Mac OS X 10.1 - es geht voran

11.10.2001
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit zwei Wochen ist mit Mac OS X (sprich: Ten) 10.1 das erste größere Update von Apples neuem Unix-basiertem Betriebssystem erhältlich. Dank erheblicher Verbesserungen dürfen Anwender allmählich den Umstieg ins Auge fassen, auch wenn zentrale Anwendungen noch ausstehen.

"Es wurde Zeit für dieses Update", erklärte Apple-Chef Steve Jobs in seiner Präsentation von Mac OS X 10.1 im Rahmen der Publishing-Fachmesse Seybold in San Francisco. Erinnern wir uns: Angekündigt wurde der radikale Umstieg vom klassischen Mac OS erstmals Anfang 1997 (Codename damals: "Rhapsody"). Mac OS X sollte ursprünglich im Herbst 1999 erscheinen. Die Entwicklung zog sich aber unerwartet lange hin, und statt einer finalen Version erschien im September 2000 erst einmal eine (80 Mark teure!) Public Beta. Das offizielle Release 10.0 gab es zur CeBIT 2001, und seit Sommer wird Mac OS X mit allen neuen Macs ausgeliefert.

Bei allen bisherigen Versionen von Mac OS X bis zur 10.0.4 klagten die Anwender vor allem über Performance-Probleme. Speziell das Desktop-Herzstück "Finder" ließ in Sachen Leistung noch arg zu wünschen übrig. Um es kurz zu machen: Damit ist seit 10.1 endlich Schluss - die "Aqua"-Oberfläche lässt sich flüssig bedienen, Programme starten und laufen in bislang ungeahnter Geschwindigkeit. Auch die Zusammenarbeit mit dem "alten" Mac OS im Rahmen der "Classic"-Umgebung funktioniert nun reibungsloser.

An Aqua haben die Entwickler außerdem allerhand kosmetische Feinarbeit geleistet und dabei vor allem ein offenes Ohr für die Kritik der Mac-Gemeinde gehabt. Das so genannte Dock, das wie die Taskleiste des Konkurrenten Windows die gerade aktiven Applikationen zeigt, lässt sich nun auch rechts oder links einblenden. Viele grundlegende Systemfunktionen (Auflösung, Lautstärke, Netzstatus etc.) lassen sich direkt über die Menüleiste steuern. Bislang fehlende Basisfunktionen wie CD-/DVR-R-Authoring und DVD-Wiedergabe sind endlich verfügbar. Ferner wurde das Zusammenspiel mit Druckern (Treiber für gängige Modelle von HP, Canon, Epson, Lexmark und Xerox sind integriert), digitalen Kameras und Camcordern sowie MP3-Spielern verbessert.

Wohl am wichtigsten aber sind die Modifikationen, die Apple "unter der Haube" von Mac OS X vorgenommen hat. Dazu gehören das neue automatische Dateisuffix-Management (angesichts dessen Kritiker allerdings bereits den schleichenden Ausstieg aus der bewährten Type/Creator-Dateierkennung aus dem alten Mac OS befürchten) sowie deutlich verbesserte Netzwerkfähigkeiten. Zu den in diesem Bereich unterstützten Protokollen zählen AFP über TCP/IP und Appletalk, SMB/Cifs für die Verbindung mit Windows- und Unix-Systemen, NFS sowie WebDAV, das nun unter anderem für den Zugriff auf den Internet-Speicherplatz "iDisk" verwendet wird.

Das Farb-Management "Colorsync" wurde auf Versionsstand 4.0 gehievt und unterstützt ICC-4-Profile, das Audio-Subsystem bietet nun 32 Bit/96 Kilohertz, Multichannel und Midi (Music Instruments Digital Interface). Die aus dem klassischen Mac OS bekannte Makrosprache "Applescript" wurde erheblich erweitert und unterstützt für die systemweite Automatisierung jetzt unter anderem die Web-Standards Soap (Simple Objects Access Protocol) und XML. Eine professionelle Entwicklungsumgebung namens "Applescript Studio" will Apple in Kürze auf den Markt bringen.

Jede Menge Zusatzsoftware

Die mitgelieferte Software kann sich durchaus sehen lassen. In Sachen Internet packt Apple Microsofts "Internet Explorer 5.1" und das hauseigene "Mail"-Programm bei. Dazu gesellen sich die multimedialen Applikationen "iTunes" zur Verwaltung digitaler Musik vom CD-Ripping bis hin zum Schreiben eigener Silberscheiben, "iMovie 2" zur Bearbeitung digitaler Videos, "DVD Player" und "iDVD 2" zum - entsprechende Hardware vorausgesetzt - Betrachten und Erstellen eigener DVDs sowie "Image Capture" für den Umgang mit Daten aus digitalen Kameras. Adobes "Acrobat Reader" und Aladdin Systems’ Entpacker "Stuffit Expander" sind gleichfalls mit an Bord. Mac OS X als solches ist inzwischen ausgereift und eine echte Alternative für den Einsatz in Produktionsumgebungen. Trotz allen Engagements von Seiten der unabhängigen Softwarehäuser sind allerdings noch immer wichtige Anwendungen nicht in angepassten Versionen verfügbar.

Wichtige Anwendungen fehlen

Microsofts "Office v. X" erscheint im November, für Adobes Bildbearbeitungsprogramm "Photoshop" und Quarks Layoutlösung "Xpress" gibt es noch gar keine Termine für die OS-X-Portierungen. Das soll aber beileibe nicht heißen, dass keine Anwendungssoftware existierte - zurzeit liegen rund 1400 Applikationen in angepassten oder komplett neu entwickelten Versionen vor, darunter auch die beiden Vektorgrafikrivalen "Illustrator" von Adobe und Macromedias "Freehand". Für alle bisherigen Besitzer von Mac OS X ist das Update auf 10.1 als solches kostenlos. Allerdings steht es ob seiner schieren Größe nicht zum Download bereit. Wer sich nicht bereits bei einem Fachhändler das entsprechende Upgrade-Kit abgeholt hat, kann dieses für 40 Mark im Applestore bestellen. Das Paket umfasst drei CDs (OS X 10.1, Mac OS 9.2.1 sowie Entwickler-Tools) samt Handbüchlein. Die Vollversion schlägt wie gehabt mit rund 330 Mark zu Buche. Weitere Informationen zum Produkt finden sich unter www. apple.com/de/macosx; bei Problemen empfiehlt sich ein Besuch von www.macfixit.com/macosx. shtml.

Mac OS X Basics

Die Systemgrundlage von Mac OS X bilden das quelloffene Paket "Darwin" (im Wesentlichen Free BSD) sowie der an der Carnegie Mellon University entstandene Microkernel "Mach". Diese bringen, was im bisherigen Mac OS fehlte - präemptives Multitasking, Speicherschutz und Symmetrical Multiprocessing (SMP). Auf Darwin setzen der PDF-basierte Präsentations-Layer "Quartz" (2D) und die Multimedia-Techniken Open GL (3D) und Quicktime (Audio/Video, auch Streaming) auf. Die direkte Benutzer-Schnittstelle bildet schließlich das verspielte, aber ergonomische "Aqua", das die Unix-Komplexität weitgehend vor dem Anwender verbirgt. Java 2 ist fester Bestandteil des Betriebssystems. Das bisherige Mac OS steht als "Classic"-Umgebung weiterhin zur Verfügung, um ältere Programme innerhalb von OS X ablaufen zu lassen.