Dünnfilmplatte ermöglicht dramatische Steigerung der Kapazität:

Magnetspeichertechnik hat noch was in petto

21.12.1979

Tote haben manchmal ein langes Leben. Das trifft in gewissem Sinne auch auf die traditionelle Magnetspeichertechnik zu. Immer wieder von neueren Technologien in eine vermeintliche Wettbewerbssituation gedrängt, haben Computerband und Plattenstapel ihre Vorrangstellung wahren, wenn nicht ausbauen können. Mehr Information pro Flächeneinheit bei gleichzeitig geringeren Kosten war jedesmal die Antwort auf den Druck neuer Speichermedien. In den rund 25 Jahren seit Einführung der Magnettechnologie ist so die Speicherdichte bei Platten von 110 KBit pro Quadratzoll auf über 3000 KBit gestiegen und der Preis pro Megabyte von 75 auf 2,25 Dollar gesunken. Bieten Band und Platte noch weiteres Entwicklungspotential, oder werden sie in naher Zukunft schließlich doch von jüngeren Technologien substituiert werden?

Diese Frage hat zwei Aspekte: zum einen den des Beharrungsvermögens alteingeführter Medien, zum anderen den des vernünftigerweise noch zu realisierenden Zuwachses an Speicherstellen (pro Flächeneinheit bei gleichzeitigem Sinken der Kosten pro gespeichertem Zeichen).

Lassen wir bei der Betrachtung des momentanen Zustandes und seiner möglichen Veränderung solche Medien wie das Computerband und die Flexy-Disk aus dem Spiel. Das Band ist - bedingt durch den alles dominierenden Wunsch nach größtmöglicher Austauschbarkeit und Archiviertauglichkeit - in der Ausnutzung seines möglichen Speicherpotentials von allen Medien am stärksten durch einen Standard gebunden. Es hat

zwar, was den Preis betrifft, in den letzten zehn Jahren an Attraktivität gewonnen (von einstmals 200 zu jetzt 30 Mark), hat aber seit der Einführung des GCR-Aufzeichnungsmodus in den letzten Jahren keine weitere Erhöhung der Speicherdichte erfahren - obwohl hier durch neue Aufzeichnungsstandards noch erhebliche Verdichtungen möglich wären.

Eine abenteuerliche Entwicklung

Die Diskette oder Flexy-Disk hinwiederum hat in den letzten Jahren zwar durch neue Aufzeichnungsverfahren (zum Beispiel das MFM-Encoding) ihre Kapazität verdoppelt und durch die laufwerksseitig erfolgte Möglichkeit der beiderseitigen Aufzeichnung gar vervierfacht, weitere Erhöhungen aber scheinen angesichts des damit zwangsweise verbundenen technischen Aufwandes auf der Geräteseite wenig sinnvoll, zumal sie den großen Vorteil des Gerätes, seinen geringen Preis, zunichte machen würden.

Hier sei also nur auf die Magnetplatte hingewiesen, die in den letzten 20 bis 25 Jahren wohl die abenteuerlichste Entwicklung erfahren hat. Erinnern wir uns: 1964, mit der Einführung des Plattenspeichers IBM 2311, bot der Stapel eine Gesamtkapazität von 7,3 MB bei einer Speicherdichte von 110 KBit pro Quadratzoll. Die Kosten pro Megabyte betrugen damals 75 Dollar. Heute, da die Generation der 3350 Plattenspeicher mit im Gerät festmontiertem Plattenmodul noch nicht zum allgemein verbreiteten Standard geworden ist, sind wir bei einer Kapazität von 317,5 MB pro Spindel und 3058 KBit pro Quadratzoll angelangt. Die Kosten pro Megabyte sind ebenso dramatisch gesunken - auf 2,25 Dollar (siehe: A. S. Hoagland, Storage Technology, in "Computer" 5/79).

Um bewußt zu machen, was das technologisch bedeutet, ein Exkurs: Mit der Einführung der sogenannten "Winchester"-Technologie vor sechs Jahren vollzog sich ein wichtiger Schritt auf die weitere Steigerung der Aufzeichnungsdichte hin. Bei der neuen Generation waren erstmals die Schreib-/Leseköpfe in das Stapelgehäuse integriert. Außerdem war - wie auch bei dem Stapel 3330 eine Magnetplattenoberfläche sogenannten Servoaufzeichnungen vorbehalten, die dem genauen Auffinden der Spurlage dienten. Damit war die frühere Abhängigkeit von minuziösen Laufwerkjustagen, von denen es alleine abhing, ob ein Stapel auf einem anderen Laufwerk gelesen Werden konnte als auf dem, auf dem er beschrieben worden war, nicht mehr gegeben. Der Abstand von Spur zu Spur konnte damit geringer werden, gleichzeitig mußte aber die Magnetschicht auf der Platte wesentlich dünner werden und mußte der Schreib-/Lesekopf niedriger über die Oberfläche fliegen. Dünner und niedriger, weil nur dadurch zu erreichen war, daß der aufgezeigte Impuls eine gewisse flächenmäßige Ausdehnung nicht überschritt und trotzdem ein für das Lesen ausreichender Pegel gewährleistet war.

Entzieht sich dem Vorstellungsvermögen

Für die Speicher der oben genannten 3350-Generation heißt das, daß die Schichtdicke bei etwa 0,8 Ám liegt und die Flughöhe, das heißt, der Abstand zwischen Oberfläche und Kopf, bei zirka 0,5 Ám. In welchen Dimensionen hier gefertigt und im täglichen Betrieb dann gearbeitet werden muß, entzieht sich schlicht jedem Vorstellungsvermögen. Trotzdem sei an dieser Stelle an den strapazierten Vergleich mit dem Menschenhaar erinnert: es ist etwa 60 Ám dick.

Sind nun auf dem Hintergrund dieser erstaunlichen Dimensionen noch weitere Steigerungen der Aufzeichnungsdichte, und das vor allem zu vernünftigen Herstellkosten, denkbar? Um es gleich zu sagen, ja.

Hier ein zweiter Exkurs: Wenn wir oben gesagt haben, daß die Schicht möglichst dünn sein muß, damit das aufgezeichnete Signal in einem äußerst engumrissenen Flächensegment aufgezeichnet werden kann, so lassen sich durch noch weiter verringerte Schichtdicken sowohl die Abstände von Signal zu Signal in longitudinaler wie in lateraler Richtung verkleinern. Mit anderen Worten: Mehr Flußwechsel pro Spur und mehr Spuren pro Plattenoberfläche. (Physikalisch gesehen ist dies unter anderem durch den Umstand bestimmt, daß das vom Spalt des Schreib-/Lesekopfes erzeugte Feld senkrecht in die Schicht eindringt.) Grenzen vom heutigen Standpunkt aus ergeben sich allerdings bei einer Schichtdicke von etwa 0,5 Ám und Flughöhen von 0,25 Ám. Das gilt wohlgemerkt für die schon klassisch zu nennende "Winchester"-Technologie bei Verwendung von Eisenoxydbeschichtung.

Erreichbar und in kleinerem Maßstab auch teilweise schon realisiert sind 15 000 Flußwechsel pro Inch (fci) und 1000 Spuren pro Inch (gegenüber 6500 fci und 480 Spuren des 3350-Typs). Die Grenze wird hier weitgehend diktiert vom Lesepegel, der trotz aller Elektronik am Kopf mindestens 50 bis 100 FV betragen muß, um einen ausreichenden Signal-zu-Rauschabstand zu erreichen. Immerhin aber wäre mit der Einführung dieser Parameter schon eine Verfünffachung der derzeitigen Maximalkapazität erreicht.

Noch mehr Kapazität wäre in diesem Stadium aber auch, und hier begeben wir uns auf den Boden der Spekulation, k mit einem anderen Aufzeichnungsverfahren zu gewinnen. Die üblichen Verfahren benötigen zur Aufzeichnung eines Bits mindestens einen Flußwechsel, i theoretisch möglich ist aber auch ein Verfahren, bei dem mit zwei Flußwechseln drei Bits aufgezeichnet werden, verbunden ist das allerdings mit erheblichem Aufwand an Elektronik.

Was die Kosten pro Bit betrifft, wäre ì es allerdings falsch, den gleichen Faktor wie oben genannt nur mit umgekehrtem Vorzeichen zu erhoffen. Steigende Aufzeichnungsdichte ist nämlich mit wachsendem Herstellungsaufwand verbunden. Billiger allerdings, soviel kann man sagen, wird das Bit!

Jedenfalls hat die derzeitige Magnet-Speichertechnologie noch ein langes Leben vor sich, und bevor sie durch andere Methoden abgelöst wird, wird sie noch einen weiteren Pfeil aus ihrem Köcher ziehen können. Das ist die Dünnfilmplatte, die dank höherer magnetischer Remanenzwerte des Reinmetalls Schichtdicken von etwa 300 Angström und damit weitere dramatische Steigerungen der Kapazität ermöglicht. Mit einiger Sicherheit wird diese Platte noch ihren kommerziellen Einsatz in den 80er Jahren finden. Es steht also kein Systembruch ins Haus, sondern "nur" ein Evolutionsschritt.

*Günter Mallmann, Presseabteilung der BASF, Ludwigshafen