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Lucent gibt CEO McGinn den Laufpass

24.10.2000
Nachdem Lucent-Chef McGinn zum vierten Mal in Folge die Umsatz- und Gewinnprognosen senken musste, hatte die Netzwerk-Company die Nase voll: Der Top-Mann wurde fristlos entlassen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Wallstreet-Analysten zeigten sich wenig überrascht, als Lucent Technologies am gestrigen Montag ihrem Chief Executive Officer (CEO) und Chairman Richard McGinn fristlos kündigte. Das Board of Directors teilte in einer Stellungnahme mit: "Wir nahmen an diesem Wochenende die jüngsten Leistungen von Lucent und die Aussichten für das laufende Quartal unter die Lupe. Wir kamen zu dem Schluss, dass ein sofortiger Führungswechsel notwendig ist." Bis ein neuer Unternehmenschef gefunden ist, übernimmt der ehemalige CEO und Chairman Henry Schacht die Führung der gebeutelten Netzwerk-Company.

Nachdem McGinn dem Board am vergangenen Wochenende erklärt hatte, dass Lucent sein Gewinn- und Umsatzziel im ersten Quartal 2001 zum vierten Mal in Folge nicht erreichen werde, zog das Board of Directors die Notbremse. McGinn korrigierte seine Gewinnprognose vom Juli von 23 Cent je Aktie und die Umsatzerwartung deutlich nach unten: Er rechnet nun mit einem siebenprozentigen Rückgang der Einnahmen. Die wiederholt falsche Markt- und Unternehmenseinschätzung des Top-Mannes zwang das Board zum raschen Handeln.

Nach Informationen des "Wall Street Journal" schlug McGinn die Warnungen seiner Untergebenen bezüglich des langsameren Firmenwachstums in den Wind. Schon vor einem Jahr sollen ihn mehrere Mitarbeiter aufgefordert haben, die Höhe der Finanzprognosen zu senken, da die neueren Produkte von Lucent noch nicht marktreif seinen und der Umsatz mit den älteren zurückgehen werde. McGinn habe jedoch fest an das Markt- und Unternehmenswachstum geglaubt.

Im vierten Geschäftsquartal 2000 meldeten die US-Netzwerker einen Nettoverlust von 225 Millionen Dollar oder sieben Cent je Aktie und lagen damit innerhalb der Prognosen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres erwirtschaftete Lucent noch einen Profit von 947 Millionen Dollar oder 29 Cent je Aktie. Auch das operative Ergebnis war mit plus 600 Millionen Dollar gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresquartal, als das Unternehmen noch 768 Millionen Dollar meldete, rückläufig. Der Umsatz kletterte in der abgelaufenen Berichtsperiode um 14,6 Prozent auf 9,4 Milliarden Dollar. Damit lagen die Zahlen innerhalb der vor kurzem von Lucent nach unten korrigierten Prognosen (Computerwoche online berichtete).

"Wir sind sehr enttäuscht über unsere Zahlen," kommentierte Schacht das Ergebnis. "Das Geschäftsjahr 2001 wird das Jahr der Wandlung und des Wiederaufbaus für Lucent." Prognosen für das kommende Jahr will der 66-Jährige erst abgeben, wenn die Ergebnisse des ersten Quartal vorliegen.