Zweitgrößtes deutsches Systemhaus hat sich mit Expansionsstrategie übernommen

M+S Elektronik AG stellt Insolvenzantrag

11.01.2002
NIEDERNBERG (wh) - Die nordbayerische M+S Elektronik AG steht vor dem Aus. Der angestrebte Wandel zum IT-Serviceanbieter und eine aggressive Expansionsstrategie haben die finanziellen Reserven aufgezehrt.

Die Hiobsbotschaft erreichte die meisten Angestellten noch vor den Weihnachtsfeiertagen. Am 21. Dezember stellte M+S Elektronik einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht in Aschaffenburg.

Deutliche Anzeichen für den drohenden Kollaps hatte es schon zuvor gegeben: Nachdem Versicherungsgesellschaften es abgelehnt hatten, die von M+S-Lieferanten gewährten Kredite weiterhin zu schützen, stoppten diese weitgehend die Auslieferung von IT-Produkten. Eine ordnungsgemäße Abwicklung des operativen Geschäfts sei kaum noch möglich, teilte das Systemhaus am 20. Dezember mit.

Mit rund 1600 Mitarbeitern, 40 Niederlassungen und einem Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen Euro zählt die M+S-Gruppe zu den bedeutendsten Arbeitgebern in der strukturschwachen nordbayerischen Region. Für das Geschäftsjahr 2000/01 musste das Unternehmen erstmals in der 25-jährigen Firmengeschichte einen Verlust von 24,3 Millionen Euro ausweisen.

Die Gründe für das Finanzdesaster liegen weiter zurück. M+S ist traditionell auf den Handel mit Hardware ausgerichtet. Rund 80 Prozent der Einnahmen entfallen auf dieses Segment. Den Margenverfall im PC-Geschäft bekam das seit Februar 2000 am Neuen Markt notierte Unternehmen stärker als andere Systemhäuser zu spüren.

Eine strategische Neuausrichtung war unvermeidlich. Als M+S Mitte 2000 Bernd Puschendorf an Bord holte, schien sich das Blatt zu wenden. Der ehemalige Fujitsu-Siemens-Manager plante, das Unternehmen zum IT-Serviceanbieter umzubauen. "Wir wollen in den nächsten drei bis fünf Jahren zu einem führenden, hoffentlich sogar zu dem führenden bundesweit und international agierenden Dienstleister werden", erklärte Puschendorf im März.

Doch der Umbau erwies sich als kostentreibend und zeitraubend. Puschendorf, der schnell vom Vertriebsvorstand zum Verantwortlichen für das gesamte operative Geschäft aufgestiegen war, verließ das Unternehmen Ende Juli 2001 ziemlich geräuschlos. "M+S ist in die Kostenfalle geraten", kommentiert Meta-Group-Analyst Markus Huber. Die Expansionsstrategie in Deutschland habe zu viel Geld gekostet. Wegen der Abhängigkeit vom Hardwaregeschäft sei die Liquiditätsdecke ohnehin sehr dünn gewesen.

Die Finanzprobleme spitzten sich zu, das Personalkarussell drehte sich weiter: Im November legten der Vorstandsvorsitzende Hans-Ulrich Mahr und der für das Finanzressort zuständige Claus-Rainer Schulze-Oberländer ihre Ämter nieder. Der Aufsichtsrat bestellte den als Sanierer bekannten Heinz-Peter Göbbels zum neuen Vorstandschef, das operative Geschäft übernahm Udo Hamm, der zuvor die Tochtergesellschaft Profi geleitet hatte.

M+S ist in "schwieriges Fahrwasser geraten", schrieb das Unternehmen noch am 13. Dezember etwas euphemistisch in einer Pressemitteilung. "Gründe dafür waren interne Defizite in Führung und Organisation des schnell gewachsenen Unternehmens sowie Turbulenzen im wirtschaftlichen Umfeld der IT-Branche."

Die Defizite wollten die Nordbayern mit einem umfassenden Restrukturierungskonzept beseitigen, das die Unternehmensberatung Roland Berger & Partner erarbeitet hatte. Vorgesehen war eine Konzentration auf Kernkompetenzen, eine Verschlankung des Unternehmens und "organisatorische Maßnahmen über alle Ebenen", so eine Marketing-Verantwortliche gegenüber der CW. Doch auch diese Maßnahmen kosten Geld. Ob sie wie geplant umgesetzt werden, hängt von den Verhandlungen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Werner Schreiber und den finanzierenden Banken ab.

Die Ausrichtung auf das Servicegeschäft war prinzipiell richtig, meint Analyst Huber. Dazu bedürfe es allerdings langer Vorlaufzeiten, neuer Vertriebsstrukturen und auch zusätzlichen Personals. Ein dazu erforderlicher Kulturwandel sei eine Herausforderung, hatte Puschendorf schon im Mai eingestanden: "Dienstleistung an sich ist für einen Hardwaremann erst einmal schwer zu verkaufen."

Wie viele Hardwaremänner in Niedernberg überhaupt noch gebraucht werden, ist offen. Zwar haben die Berater von Roland Berger "die Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit der M+S Elektronik AG" bestätigt, wie das Unternehmen am 18. Dezember mitteilte.

Doch nach dem Insolvenzantrag ist offen, ob die Banken diese Ansicht teilen. Ohne einschneidende Maßnahmen, sprich Entlassungen in größerem Umfang, wird sich der Geschäftsbetrieb kaum fortsetzen lassen.