Hardware-Round-up '85:

Mainframes außerhalb der blauen Welt

08.11.1985

Gespannte Ruhe herrschte in den vergangenen zwölf Monaten im Lager der Anbieter nicht-lBM-kompatibler Universalrechner. Gegenüber dem letzten Round-up im Herbst '84 hat sich nur wenig getan. So taucht beispielsweise die Digital Equipment GmbH nicht mehr auf, die seinerzeit noch mit den Systemen 10 und 20 vertreten war. Doch seit der Venus-Ankündigung spricht von diesen bei der kleinen Anwenderschar geschätzten Rechnern niemand mehr.

Die VAX-Systeme des Mini-Marktführers, obwohl leistungsmäßig durchaus im mittleren Mainframebereich anzusiedeln, finden sich traditionsgemäß im Supermini-Teil des Hardware-Round-up, der in der nächsten Woche veröffentlicht wird.

Am Ende des letzten Jahres versuchte Sperry, mit einem groß angelegten Unix-Announcement seine Unabhängigkeit von der IBM zu demonstrieren. Die Herbst-Comdex 84 in Las Vegas nutzend, bot Sperry nun für die gesamte Produktlinie dieses Betriebssystem an. Haken an dem Konzept: Mit den Anwendungslösungen hapert es auch heute noch. Kaum zwei Monate später wagte sich Sperry dann erneut aus der Deckung und legte seine Mainframe-Pläne bis zum Jahr 2000 vor. Diese Pläne sahen auch ein Projekt namens "Orion" vor, das das Unternehmen in diesen Tagen stoppen mußte. Orion sollte dabei nach den ursprünglichen Plänen die Tischversionen der 1100-Mainframes darstellen und zwischen einer und fünf Millionen Instruktionen pro Sekunde leisten.

Fast zeitgleich demonstrierten Honeywell und Burroughs ihre Anwesenheit in der Mainframe-Klasse.

Während sich Honeywell mit der von der japanischen NEC entwickelten DPS-90-Serie in der Sierra-Klasse versucht, kam Burroughs mit seinen A15-Maschinen über den 308X-Leisten nicht hinaus. Deprimierend mußte trotz aller Ankündigungsanstrengungen sowohl auf diese beiden Anbieter wie auch auf den Rest der Nicht-IBM-Welt eine Untersuchung wirken, die die IDC zu diesem Zeitpunkt vorlegte. Danach belief sich der Anteil der IBM an ausgelieferten Großrechnern im Jahr 1984 auf über drei Viertel des Gesamtvolumens Burroughs und Honeywell brachten; es immerhin noch auf Platz 2 beziehungsweise 4, allerdings reichten dazu bereits 5,6 beziehungsweise 3,3 Prozent.

Den Einstieg in die hauseigenen Produktpaletten wollten Tandem und Sperry rechtzeitig zur Hannover-Messe den Anwendern schmackhafter machen: Tandem brachte das System EXT (und füllte damit die Lükke zwischen den Nonstop-Rechnern I und II), Sperry ging mit zwei Modellen der 1100/90 auf Kundenfang. Aus Platzgründen fehlt in der Tandem-Tabelle das System I.)

Weitere DPS-90- und DPS-88-Modelle kamen im Sommer von Honeywell Bull. Daß die Leistungsspanne bei diesen Rechnerfamilien damit jetzt 1 zu 52 betragen sollte, nützte dem einstmals ernstzunehmenden Großrechneranbieter wie auch seinen "Outsider"-Kollegen bis jetzt nichts. Vielmehr verstärkt sich ins besondere -bei Bull der Eindruck, man wolle sich verstärkt der wiederbelebten RISC-Technik (Reduced Instruction Set Computer) widmen. Doch da RISC-Maschinen zur Zeit insbesondere im technisch-wissenschaftlichen Bereich ihre Anwender finden, sieht sich das Unternehmen (und mit ihm alle, die sich hier auf einen Wettstreit einlassen wollen) erneut einem starken Mitbewerb gegenüber: DEC & Co.

Richtig "in die vollen" ging vor drei Wochen die Siemens AG mit einer Erweiterung ihrer 7.500-Produktlinie um gleich elf Modelle (aus Platzgründen sind in der Siemens-Tabelle nur die neuen aufgeführt). Bemerkenswert an dieser Ankündigung war dabei freilich vielmehr, daß die Münchner nun ihr Betriebsystem BS2000 auf den Mikro heruntergezogen haben - und daß VM im Spiel war. Jetzt scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis das schon längst erwartete IBM-kompatible BS2000 kommt.

Die bislang letzten im Mainframe-Ankündigungsreigen stellte die Nürnberger ICL dar. Mit ihren Rechnern der Serie 39 soll frischer Wind in die Produktpalette gebracht werden. Ähnlich wie bei den Siemens-Leuten zeichnet sich auch hier der Weg zur IBM-Kompatibilität bereits ab: Angesichts der Zusammenarbeit mit Fujitsu bei der Entwicklung der 39-Modelle (zur Erinnerung: Fujitsu versorgt beispielsweise Amdahl und Siemens mit IBM-kompatiblem Gerät) bestätigte ICL-Deutschland-Geschäftsführer Gerd Steffen die offensichtliche Richtung. Damit verabschiedet sich der erste traditionelle Mainframe-Anbieter ins blaue Paradies.