Mainframes sollen von NEC vertrieben werden Bernard Pache legt endlich Sanierungsplan fuer Bull vor Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

01.10.1993

PARIS - Schrittweise soll die Sanierung der Groupe Bull S.A. vonstatten gehen. So steht es zumindest in dem lang erwarteten und jetzt von Bull-Chef Bernard Pache der EG-Kommission vorgelegten Sanierungsplan. Demnach will der franzoesische Hersteller die proprietaere Mainframe-Welt verlassen, auf offene Strukturen und Standards setzen und das PC-, Software- sowie Dienstleistungsgeschaeft ausbauen. Therapeutische Hilfe erhoffen sich die schwer angeschlagenen Franzosen dabei von neuen und alten Partnern.

So zeichnet sich beispielsweise in der mehr als 20jaehrigen Zusammenarbeit zwischen dem franzoesischen Computerfabrikanten und dem japanischen Elektronikriesen NEC eine ueberraschende Wende ab. Pache liess durchblicken, dass die Japaner kuenftig Grosssysteme des Typs "GCOS 7" der Franzosen in ihre Angebotspalette aufnehmen koennten. Im Gegenzug will Bull demnaechst einen Server der Baureihe "DPS 9000" vorstellen, dessen CPU von NEC stammt.

Eine Flurbereinigung im Bereich ihrer Grosssysteme haben beide Gruppen dringend noetig. Seit 1988 schrumpfte dieses Marktsegment in Japan um ein Fuenftel und macht laut NEC heute nur noch gut 40 Prozent des dortigen Gesamtmarkts aus. In Mainframes zu investieren lohnt sich fuer die Partner zudem auch deshalb nicht mehr, weil NEC (Nummer drei der DV-Branche weltweit) hier nur noch auf einen Weltmarktanteil von elf Prozent kommt, bei Bull sind es gar nur noch drei Prozent.

Die Japaner erhoffen sich durch eine vertiefte Zusammenarbeit mit Bull im Mainframegeschaeft vor allem eine Umkehr des Ergebnistrends: 1992 schrieb NEC erstmals in seiner Firmengeschichte rote Zahlen. Bei Bull fragen sich dagegen insbesondere die Arbeitnehmer, ob damit der unablaessige Stellenabbau zum Stillstand gebracht werden kann: Bis Ende 1994 will die Gruppe weitere 6500 Jobs einsparen, davon 2850 allein in Frankreich.

Vereinbarungen wie die mit NEC gehoeren zu den wichtigsten Stichpunkten des Sanierungsprogramms, das Pache kuerzlich der EG- Kommission zur Billigung vorlegte. Das Papier skizziert eine Strategie des schrittweisen Uebergangs von proprietaeren Grosssystemen auf offene Strukturen und Standardloesungen wie Unix- Plattformen sowie einen Ausbau des PC-, Software- und Dienstleistungsgeschaefts.

EG-Kommission zeigt sich noch zurueckhaltend

Ferner steht die Anknuepfung neuer Partnerschaften nach dem Muster der Kooperationen mit IBM, CISI und Packard Bell sowie als Fernziel eine Privatisierung der heute mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Gruppe auf dem Programm.

In Bruessel zeigte man sich zwar von der Strategie beeindruckt. Allerdings will die EG-Kommis- sion das Pache-Papier solange nicht offiziell gutheissen, wie ihm ein amtlicher Begleittext der Pariser Regierung fehlt. Faktischer Hauptgrund fuer die Zurueckhaltung der Eurokraten ist jedoch der von Pache angemeldete hohe finanzielle Sanierungsbedarf von rund neun Milliarden Franc.

Da dem Bull-Management diese Huerde nur allzu bewusst ist, wuerde es nach eigener Auskunft anstelle neuer Staatshilfen auch einen Schuldenverzicht der oeffentlichen Hand akzeptieren, wie ihn Paris frueher bereits der franzoesischen Autoindustrie gewaehrte. Industrieminister Gerard Longuet habe die Lage Bulls (seit 1990 rund 15 Milliarden Franc Nettoverlust, derzeitige Gesamtverschuldung mindestens neun Milliarden Franc) selbst mehrfach mit der Situation bei Renault vor der Sanierung dieses Unternehmens verglichen, heisst es dazu aus der Umgebung Paches.

Der Vorstandsvorsitzende der IBM France, Claude Andreuzza, gab derweil zu verstehen, dass sein Unternehmen bei der demnaechst vorgesehenen Kapitalspritze nicht mitziehen werde. Der Anfang letzten Jahres beschlossene Erwerb von 5,7 Prozent des Bull- Kapitals habe einzig dem Zweck gedient, der technischen Zusammenarbeit im Bereich von RISC-Prozessoren gesellschaftsrechtlichen Rueckhalt zu verleihen. Vergleichbare Projekte gaebe es darueber hinaus derzeit jedoch nicht. Schon Ende Juni dieses Jahres enthielt sich die IBM France auf der Aktionaersversammlung von Bull der Stimme, als es um die Ermaechtigung fuer den Verwaltungsrat der Gruppe ging, direkte und indirekte Kapitaleinschuesse in Hoehe von insgesamt elf Milliarden Franc (umgerechnet rund 3,15 Milliarden Mark) vorzunehmen.

Allerdings wurde die Aussage Andreuzzas spaeter in einer gemeinsamen Presseerklaerung von Bull und IBM relativiert: Beide DV-Hersteller wuerden die Frage nach einer Erhoehung der Beteiligung dann eroertern, wenn die Zeit dazu reif sei. Bis dahin kommentiere man die "bedauerlichen" Spekulationen nicht.