Lufhansa Systems bangt um seine Zukunft

08.03.2005
Weil die Lufthansa ihre Common IT Platform mit dem spanischen Anbieter Amadeus plant, drohen dem eigenen IT-Dienstleister massive Einbrüche.

Schon seit mehr als einem Jahr verhandelt Lufthansa mit Amadeus über eine gemeinsame IT-Plattform für das Luftfahrtbündnis Star Alliance. Doch noch immer liegt kein Ergebnis auf dem Tisch. "Kein Kommentar", heißt es unisono auf Fragen zum aktuellen Stand. Die Gespräche dauerten noch an.

Die Zurückhaltung auf allen Seiten hat Gründe: Mit dem Zuschlag für den spanischen Reservierungsanbieter würde sich die Lufthansa AG gegen die Lösung der eigenen IT-Tochter entscheiden. Im Bereich Passage nutzt der Luftfahrtkonzern derzeit noch das von Lufthansa Systems (LHS) betriebene System "Multihost", eine integrierte Software für die Kernprozesse Verkauf, Ticketing und Passagierabfertigung.

Zwar betont man bei LHS offiziell, der Betrieb von Multihost für die Lufthansa trage weniger als zehn Prozent zum Jahres- umsatz bei. Daneben nutzten mehr als 40 weitere Fluglinien das System, unter ihnen Austrian Airlines und British Midland. Doch diese Einschätzung kann nur auf den ersten Blick beruhigen, wie ein Mitarbeiter erläutert: "Die kritische Frage ist doch: Werden die anderen Multihost-Kunden bei Lufthansa Systems bleiben, wenn der Mutterkonzern auf ein anderes System wechselt?" Realistisch betrachtet sei mit einem "enormen Einbruch" zu rechnen, der auch Personalabbau nach sich ziehen könne.

Konzernintern werde das Thema Common IT Platform als "hoch politische Angelegenheit" gehandelt. Lufthansa-Vorstandschef Wolfgang Mayrhuber kümmere sich persönlich darum. Betroffen von einem Systemwechsel wäre insbesondere die für Passenger Services zuständige LHS-Sparte, wo ohnehin Stellenstreichungen anstehen. Im Zuge von Offshore-Outsourcing-Vorhaben verhandeln Management und Betriebsrat derzeit einen Sozialplan mit Interessenausgleich. Auf der Arbeitnehmerseite ist Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Lufthansa AG, involviert.

Der Kostendruck in der Luftfahrtbranche betrifft vor allem das Kerngeschäft der Airlines, darin sind sich Experten einig. Eine gemeinsame IT-Plattform für mehrere Anbieter erscheint deshalb nur folgerichtig. Dennoch bleibt die Frage, warum die Lufthansa sich gegen eine Software der eigenen Tochter entschieden hat.

Persönliche Feindschaften

Die Star-Alliance-Partner wollten ihre Kernsysteme von einem neutralen Partner betreiben lassen, begründete der Konzern die Entscheidung gegenüber Lufthansa Systems. Deren Mitarbeiter berichten hingegen von anderen Gründen. Demnach gestaltet sich das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft längst nicht so harmonisch wie nach außen hin dargestellt: "Es gab persönliche Feindschaften auf Arbeitsebene." In diversen Sitzungen sei "auch schon mal mit gezinkten Karten gespielt worden".

Für den IT-Dienstleister ist das Vorgehen auch deshalb schmerzlich, weil er seit längerem an einer grundlegenden Modernisierung von Multihost arbeitet. Im Rahmen des Projekts Face (Future Airline Core Environment) soll ein modulares System entstehen, das Airlines mehr Flexibilität und niedrigere Kosten ermöglicht. LHS will damit erstmals auch Flugbuchungen abwickeln, bisher eine Domäne der klassischen Reservierungsanbieter Amadeus, Sabre oder Galileo. Lufthansa gehört zu den Gründungsmitgliedern von Amadeus und hält derzeit noch 5,1 Prozent der Anteile. Seit Anfang der 90er Jahre lässt der Luftfahrtkonzern Flugbuchungen über den spanischen Partner abwickeln.

Vor diesem Hintergrund kursieren in der Branche erneut Gerüchte, Lufthansa prüfe den Verkauf seiner IT-Tochter. "Das ist eine alte Geschichte", kommentiert ein LHS-Mitarbeiter achselzuckend. In den vergangenen Jahren hätten Branchenschwergewichte immer wieder Interesse bekundet, unter ihnen IBM, T-Systems und EDS. Gegen einen Verkauf aber spreche schon die Tatsache, dass LHS zu viele Geschäftsprozesse der Lufthansa abdecke. Der Frankfurter Konzern hält sich in dieser Angelegenheit bedeckt. Eine Lufthansa-Sprecherin wollte weder zu den Verkaufsgerüchten noch zur Common IT Platform Stellung nehmen.

Für Wolfgang Gohde, der zum 1. April 2005 die LHS-Geschäftsführung von Peter Franke übernimmt, bleibt auch so genug zu tun. Im konzerninternen Geschäft drücke die Lufthansa die Preise derart, dass LHS keine befriedigende Umsatzrendite mehr erwirtschaften könne, klagt ein Angestellter: "Das Geld müssen wir uns von externen Kunden holen." Gegenwärtig aber erwirtschaftet der Dienstleister nur rund ein Drittel der Einnahmen außerhalb des Konzerns. Vom angestrebten Ziel, die Hälfte des Umsatzes auf dem Drittmarkt zu generieren, sind die Hessen noch weit entfernt.