MAI: Große Sünden rächen sich von selbst

12.06.1992

Wie heißt es so schön im Volksmund? Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Wir ergänzen: Die großen rächen sich von selbst. Im Fall MAI scheint sich dies zu bewahrheiten. Wer erinnert sich nicht mehr an das von Chairman Bennett LeBow initiierte Take-over-Drama zwischen MAI und Prime Ende der 80er Jahre? Neun Monate lang lieferten sich beide Unternehmen eine regelrechte Schlammschlacht, die zum Schluß nur Verlierer hervorbrachte: LeBow, weil er nicht zu der erhofften schnellen Mark kam, die Midrange-Company MAI, die das Gesicht verlor, und der Minicomputer-Hersteller Prime, der zwar durch die Venture-Capital-Firma J. H. Whitney gerettet wurde, aber jede Menge Schulden am Hals hatte. Beide Unternehmen sind seither nie mehr so recht auf die Beine gekommen.

Jetzt droht dem kalifornischen Basic-four-Entwickler gar das Aus. Abgesehen von der kostenträchtigen wie erfolglosen Attacke auf Prime verzettelten sich die Amerikaner mit dem Hardwaregeschäft. Viel zu spät erkannten sie, daß mit dem reinen Boxen-Verkauf kein Geld mehr zu machen ist, viel zu spät schlugen sie den Weg ihrer flexibleren deutschen Tochter ein, über Vertikalsoftware Komplettlösungen an den Mann zu bringen. So stecken die US-Geschäfte nicht nur in den roten Zahlen, auch drückt MAI mittlerweile ein beträchtlicher Schuldenberg, der bis Mitte Juni beglichen sein muß, sonst machen die ungeduldig gewordenen Geldgeber in den USA den Laden dicht. Retten will man sich mit dem Verkauf der profitablen deutschen Tochter. Die Verhandlungen laufen, eine Einigung - mit wem auch immer - steht kurz bevor. Doch was wird aus der MAI Systems Corp., wenn der Deal über die Bühne gegangen ist? Gerade die Hessen sorgten schließlich in den vergangenen Geschäftsjahren mit ihren Gewinnen dafür, daß die Muttergesellschaft zumindest noch hauchdünne Erträge ausweisen konnte. Ohne die deutsche Einnahmequelle sieht es bitter aus.

Spätestens an dieser Stelle erhebt sich für den Beobachter die Frage, welches Spiel LeBow eigentlich spielt. Dem findigen Wallstreet-Spekulanten, der sich 1985 in das Unternehmen einkaufte, wird nachgesagt, nicht gerade der Ärmste unter den Reichen zu sein. Dennoch scheint er nicht gewillt, auch nur einen müden Dollar locker zu machen, obwohl er - siehe Prime - nicht ganz unschuldig an MAIs mißlicher Lage ist und zudem nach wie vor die Mehrheit an dem MDT-Anbieter hält. Vielleicht aber hat sich LeBow nun endgültig verzettelt, kann er nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Wie dem auch sei: MAI, einst Pionier der Dialog-Datenverarbeitung, ist das Opfer eines Finanzakrobaten geworden, der den Hals nicht voll genug kriegen konnte. Die Leidtragenden werden einmal mehr Mitarbeiter und Kunden sein.