LU 6.2 mit OSI-Gütesiegel?

07.02.1986

Verkehrte Welt: Während sich weltweit die OSI-Anhänger in den USA und in Japan nach europäischem Vorbild formieren, um der Idee herstellerübergreifender Kommunikation mehr Gewicht zu verleihen, überlegt man ausgerechnet bei der ECMA allen Ernstes, für die Standardisierung der Ebenen 6 und 7 des OSI-Modells auf IBMs LU 6.2 zurückzugreifen.

Zur Diskussion in der ECMA, so heißt es offiziell, steht LU 6.2 "nur" für den Bereich Transaktionsverarbeitung; wobei das Wörtchen "nur" mindestens Augenwischerei, wenn nicht Tiefstapelei ist, denn je nach Definition reicht Transaktionsverarbeitung bis hin zur Bürokommunikation und zu CIM.

Die logische Folge einer solchen Entwicklung, gesetzt den Fall, sie käme zustande: Bereits verabschiedete Standards wie etwa die X.400-Empfehlungen für Message-Handling-Systeme oder in absehbarer Zeit verfügbare Normen wie File Transfer würden zwar weiter existieren beziehungsweise auch abgesegnet werden - nur würden sie wohl kaum jemals auch in irgendwelchen Produkten realisiert sein. Wie im Märchen vom Hasen und dem Igel könnte IBM nämlich immer sagen: "Ick bün all' hier mit LU 6.2."

Ungeachtet aller taktischen Finessen und Winkelzüge, die möglicherweise irgendwann einmal in den vergangenen zwei Jahren dafür sprachen, ausgerechnet ein strategisches IBM-Produkt mit dem OSI-Gütesiegel zu versehen, bleibt die Gretchenfrage an die ECMA-Verantwortlichen, wer eigentlich auf diese Idee gekommen ist und zu wessen Nutzen diese - technisch wie von der Produktstrategie her - gereichen sollte? Dem unbeteiligten Beobachter fällt da eigentlich als Antwort nur IBM ein.