Lurawave: Klein, aber fein

Lurawave: Klein, aber fein Kompressionsverfahren macht JPEG Konkurrenz

08.01.1999
Das Bilddateiformat "Lura- wave" könnte das verbreitete JPEG- Format schon bald ablösen. Die Technik der Berliner Softwareschmiede Luratech bietet eine bessere Datenkompression und zusätzliche interessante Optionen für die Online-Präsentation. Einziger Nachteil: Es ist im Unterschied zu JPEG nicht lizenzfrei verfügbar. Heico Neumeyer hat das Verfahren, das ursprünglich für Satellitenfotos entwickelt wurde, getestet.

Die enormen Dateigrößen von Pixelbildern beschränken die Optionen für deren Speicherung und Übertragung ganz erheblich. Schon ein kleines Farbbild mit 600 x 400 Bildpunkten benötigt 720 KB Speicherplatz. Wer eine möglichst geringe Dateigröße erzielen will, etwa zur Präsentation auf einer Web-Seite, verwendet für solche Bilder das JPEG-Dateiformat. Es entfernt Bilddetails, die beim Öffnen per Mittelwertbildung wieder in die Vorlage hineingerechnet werden. Den Kompressionsgrad wählt der Anwender selbst. Dabei gilt: Je stärker die Verdichtung, desto deutlicher treten typische Schwachstellen hervor. Bis zu einem Faktor von etwa eins zu 20 fallen die Fehler kaum auf. Die erwähnte Beispieldatei läßt sich somit ohne deutlichen Schaden auf etwa 30 KB verkleinern.

Dieser Faktor ist allerdings zu schwach für große Archive oder Online-Angebote. Bei stärkerer JPEG-Komprimierung kommt es dagegen zu Mängeln etwa in Form grober Pixelblöcke und Falschfarben. Manche Internet-Designer akzeptieren die Ergebnisse noch bis zum Faktor eins zu 50, womit unser Bild auf 14,4 KB schrumpfen würde. Alles darüber hinaus zerstört die Vorlage endgültig.

Das neue Lurawave-Verfahren arbeitet anders. Auch dieses Dateiformat, das in der Windows-Welt die Endung LWF trägt, verursacht Informationsverluste. Doch bei identischer Verkleinerungsrate wirkt ein Lurawave-Bild weit weniger verfälscht als die JPEG-Version. Bis zum Faktor 50 oder 60 kann man die Lurawave-Fehler kaum erkennen, bis zum Faktor 100 bleibt die Vorlage noch brauchbar. Das 30 MB große Aufmacherfoto einer Zeitschriftenredaktion schrumpft bei einer Komprimierung von eins zu 50 ohne sichtbaren Informationsverlust auf handliche 600 KB. Solche Größen erleichtern die Datenübertragung ebenso wie die Speicherung größerer Bildmengen auf der lokalen Festplatte.

Von den Treppeneffekten und Falschfarben der JPEG-Dateien ist bei Lurawave nichts zu sehen. Die Kompression äußert sich in einer diffusen Unschärfe - sie paßt im Zweifelsfall besser zu Fotos als die Blockartefakte der JPEG-Technik. Bildregionen ohne markante Kontraste weichen dabei stärker auf als hart konturierte Bereiche (siehe Testbild). Derzeit entwickelt Luratech zusätzlich das Format "Luradocument", das speziell die Textzonen eines Bildes noch effizienter komprimieren soll.

Außerdem bietet Lurawave auch eine verlustfreie, pixelidentische Kompression. Sie verkleinert das Bild auf 60 oder 50 Prozent des Arbeitsspeicherbedarfs. Das Format Tiff-LZW dagegen, das ebenfalls verlustfrei komprimiert, benötigt nach der Verdichtung meist 80 oder 70 Prozent.

Ein Problem für Luratech kommt derzeit von anderer Seite, da bislang noch kein gängiges Grafikprogramm das Format unterstützt. Das Unternehmen bietet deshalb Plug-ins für "Photoshop", "Paint Shop Pro", für die Bilddatenbank "Cumulus" und das Multimedia-Tool "Macromedia Director" an - die Preise bewegen sich zwischen 150 bis 290 Mark. Ein entsprechender Zusatz für "Corel Draw" soll folgen; außerdem laufen Gespräche mit Microsoft, Adobe und Ulead über eine direkte Einbindung des Formats in deren Programme. Micrografx hat es bereits in Lizenz genommen.

Mit diesen Software-Ergänzungen würden sich das LWF-Format und seine Optionen ebenso nutzen lassen wie die bereits jetzt vom jeweiligen Produkt unterstützten Dokumenttypen. Windows-Nutzer erhalten außerdem für 90 Mark ein karges Einzelprogramm, dessen Hauptaufgabe darin besteht, Dateien in Lurawave zu konvertieren. Außerdem bietet der Hersteller verschiedene Entwickler-Tools an. Kostenlose Plug-ins gibt es für die Internet-Browser "Navigator" und "Internet Explorer".

Vorschau auf die Qualität der Komprimierung

Das Lurawave-Format unterstützt neben RGB und Graustufen auch das CMYK-Farbmodell der professionellen Druckvorstufe. Der Komprimierungsgrad richtet sich wahlweise an der gewünschten Dateigröße oder dem Verkleinerungs- beziehungsweise Qualitätsfaktor aus. Zudem kann der Benutzer wählen, ob das Bild als grober Vorschaublock sofort auf dem Schirm erscheint oder ob es sich zeilenweise aufbaut.

Mit der Luratech-Software lassen sich auch einzelne Bildregionen betonen, indem man sie einrahmt und vor allzu starker Kompression schützt. Im Test überzeugte diese Möglichkeit jedoch nicht: Die Grenzen des ausgewählten Bildbereichs treten deutlich hervor, außerhalb liegende Motivpartien werden zu stark verkleinert.

Neben seiner geringen Dateigröße bietet das Format neuartige Funktionen, die sich speziell für die Verbreitung von Bildern per Intranet, Internet oder CD-ROM eignen. Dazu gehört der Paßwortschutz: Ohne Kennwort erscheint das LWF-Bild im Browser nur in der niedrigen Qualität, die der Grafiker festgelegt hat. Erst wenn der Betrachter den Code eintippt, gelangt er an die hochwertige Darstellung.

Im Quelltext der Internet-Seite werden per HTML-Tag zudem die Bildmaße definiert - unabhängig von der Größe des Originals. Zoomen läßt sich die Vorlage dann immer noch. Damit wird man erstmals unabhängig von starren Bildgrößen im Internet-Browser. Auch die zu übertragende Datenmenge läßt sich bestimmen; auf dem Netz-Server liegt beispielsweise ein hochaufgelöstes Bild, der Betrachter erhält jedoch nur eine kleine, schnell übertragbare Variante.

Insgesamt erweist sich Lurawave als leistungsfähiges, vielseitiges Fotodateiformat. Es entlastet Festplattenspeicher und Online-Netze spürbar und hat große Chancen, zum Standardformat für Online- Publishing zu avancieren.

Heiko Neumeyer ist freier Fachjournalist in Bad Tölz.