Frauen in der IT

Männer pflegen schon im Sandkasten ihre Netzwerke

22.05.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Wie schaffen es Frauen in der männerdominierten IT-Branche ganz nach oben. Hören wir einfach auf, darüber nachzudenken, was wir alles nicht können und pflegen wir unsere Netzwerke, rät Doris Albiez, Geschäftsführerin Dell Deutschland.

CW: Frauen in der IT - Das war das Titelthema einer unserer jüngsten Print-Ausgaben. Ist das eigentlich noch ein Thema?

Als Vice President & General Manager Germany zeichnet Doris Albiez für die Gesamtleitung von Dell Deutschland verantwortlich.
Als Vice President & General Manager Germany zeichnet Doris Albiez für die Gesamtleitung von Dell Deutschland verantwortlich.
Foto: Dell

DORIS ALBIEZ: Ja, sicher. Was die Karrierechancen für Frauen betrifft, hat sich in den vergangenen Jahren leider nicht allzu viel zum Positiven geändert, und weibliche Führungskräfte - übrigens nicht nur in der IT - gibt es nach wie vor viel zu wenig. Es wird hierzulande sogar eher wieder schlimmer. Selbstverständlich können Frauen heute Führungsaufgaben wahrnehmen. Aber zwischen dem KÖNNEN und dem TUN klaffen noch immer Welten. Einem "Spiegel"-Artikel zufolge hat Deutschland von allen Industrienationen den geringsten Anteil an weiblichen Führungskräften. Sogar die arabischen Länder stehen weit besser da.

CW: Woran liegt es? An den Männern, die weibliche Konkurrenz fürchten?

DORIS ALBIEZ: Die Gründe hierfür sind zahlreich, und es liegt beileibe nicht nur an den Männern. Damit würden wir es uns dann doch zu einfach machen. Dennoch spielt die Haltung einiger Männer da durchaus eine Rolle. Wenn Frauen zunehmend in die Führungsetagen drängen, bedeutet das natürlich auch neue Konkurrenz an der Spitze. Während die einen damit souverän umgehen, begeben sich andere eher in eine Abwehrhaltung und versuchen, diese Konkurrenz aktiv zu unterbinden. Das ist ja auch irgendwie nachvollziehbar. Besser wäre es aber, dies eher als sportliche Herausforderung anzunehmen, statt sich zu sperren, denn Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft. Mehr miteinander und weniger gegeneinander würde uns da allen gut tun.

CW: Das heißt, wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir die Männer ins Boot holen.

DORIS ALBIEZ: Auf jeden Fall, und es gibt dafür bereits gute Ansätze - beispielsweise die "MARC (Men Advocating Real Change)"-Projekte, in denen sich Männer aktiv dafür einsetzen, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. .. Was die mangelnde Unterstützung von Frauen angeht, so haben 80 Prozent der Männer durchaus verstanden, worum es geht und dass sich etwas verändern muss. Während die einen aktiv an der Veränderung mitwirken, gibt es aber auch immer noch zu viele, die das nicht so gut geregelt bekommen, weil sie noch in tradierten Geschlechterrollen verhaftet sind, aus denen sie nicht ausbrechen können.

CW: Sie persönlich haben es trotzdem geschafft, Geschäftsführerin zu werden. Was ist Ihr Geheimnis?

DORIS ALBIEZ: Ich habe tatsächlich sehr viel Unterstützung von Männern bekommen. Allerdings fast immer von älteren Männern, die meine Mentoren wurden und mich kontinuierlich nach oben gezogen haben. Selten von Männern, die alters- und karrieremäßig ungefähr auf Augenhöhe waren. Da sind wie dann wieder beim Thema Konkurrenz. Mein "Geheimnis" ist, wenn Sie so wollen, die Männer vergessen zu lassen, dass ich eine Frau bin, ohne dass ich deshalb wie ein Mann wirken muss.

CW: Was unterscheidet den weiblichen vom männlichen Führungsstil?

DORIS ALBIEZ: Wenn ich von mir ausgehe, dann versuche ich immer, zunächst das Team hinter mich zu bringen. Denn Männer lassen sich im Allgemeinen nicht so gern von eine Frau gängeln. Aber wenn ich eine Entscheidung durchsetzen muss, dann mache ich deutliche Ansagen. Männer mögen in der Regel klare Aussagen und keine, die sie selbst erst noch interpretieren müssen.

CW: Frauen in Führungspositionen tendieren dazu, sehr hart, quasi männlich, aufzutreten, um ernst genommen zu werden.

DORIS ALBIEZ: Das finden die Männer oft erträglicher. Mit taffen, eher maskulin agierenden Frauen können Sie besser umgehen, denn mit solchen Situationen sind sie besser vertraut. Ich aber denke, wir haben als weibliche Führungskräfte auch ganz besondere, eben weibliche Eigenschaften, die wir einsetzen können und müssen - sei es der empathischere Umgang mit unseren Mitarbeitern, das Zuhören können oder auch ein generell kooperativerer Führungsstil. Wir sind aber ganz sicher nicht gut beraten, wenn wir versuchen, männlicher zu agieren als die Männer selbst. Eines sei hier aber auch gesagt: Es kommt auf die richtige Balance an, denn es gibt natürlich auch ein paar typisch weibliche Eigenarten, die einem auf dem Weg nach oben nicht helfen, sondern massiv im Wege stehen.

CW: Nämlich welche?

DORIS ALBIEZ: Beispielsweise die, immer alles persönlich zu nehmen. Außerdem mangelt es auch den Besten von uns häufig an Selbstbewusstsein. Wenn wir von unserem nächsten Job erst mal nur die Hälfte beherrschen - was soll's? Wenn wir das alles schon könnten, wäre der Job doch langweilig und wir würden nächsten Monat schon den nächsten wollen. Hören wir doch auf, darüber nachzudenken, was wir alles NICHT können.

CW: Sie haben gestern Abend vor etwa drei Dutzend IT-Managerinnen des Netzwerks "CIO (f)" gesprochen. Was halten Sie persönlich von rein weiblichen Netzwerken?

DORIS ALBIEZ: Um ehrlich zu sein, habe ich mein eigenes Netzwerk, in dem sich Männer UND Frauen befinden. Ich finde das auch wichtig. In Sachen Networking können wir von den Männern so Einiges lernen. Die pflegen schon im Sandkasten ihre Netzwerke. Gegen rein weibliche Netzwerke ist nichts einzuwenden, so lange sich die Frauen nicht abschotten. Ich würde beispielsweise dafür plädieren, zum nächsten Treffen der CIO (f) auch männliche Referenten einzuladen. Das könnte die Diskussion befeuern.

CW: Oder die Frauen von dem ablenken, was sie eigentlich besprechen wollten.

DORIS ALBIEZ: Andere Ansichten zuzulassen erweitert den Horizont. Wir müssen den ersten Schritt auf die Männer zu tun, weil wir auf der Führungsebene in der Minderzahl sind. Aber damit laden wir die andere Seite ein, sich ebenfalls zu bewegen. Wenn wir eine echte Veränderung herbeiführen wollen, dann geht das immer nur gemeinsam mit den Männern. Und das bitte nicht erst im nächsten Jahrhundert. Veränderungen brauchen keineswegs ihre Zeit, wie manche sagen. Wenn man sie aktiv vorantreibt, dann kann man sehr schnell etwas bewegen.

Doris Albiez, Vice President & General Manager Germany Dell GmbH

Am Anfang ihrer Karriere habe sie mehr als einmal zu hören bekommen, Frauen hätten im IT-Vertrieb nichts zu suchen, sagt Doris Albiez. Sie bewies das Gegenteil. In ihrer beruflichen Laufbahn erarbeitete sie sich zunächst einen Vertriebs-Job bei Digital/HP, dann die Vertriebsleitung beim IOP Systemhaus, bei Macrotron und Navigon. Ende 2008 heuerte Albiez als Vice President Geschäftspartnerorganisation & Mittelstand bei der IBM Deutschland an. Diese Aufgabe übernahm sie im Juli 2011 auch für Europa. 2013 suchte sie eine neue Herausforderung: Als Vice President & General Manager Germany zeichnet sie seither für die Gesamtleitung von Dell Deutschland verantwortlich.