Mainframe: Prinzip Machterhaltung

26.08.1994

KOLUMNE

Client-Server ist out: ueberschaetzt, ueberfordert, ungebaerdig, zu teuer - kurz: Chaos. Wer das behauptet und auch so meint, verfaellt in technologiepolitischen Autismus. Die Entwicklung immer kompakterer, dabei intelligenterer und maechtigerer Arbeitsplatzcomputer (Workstations/PCs), hardwareseitig die Voraussetzung fuer eine service- und kundenorientierte DV, laesst sich nicht rueckgaengig machen. Der Trend zu verteilten Anwendungen ist unumkehrbar; IT-Strukturen entstehen, die mit der traditionellen Mainframe-DV nur noch wenig gemein haben. Nur waere es unredlich, die Moeglichkeit eines "Gegenputsches der Mainframer" anzudeuten, um diese dadurch genuesslich als reaktionaer und uneinsichtig blossstellen zu koennen.

Wir stehen keineswegs vor einer Neuauflage des Glashaus-Komplotts, das zu einem Mainframe-Monopol der IBM gefuehrt hat. Indessen gibt es gute Gruende, die Redlichkeit der Client-Server-Marketiers bei einigen grossen Herstellern anzuzweifeln. Es wird selten gesagt, was unter Client-Server konkret verstanden werden soll. Und wenn es geschieht, bleibt das Verkaufsziel des Anbieters nicht verborgen: Haste SAPs R/3, biste Client-Server-Anwender - mehr braucht man nicht zu wissen. Aehnlich verhaelt es sich mit einer IBM-Variante: Hat nicht in der Mainframe-Welt das "cooperative processing" stets bestens funktioniert, nur dass es noch nicht Client-Server genannt wurde? Mainframe plus CICS (Customer Information Control System) gleich Client-Server - so einfach ist das.

Nun koennen SAP und IBM nicht die ganze DV-Welt umarmen, selbst wenn sie es wollten - da ist schon der jeweilige Bauch vor. So bleibt Platz fuer Markt jenseits der von IBM und SAP besetzten proprietaeren Zone. Eine Client-Server-Definition ohne Pferdefuss wuerde die Kommunikation erleichtern. Parteilich ist die CW, wenn sie sich als Veranstalter der Kongressmesse "Client Server World" fuer ein Konzept stark macht, ueber das bei vielen Anwendern offensichtlich noch Unklarheit herrscht, wie juengste Umfragen von Marktforschern indirekt bestaetigen: Konstant hoch ist hierzulande der Anteil derjenigen, die angeben, Client-Server zu planen - man koennte es fuer Lippenbekenntnisse halten.

Was bedeutet Client-Server? Auf jeden Fall nicht Master-Slave: genau das Gegenteil. Zunaechst einmal ist es eine Architektur fuer verteilte Anwendungen, die die Enge bisheriger, Mainframe- zentrierter Loesungen ueberwindet - das, was DV-Organisatoren und IS-Planer eigentlich immer anstrebten, wofuer jetzt die technischen Voraussetzungen vorhanden sind. Darueber hinaus steht Client-Server aber auch fuer ein neues IT-Verstaendnis des Managements, der Fachbereiche und der Benutzer: Die IT-Anwendung wird in die Unternehmensprozesse integriert und nicht mehr als aufgesetzt, als fremdgesteuert erfahren. Warum dann das Gerede vom Client-Server- Chaos? Gespottet wird ueber eine vermeintliche Ideologie aus einer ideologischen Ecke heraus: Mainframe-DV war nie nur eine Betriebsform, sondern (IBM-)Prinzip mit dem Ziel Machterhaltung - wer will das leugnen?