardware ein Teil gekauft, ein Teil gemietet war Oder, Herr Schramek, wie wurden Sie das sehen?

Schramek: Eine gesamte Schadenserhebung liegt nicht vor Wenn ich grob schätze, was einfach an Maschinen vernichtet wurde so komme ich auf eine Summe irgendwo um 30 Millionen Schilling. Der Schaden, der der Nationalbank sonst entsteht, liegt in den Kosten, die wir für Rekonstruktionsarbeiten an Programmen aufzubringen haben. Und dafür dürften wir etwa drei Mannjahre brauchen.

- Welche Maschinen hatten Sie denn am Einsatz? Und sind Sie mehrschichtig gefahren am Brandtag?

Waschak: Wir haben eine Siemens 7 755 mit 524 KB und sechs 100 Mio Platten eingesetzt gehabt. Wir sind mit eineinhalb Schichten gefahren. Das heißt, der Operator war so um acht, halb neun fertig.

- Und was meldet die Uhr in der CPU, wann Desaster-Time war?

Schramek: In dem Bereich gibt's keine Uhr mehr, die etwas melden könnte. Das ist alles restlos verbrannt. Der Brandausbruch ist nicht genau bekannt, nur die Tatsache des Brandes wurde um ungefähr 250 Uhr bemerkt.

Brandursache?

Waschak: Ist von der Polizei untersucht, doch Bericht liegt noch keiner vor.

- So, und jetzt zur Datenverarbeitung selbst: Was rechnet denn das Rechenzentrum einer Nationalbank, und welchen Mode fährt es?

Waschak: Eine durchaus berechtigte Frage, weil wir für eine Bank völlig atypische Aufgaben erledigen. Denn eine Notenbank ist eben mit einer Commerzbank nicht vergleichbar Selbst die Notenbanken der einzelnen Staaten haben unterschiedliche Arbeiten auf ihren Systemen. Wir hatten als Hauptaufgabe, den internationalen Zahlungsverkehr zu erfassen, so gesehen eine statistische Aufgabe. Diese Erfassung mündet dann in die Zahlungsbilanz. Zweite Aufgabe war die Erfassung des inländischen Zahlungsverkehrs, etwa die monatlichen Kontrollmeldungen der Kreditinstitute. Und natürlich hatten wir noch die internen Arbeiten mit der Gehaltsabrechnung für unsere Aktiven und Pensionisten.

- Das sind aber offensichtlich alles keine zeitkritischen Arbeiten, da wird Batchbetrieb wohl ausgereicht haben?

Schramek: Ja, wir haben ausschließlich Batch gefahren.

- In welcher Form haben Sie denn Ihre Meldungen hereinbekommen? Waren die verarbeitungsfähig erfaßt?

Schramek: Zu fünfundsiebzig Prozent bekamen wir die als Bänder herein.

- Wie viele pro Tag?

Schramek: Rund dreißig.

- Und da, wie Sie sagen, alles verbrannt ist: Bestimmt sind doch ein paar Unikate mitverbrannt?

Schramek: Was im Bereich der Datenerfassung war, ist alles mitverbrannt. Übriggeblieben ist nur, was in den feuerfesten Schränken im Systemraum gesichert war. Die Originale liegen zumeist ja bei den Banken. Eine Duplizierung war insofern nicht notwendig. Und wir haben ja im wesentlichen alle Daten wieder bekommen.

- Sie sagen im wesentlichen: Also gibt's auch im Datenverkehr mir der Nationalbank Zufälle, daß irgendetwas nicht dupliziert war?

Waschak: Natürlich.

- Das leidige Problem der Datensicherung: Wo haben Sie denn sonst Ihre teuren Programme gelagert - neben den Goldbarren im Keller?

Waschak: Ja, sinngemäß: Wir hatten quasi vier Lagerstätten: Eine waren die zwei feuerfesten Schränke im Rechenzentrum. In denen wurden die aktuellsten Bänder aufbewahrt. Der Inhalt dieser Schränke ist absolut unversehrt, wir konnten die Schränke sogar mit dem Originalschlüssel aufsperren. Als zweiten Lagerort hatten wir einen Platz im gleichen Stock, aber entfernt vom Rechenzentrum, dann weitere zwei Räume in zwei verschiedenen Kellern und in verschiedenen Gebäuden.

- Und die Datenverarbeitung selbst war zusammengefaßt in einem Stockwerk untergebracht?

Waschak: Wir waren im sechsten Stockwerk, im schönsten Rechenzentrum von ganz Wien, mit einem herrlichen Blick auf den Kahlenberg.

- Das ist ja nun vorbei: War seinerzeit bei der Einrichtung des Rechenzentrums an die Möglichkeit einer Feuersbrunst gedacht worden?

Schramek: Natürlich hat man an so etwas gedacht. Deshalb ja die Auslagerung und die feuerfesten Schränke.

- Gut, aber hatten Sie als die Dirigenten des Rechenzentrums, einen Notfallplan in der Schublade? Um für den Fall, daß es brennt, oder gebrannt hat, weiterarbeiten zu können?

Waschak: Ja, wir haben einen Notplan gehabt. Wir haben mit einem Rechenzentrum in Wien - und wir brauchen schon eine gleichwertige Siemens-Anlage - einen Notbetrieb getestet.

- War das ein regelmäßiger Check?

Waschak: Halbjährlich.

- Dann waren Sie ja vorbereitet! Zumindest hat sich der Notfall-Check bezahlt gemacht, oder?

Waschak: Das haben wir diskutiert. Ich muß jedoch zu dem Check sagen, daß er Im wesentlichen unsere wichtigsten Arbeiten betroffen hat. Und der Notvertrag war nicht so ausgelegt, auf ein Jahr lang bei dem anderen Rechenzentrum mit der vollen Kapazität unterzukommen.

Schramek: Wir haben bei unserer Notfallplanung nur an den Ausfall des Systems gedacht. Und hier liegt das Problem. Wir hätten auch testen müssen - und man sollte das testen - was ist, wenn der ganze Bereich ausfällt.

Waschak: wir haben aber doch Erfahrungen gewonnen, wie es ist, wenn man auf einem anderen System schnell verschiedene Platten aufbauen muß. Aber insgesamt sind wir jetzt in einem anderen Rechenzentrum als in dem, mit dem wir ursprünglich den Notvertrag geschlossen hatten.

- Wo gab`s denn die größten Friktionen beim Unterbringen Ihrer Verarbeitung?

Waschak: Das Hauptproblem war die Zeit Eigentlich waren überall nur noch die dritten Schichten frei, und die nicht immer voll. Wir mußten also plötzlich aus der Notsituation heraus - und dies ist auch ein personelles Problem - auf zwei, drei Computern von 24 Uhr bis sechs Uhr morgens arbeiten.

- Haben Sie alle Ihre Arbeiten untergebracht - Sie waren ja selbst mit eineinhalb Schichten beschäftigt gewesen?

Schramek: Wir waren durch unsere Aufgaben nicht unter Druck und konnten gewisse Arbeiten hintanstellen.

- Hypothetisch gefragt: Was wäre, wenn Sie ohne Ausweich-Alternative

abgebrannt wären? Normalerweise ist der Weg aus der Datenverarbeitung zurück in die "Zu-Fuß-Verarbeitung" nicht gangbar.

Schramek: Sicherlich Nur im Notfall müßten wir's eben doch machen und das würde sicherlich auch wieder klappen, so wie früher, als wir noch keinen Rechner zur Verfügung hatten.

- Sie mußten's machen, sagen Sie: Was haben Sie denn bei Ihrem Check simuliert, wie nahe sind Sie denn an den Ernstfall gekommen?

Waschak: Na, die totale Vernichtung, die haben wir nicht geprobt.

- Für wie lange haben Sie den Systemausfall geprobt?

Schramek: Ausfall bis zu einer Woche. Und wir haben den Notplan darüber erstellt, was in dem Fall ausgelagert werden muß, um auf einem fremden System abgearbeitet zu werden. Und wir haben in dem Notplan festgelegt, was schlimmstenfalls liegenbleiben könnte und was in den Handbetrieb übernommen werden müßte.

- Wenn Sie jetzt das totale Chaos als Anstoß für ein Zehn-Punkte-Programm nehmen: Was werden Sie tun und was muß man zur Vorbereitung auf solch eine Katastrophe als Rechenzentrum tun?

Schramek: Erstmals, das hat ja Herr Waschak schon gesagt, sollte man nicht nur den Systemausfall proben, denn das kann man recht gut simulieren und der kann ja schon bei einem Head-Crash auftreten. Man müßte also unbedingt den Ausfall eines kompletten Bereichs überdenken - also bei uns Ausfall der kompletten Programmierung, der Datenerfassung, der CPU Natürlich ist so ein Check sehr aufwendig und man kann das sicher nur über ein Wochenende machen. Aber ich glaube doch, daß das im Katastrophenfall hilft. Denn wer glaubt denn vorher daran, daß nach einem Feuer wirklich alles weg ist. Und das sollte nach meiner Ansicht eben doch durchgespielt werden.

- Was hätten Sie denn retten können, was könnten Sie an Rekonstruktion ersparen, wenn Sie sich so ideal verhalten hätten?

Schramek: Im wesentlichen würden wir uns eben ersparen, daß so ein Lapsus passiert und ein Band verbrennt, das eben doch nicht dupliziert war. Und natürlich wären Daten selbst auch noch vorhanden.

- Wenn Sie Daten und Programme rekonstruieren müssen? Geht das so einfach ?

Waschak: Wir haben als Notenbank den Vorteil, daß wir fast keine Personalfluktuation haben. Wir haben also nicht das Problem, daß wir in ein Programm einsteigen müssen, dessen Programmierer vor zehn Jahren ausgeschieden ist.

- Das "unkündbare Programmieren" ist ja nur schädlich, wenn's doch zur Kündigung kommt. Aber nun zurück: Sie arbeiten ja sicherlich an einem neuen Krisenplan: Wo unterscheidet er sich gegenüber dem alten Manöverpapier?

Schramek: Auf alle Fälle wünsche ich mir ein Archiv, das so geführt wird, wie der Goldbestand der Nationalbank. Also mit allen Konsequenzen der Standführung und der Kontrolle. Damit es sich nicht ergibt, daß eben doch ein Band oder ein paar Stammdaten verschwunden sind. Und ein Wunschtraum ist, das machen zwar andere schon so, alles auszulagern, eventuell sogar in eine Zweiganstalt. Ich meine, phantastisch wäre ein Back-up-System in einer unserer Zweiganstalten in den Bundesländern. In Linz oder in Salzburg. Aber grundsätzlich ist es so, daß man einfach den Notfall-Check anders machen muß: Da muß man eben wirklich prüfen, ob jetzt alle Bänder existieren und dann muß ich wirklich prüfen, ob ich auch längerfristig auf ein Ausweichsystem zugreifen kann, daß tatsächlich die gleiche Kapazität wie die eigene Maschine hat.

- Wie weit sind Sie denn inzwischen bei der Rekonstruktion und der Neuorganisation der Nationalbank-DV gekommen ?

Waschak: Wir hätten sechs Tage nach dem Brand schon wieder abbrennen können.