Zweifel an der Unabhängigkeit von The Open Group

Maloney: "Konkurrierende Standards sind uns willkommen"

18.10.1996

CW: Warum hat sich Microsoft für The Open Group entschieden?

Maloney: Ich bin schon vor einigen Monaten an Microsoft mit dem Anliegen herangetreten, Active X zu öffnen. Dafür habe ich dem Unternehmen unsere Dienste wie Tests, Spezifikation und Open-Systems-Branding angeboten.

CW: Erhält die Active X Group (die für die Microsoft-Technik gegründete Untergruppe von The Open Group, Anm. d. Red.) tatsächlich den gesamten Sourcecode der Microsoft-Technik?

Maloney: Ja, inklusive aller Rechte. Wir werden in der Lage sein, Lizenzen zu vergeben.

CW: Bislang war The Open Group beziehungsweise deren Untergruppen OSF und X/Open auf offene Systeme spezialisiert. Ändert sich durch das Active-X-Engagement etwas daran?

Maloney: Unser Ziel ist es, die Industrie mit Open-Systems-Techniken zu versorgen. Darum geht es auch in diesem Fall. Es steht künftig jedermann offen, Vorschläge zur Weiterentwicklung der Microsoft-Technik zu machen, die dann allerdings der Active-X-Gruppe gehört.

CW: Was ist mit der Object Management Group (OMG) und deren Corba-Technik?

Maloney: Wir arbeiten ziemlich eng mit der OMG zusammen. Zur Zeit validieren wir Corba. Die Active-X-Gruppe ist aber etwas anderes.

CW: Die Object Management Group strebt schon lange eine Zusammenarbeit von Active X und Corba an. Ist das jetzt die Aufgabe Ihrer Organisation?

Maloney: Was Interoperabilität betrifft, so werden wir eine Verbindung zwischen Active X und unserer Remote-Procedure-Technik Distributed Computing Environment (DCE) herstellen. Es gibt keinen Grund, dasselbe nicht auch mit Corba zu tun.

CW: Ich habe nach der Zusammenarbeit von Active X und Corba gefragt, nicht nach der mit DCE . . .

Maloney: Ich verstehe Ihre Frage nicht.

CW: Die OMG wartet seit Monaten auf die von Microsoft versprochenen Active-X-Spezifikationen, um eine Verbindung zu Corba zu schaffen. Wird dieses Projekt jetzt von der Active-X-Gruppe weitergeführt?

Maloney: Die Gruppe hat das Recht, die Spezifikationen an wen auch immer zu lizenzieren.

CW: Heißt das, daß die OMG die Spezifikationen für teures Geld kaufen muß?

Maloney: Es ist noch zu früh, darüber zu sprehen. Bislang haben noch nicht einmal wir diese technischen Angaben. Aber sobald sie eingetroffen sind und das Spezifikationsverfahren von X/Open durchlaufen haben, werden sie allgemein zugänglich gemacht. Das geschieht auf dieselbe Weise wie bei allen X/Open-Richtlinien.

CW: Also umsonst?

Maloney: Ich glaube, ja.

CW: Microsoft hat deutlich gemacht, daß es kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der OMG hat. Bringt das The Open Group nicht in einen Interessenkonflikt?

Maloney: Wir sind eine offene Organisation und arbeiten mit jedem. Wir schließen niemanden aus.

CW: Sie haben mit Corba und Active X bald zwei konkurrierende Standards im Haus. Müssen Sie sich da nicht entscheiden?

Maloney: Nein, wir sind für beides. Wir liefern die Spezifikationen. Uns sind konkurrierende Standards durchaus willkommen.

CW: Was sind Ihre Pläne für Active X?

Maloney: Zuallererst werden wir in einem beschleunigten Verfahren die Interoperabilität von DCE und dem Distributed Common Object Model (DCOM) in Angriff nehmen.