Gespart wird auch in Deutschland

Lucent stellt die eigene Produktion ein

10.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Der Telecom-Ausrüster Lucent Technologies will sich weltweit von seinen Produktionsstätten trennen. Stattdessen sollen Auftragsfertiger die Waren liefern. Hiervon betroffen ist auch der Standort Nürnberg, wo 2800 der 3700 Lucent-Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt sind.

Lucent hat das Tempo angezogen, um die dringend erforderliche Umstrukturierung zu beschleunigen. Als Resultat der nun gezündeten zweiten Stufe des Sparprogramms sollen weltweit keine Werke "in eigener Regie" mehr betrieben werden, die Produktionsstätten werden verkauft, vermietet oder geschlossen. Rund 900 Arbeitsplätze sind in Deutschland von der Streichung bedroht, in Europa sind es mehrere tausend, weltweit fallen bis zu 20000 Stellen dem Sparzwang zum Opfer. Die Konsequenz: Lucent kauft seine Produkte künftig nur noch bei Auftragsfertigern ein.

Damit muss der Wirtschaftsstandort Nürnberg erneut einen herben Rückschlag einstecken. Rund 750 Mitarbeiter fertigen in Nürnberg-Langwasser Basisstationen für Mobilfunknetze sowie optische Übertragungssysteme, etwa 600 Arbeitsplätze sind hier bedroht. Insgesamt arbeiten 2800 Lucent-Beschäftigte in Franken, der Großteil von ihnen im europäischen Pendant zur amerikanischen Forschungsstätte Bell Labs. Das große Engagement der Hightech-Company hatte bislang in der Region als ein positives Symbol für den Strukturwandel gegolten.

Für das Glasfaserwerk in Augsburg und seine 140 Mitarbeiter hatte Lucent bereits vor zwei Wochen einen Käufer gefunden. Die japanische Firma Furukawa Electric übernimmt den kompletten Glasfaserbereich und legt dafür rund 2,5 Milliarden Dollar auf den Tisch. Weitere 225 Millionen Dollar stammen von Corning, das zwei Beteiligungen von Lucent in China erwirbt. Für rund 600 Millionen Dollar vermietet Lucent zudem zwei Produktionsstätten in den USA an den Elektronikfertiger Celestica. Mit der Emission von wandelbaren Vorzugsaktien wurden zusätzlich 1,75 Milliarden Dollar in die leeren Kassen gespült, um die Position des Unternehmens bei der Neuverhandlung von Krediten zu stärken, die in Kürze mit den Gläubigerbanken ansteht.

Der Sparzwang führt auch dazu, dass die strategische Positionierung des Konzerns überdacht wird. Lucent will sich in Zukunft auf die 50 größten TK-Gesellschaften als Kunden konzentrieren. Diese sind für rund 75 Prozent aller weltweiten Umsätze in dem Bereich verantwortlich und tragen 90 Prozent der Lucent-Einnahmen. Im dritten Fiskalquartal 2001 hatte der Konzern einen Nettoverlust von 3,25 Milliarden Dollar gemeldet. Der Umsatz war im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 7,4 Milliarden auf 5,8 Milliarden Dollar gesunken.

Doch nicht nur die Produktion, auch die allgemeinen Stabsstellen bleiben von der Sparsamkeit nicht verschont. Ihre Anzahl soll sich halbieren. Die "Nürnberger Nachrichten" zitierten ein internes Strategiepapier des Konzerns, wonach darüber hinaus 35 Prozent der Stellen in Forschung, Support und Logistik sowie 40 Prozent der Vertriebsmannschaft gestrichen werden. Der finanzielle Aufwand dafür liegt anderen Berichten zufolge bei sieben bis neun Milliarden Dollar.

Wann die Entscheidung über die Zukunft der Werke ansteht, ist noch nicht klar. Allerdings werde sich bis Ende September einiges im Konzern bewegen, mutmaßte die Lucent-Sprecherin Martina Grüger. Dabei seien die genannten Zahlen weder offiziell bestätigt noch mit dem Betriebsrat abgestimmt. Die deutsche Niederlassung könne sich aber strategischen Entscheidungen nicht entziehen, selbst wenn das Geschäft hierzulande gut laufe, hieß es in Bonn. Spekulationen über einen Personalabbau in den Nürnberger Bell Labs wollte Grüger nicht kommentieren.