Service mit Computern

Lücke zwischen Werbung und Realität

31.01.1975

MÜNCHEN - Wenn in der Werbung vom Service mittels Computer gesprochen wird, dann ist das oft eine mehr oder weniger charmante Übertreibung. Dem Servicetechniker helfen zwar die verschiedensten, mehr oder weniger elektronifizierten Diagnosegeräte - die computerisierte Fehlersuche findet nur in der Fabrik statt.

So steht heute bei Siemens in Karlsruhe unter einem gut vier Meter langen Schild mit der Aufschrift "Qualität kann man nicht erprüfen - Qualität muß man herstellen" ein Rechner, der den Ausschuß aus der Leiterplattenfertigung aussortiert. "Früher waren es etwa 50 Prozent, jetzt sind es noch 20 bis 30 Prozent", meint H. Schuh.

Pro Leiterplatte wird ein Adapter gebaut, der an der Lotpunktseite ansetzt. Bei jeder Leiterplatte wird rechnergesteuert an sämtlichen Lötpunkten gemessen und jeweils ein Soll-ist-Vergleich angestellt. Bei Abweichungen vom Soll wird ein Mängelzettel ausgedruckt, der abgerissen und samt der Platte an einen Techniker weitergegeben wird. Der sucht den Fehler im einzelnen, repariert die Platte und schickt sie wieder zum Prüfcomputer. Ähnlich werden Kabelbäume oder die Verkabelungen von Gestellen nach Programm durchgemessen.

Computer testet Computer

Weiter geht man bei der Rechner-Fertigung: der Computer-Computer-Test ist im allgemeinen schon in die Fertigung eingebaut oder kommt spätestens bei der Endprüfung. "Elektronik kann man in Massen nur noch mit dem Computer prüfen", meint man bei Triumph-Adler. Der Servicetechniker macht "im Feld" ohnehin keine Reparaturen mehr, sondern wechselt nur komplette Baugruppen. Die ausgebauten Baugruppen landen im Werk zur computergesteuerten zentralen Überprüfung und werden dort eventuell repariert. "Dabei können auch Fehlerhäufungen erkannt werden". Für weniger komplizierte und "weniger elektronische" Konstruktionen braucht man meist keinen Prüfcomputer. Schon den festverdrahteten VW- und Audi-Diagnose-Computer mögen Fachleute nicht gern Computer nennen. Die Anlage, die allein in Deutschland 2400mal steht, dient der Feststellung der Fahrtauglichkeit inzwischen aller Modelle - wo noch keine Steckdose ist, hilft ein Adapter.

Das Diagnose-Ergebnis wird nur von Werkstatt und Kunde genutzt -eine zentrale Auswertung der dort getroffenen Feststellungen erfolgt nicht. Über das Auftreten von Mängeln informiert sich das Werk anhand von Berichten der Bezirksleiter und der Beobachtung der Kulanzleistungen, die in der zentralen EDV erfaßt und ausgewertet werden.

Kundendienst mit Computer?

Gang und gebe ist bei Großbetrieben die Ersatzteildisposition und Kundendienstabrechnung per Computer. Beispiel Versandhaus Quelle: pro Jahr 1,8 Millionen Kundendienstaufträge, 40 000 Ersatzteil-Positionen im Nürnberger Lager, Versand von täglich 10000 Ersatzteilen. Allein für solche Statistiken dürfte ein Rechner nötig sein ...

Was werbebewußte Quelle-Kundendienstler im vorigen Jahr draußen beim Kunden gern als "Kundendienst mit Computer" bezeichneten, heißt im Stammhaus nüchtern "Diagnose- und Endprüfstand". Das selbstentwickelte Meß- und Prüfgerät erlaubt es, bei der Reparaturannahme in Gegenwart des Kunden den Defekt zu ermitteln und bei der Abholung die einwandfreie Funktion zu demonstrieren. Geprüft wird beispielsweise die elektrische Sicherheit des Gerätes oder die Saugleistung von Staubsaugern. Ein ähnliches Hilfsmittel setzt die Siemens-Elektrogeräte GmbH im Kundendienst ein.

Selbst bei Farbfernsehgeräten hätte ein Prüf- oder Servicecomputer noch zu wenig Arbeit: Grundig versieht beispielsweise seine Supercolor-Modelle mit einer Service-Leiste, auf die ein Diagnose-Adapter aufgesteckt werden kann. Dieses aufsteckbare Prüfgerät, das die Werkstätten haben wurde speziell für dies Fernsehapparate entwickelt. Durch Leuchtanzeige kann der Fehlerbereich eingegrenzt werden - man sieht auch, welcher Modul gewechselt werden muß. Das reicht.

Fazit: die Fehlersuche per Computer ist zwar im Vormarsch aber nur in den Herstellerbetrieben. Die Situation läßt sich am besten an elektronischen Taschenrechnern illustrieren: der einzige Chip, den die Minis enthalten, muß zwar ab Werk in Ordnung sein - aber reparieren wird ihn niemand.