Glückloser Vorstandschef mußte jetzt seinen Platz räumen

Luft-Nachfolger Nasko tritt bei Nixdorf schweres Erbe an

01.12.1989

PADERBORN/MÜNCHEN - Gut dreieinhalb Jahre stand an der Spitze der Nixdorf Computer AG, doch das Erbe des Firmengründers Heinz Nixdorf brachte ihm Glück: Klaus Luft (48) muß jetzt auf Druck des Aufsichtsrates sein Amt mit sofort Wirkung niederlegen. Nachfolger Horst Nasko heißt es nun, Ruhe in das gebeutelte Unternehmen bringen.

Lufts Rücktritt kam plötzlich aber nicht unerwartet. Auf Grund der hohen Verluste, sich in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres ansammelten - derzeit Millionen Mark mit Trend nach oben - was das Image des ehemaligen, bundesdeutschen DV-Paradeunternehmens arg ramponierte, war es nur eine Frage der Zeit, wann der Aufsichtsrat reagieren würde. Selbst Luft-Fürsprecher Gerhard Schmidt, jahrzehntelanger Wegbegleiter von Firmengründer Nixdorf, hatte keine Möglichkeit mehr, den unrühmlichen Abgang des Vorstandsvorsitzenden zu verhindern.

Ähnlich verhält es sich bei den 8890-Rechnern. Dieses schon unter Heinz Nixdorf nicht sonderlich erfolgreiche Kapitel in Sachen IBM-Kompatibilität beendete Klaus Luft zwar unlängst, aber auch hier kann das Paderborner Unternehmen keine Alternativen bieten, um die Kunden zu halten. Diese laufen denn auch mehr und mehr zu anderen Anbietern über, zumal die Westfalen in puncto Kundenbetreuung, die zu Heinz Nixdorfs Zeiten noch oberste Priorität hatte, Insidern zufolge arg nachgelassen hat.

Das Glück war Klaus Luft während seiner Amtszeit wahrlich nicht hold. Neben unternehmensinternen Schwierigkeiten - wie Anfang 1988 die Schmiergeldaffäre um Rolf Prey und andere Nixdorf-Mitarbeiter oder Anfang 1989 das abrupte Ausscheiden von Vize Arno Bohn, der angesichts der Talfahrt des Unternehmens wohl an Lufts Stuhl gesägt hatte - häuften sich vor allem Fehler in der Produktpolitik. So versäumte es der Vorstandschef, rechtzeitig die Weichen für eine offene Systemwelt zu stellen. Unix-Rechner wurden zwar entwickelt, doch fehlt bis heute unter anderem eine Portierungssoftware, die dem Kundenstamm der veralteten 8870-Maschinen die Umstellung auf die Targon-Rechner ermöglicht, ohne dadurch bereits getätigte Softwareinvestitionen zu gefährden.

Lufts Aufgabe erschwerten aber auch schwierige Marktbedingungen und der anhaltende Preisverfall im angestammten MDT-Geschäft wie im Telekom-Sektor. Nicht von ungefähr befinden sich derzeit weltweit nahezu alle Hersteller der mittleren Datentechnik in einer finanziellen Krise.

Doch Klaus Luft hatte noch ein ganz anderes Problem und das hieß Heinz Nixdorf. Der kantige Westfale hatte ihn Mitte 1967 ins Unternehmen geholt und mit dem Aufbau des Direktvertriebs in Süddeutschland betraut. Fortan durchlief der gebürtige Karlsruher, der zuvor seine ersten DV-Gehversuche als Leiter Abteilung Systemprogrammierung bei Kienzle gemacht hatte, eine Bilderbuchkarriere. Bereits zwei Jahre später - Luft hatte die Münchener Geschäftsstelle gerade in Schuß gebracht - wurde er von Heinz Nixdorf nach Paderborn beordert, in den Vorstand berufen und dort mit dem Ressort Vertrieb betraut. 1978 schließlich ernannte Nixdorf den 37jährigen zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, was ihm die Rolle des "Kronprinzen" einbrachte.

Wenn Luft auch immer als die rechte Hand Heinz Nixdorfs galt - zu einer echten Führungspersönlichkeit heranreifen konnte er nicht. Trotz seiner wechselnden Verantwortlichkeiten als Vorstandsmitglied Vertrieb, Marketing, Finanzen, Verwaltung, Produkte - hatte er kaum eigene Entscheidungen zu treffen. Er war vielmehr ausführender Gehilfe der Entscheidungen, die der Firmengründer traf - und zudem der erste, der

den Ärger des Chefs zu spüren bekam, wenn Probleme auftauchten. Insider berichten, daß Luft von Heinz Nixdorf immer wieder vor versammelter Mannschaft wie ein Schulbub gemaßregelt wurde.

Knapp 20 Jahre lang erlebte er aber auch mit, wie Heinz Nixdorf als der Unternehmer schlechthin gerühmt und gepriesen wurde, wie dessen Lebenswerk immer wieder als das deutsche Wunderunternehmen bejubelt wurde. An dieser Hypothek hatte Klaus Luft nach de Tod Nixdorfs im März 198 schwer zu tragen. Er wußte, da er zukünftig an den Erfolge und dem unternehmerische Geschick des Firmengründer gemessen werde würde. In dem Bemühen, diesen Ansprüche gerecht zu werden, aber nicht gewohnt, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, versuchte er gar nicht erst, aus dem Schatten des Gründers herauszutreten und der Nixdorf AG ein eigenes Profil zu geben. Im Gegenteil: Er kopierte den Mann, der ihn jahrelang geprägt hatte - ohne jedoch dessen Format zu haben.

Lufts mangelnder Mut zum Risiko hatte unter anderem zur Folge, daß unter seiner Regie neue Produkte, die das Unternehmen dringend benötigt hätte, Mangelware blieben. Und erst im dritten Jahr seiner Amtszeit zeigte er endlich Eigeninitiative: Im Januar begann er, Personal abzubauen, um den hohen Kosten, aber auch den drohenden Verlusten entgegenzutreten. Doch diese ersten Entlassungen bei Nixdorf seit gut 15 Jahren kamen viel zu spät, um Luft aus der prekären Situation herauszuhelfen.

Mit Horst Nasko tritt nun ein Mann ganz anderer Machart die Position des Vorstandsvorsitzenden an. Seit 1983 bei Nixdorf - als Ersatz für den 1982 ausgeschiedenen Helmut Rausch von AEG geholt -, übernahm er die Verantwortung für den damals neugeschaffenen Vorstandsbereich Nachrichtentechnik/Telekommunikation und war zudem zuständig für Unternehmensverbindungen. Nachdem Arno Bohn Anfang 1989 ausgeschieden war, wurde ihm zusätzlich noch der Unternehmensbereich Öffentliche Verwaltung übertragen. Nasko ist zudem in zahlreichen Verbänden vertreten, unter anderem als Vorsitzender des Vorstands der Fachgemeinschaft Büro- und Informationstechnik im VDMA und als Mitglied des Fachverbandes Informations- und Kommunikationstechnik im ZVEI.

Dem gebürtigen Wiener werden neben diplomatischem Geschick auch Führungsqualitäten und unternehmerisches Gespür nachgesagt. Zwar verhinderte unter anderem die schwierige Preissituation im Telekom-Geschäft bislang schwarze Zahlen dieses Bereiches, doch konnte Nasko den etablierten Telekom-Unternehmen so manchen Großauftrag abjagen. Dennoch: Horst Nasko hat angesichts der desolaten Lage des Unternehmens wahrlich kein leichtes Amt angetreten. *