Mobile World Congress

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LTE - zwischen Turbolader und Kinderkrankheiten

17.02.2011
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Noch ist LTE nicht auf breiter Front ausgerollt, da propagiert die Industrie bereits den Nachfolger LTE Advanced. Andere fordern jedoch, erst die LTE-Kinderkrankheiten zu beseitigen.
LTE Sendemast
LTE Sendemast
Foto: Telekom

Verdoppelte sich früher der Bandbreitenbedarf in den Mobilfunknetzen alle zwei Monate, so steigt er seit Weihnachten exponentiell an. Einen Grund hierfür sah die Branche auf dem Mobile World Congress im Siegeszug der Tablets. Hält die Nachfrage so an, und mit mobile Video ist sogar mit einem weiter explodierenden Bedarf zu rechnen, dann dürften selbst die neuen LTE-Netze bald an ihre Grenzen stoßen.

Dementsprechend wurde auf dem Mobile World Congress bereits über die LTE-Erweiterung LTE Advanced diskutiert. Die neue Technik schafft zumindest auf dem Papier Bandbreiten bis zu 1 Gbit/s. Darüber hinaus vereinfacht die neue Technik den Netzaufbau, denn die Basisstationen können gleichzeitig als Relay-Stationen dienen und so untereinander vernetzt werden. Zudem solen die Funkstationen selbstlernend und konfiguriernd sein, um so bei der Funkausleuchtung Konflikte mit benachbarten Basestations zu vermeiden. Desweiteren hält mit LTE Advanced MIMO in achtfacher Form Einzug, was den Empfang für die Endgeräte verbessern soll. Und last but not least erlaubt LTE Advanced mit Hilfe der Carrier-Aggregation - hier können mehrere nicht zusammenhängende Frequenbänder zusammengeschaltet werden - eine Erhöhung der Bandbreite auf bis zu 100 Megahertz, während unter LTE lediglich bis zu 20 Megahertz vorgesehen sind.

Das Aggregation-Verfahren nutzt auch eine andere LTE-Spielart: TD-LTE. Mit ungepaarten Frequenzen genutzt, hat TD-LTE das Zeug Wimax vom Markt zu verdrängen. Dementsprechend war auf dem diesjährigen Mobile World Congress nicht mehr viel von dem einst gefeierten Star zu hören. Erste Mobilfunk-Provider haben ihre Wimax-Projekte denn auch zugunsten von TD-LTE gestoppt. umal sich diese Technik laut Thorsten Robrecht, Head of Product Management bei Nokia Siemens Networks auch als Festnetzersatz geeignet ist: "LTE wartet mit der gleichen Zuverlässigkeit auf, wie eine klassische Kupferleitung." Darauf vertraut man beispielsweise in Indien. Das Land hat nur 6 Millionen klassische Festnetzanschlüsse und will die wachsende Nachfrage nach Internet-Zugängen mit LTE abdecken.

An der Frage, wann die LTE-Technologien der zweiten Generation zum Einsatz kommen, scheiden sich jedoch die Geister. So rechnet etwa NSN-Manager Robrecht mit einem kommerziellen Rollout für Ende 2012. Bedenken, dass dies die Investment-Bereitschaft der Provider überfordert, teilt Robrecht nicht, "denn das Gros unserer 3G Basisstationen sind upgrade-bar". Ein Optimismus, den Ken Wirth, President 4G/LTE Wireless Networks bei Alcatel Lucent nicht teilt. Er rechnet erst in drei bis vier Jahren mit einem breiteren Einsatz. Wirth zufolge sei es wichtiger zuerst an einer Optimierung der LTE-Technik zu arbeiten. Mit entsprechender Antennentechnik und Logik im Netze lassen sich Wirths Aussagen zufolge die Netzausbaukosten um bis zu 55 Prozent reduzieren: "Unter dem Strich kostet bei LTE ein Bit/s 33 Prozent weniger als in einem vergleichbaren LTE-Netz."

Ein anderes Thema ist zudem die Frage nach der Tarifierung, denn mit LTE besteht nun die Möglichkeit, die übertragenen daten sowohl nach der Geschwindigekit als auch nach der Serviceklasse zu tarifieren. Schließlich halten mit LTE Quality of Services in den Mobilfunknetzen Einzug. Damit besteht die Möglichkeit, etwa der geschäftskritischen Anwendung eines Businessusers eine höhere Priorität einzuräumen als dem You-Tube-Video eines Consumers - mit entsprechenden Preisunterschieden.

Angesichts solcher und anderer offener Fragen ist es für Joachim Dressler, Manager beim Device-Hersteller Sierra Wireless, noch viel zu früh, um bereits über LTE Advanced zu spekulieren. Er fordert vielmehr, erst einmal in Sachen LTE die Hausaufgaben zu machen, damit die Kinderkrankheiten soweit beseitigt sind, dass man 2012 damit auch im professionellen Umfeld arbeiten kann.

Während die Branche bereits über das Potenzial von LTE Advanced schwärmt, wird Joachim Dressler von Sierra Wireless nicht müde, an Kinderkrankheiten von LTE zu erinnern. Sein Unternehmen produziert unter anderem USB-Sticks, Mini-Hotspots sowie OEM-Module für LTE. In seinen Augen wird in der Öffentlichkeit zu wenig darauf hingewiesen, dass eine LTE-Datenkarte oder -USB-Stick nicht automatisch auf Geschäftsreisen im Ausland verwendet werden kann, da jedes Land unterschiedliche Frequenzen verwendet. Alleine in Europa ist hier, wenn der Anwender auf Nummer sicher gehen will, ein Fünf-Band-Modell erforderlich. Ein anderer Aspekt ist der Stromverbrauch. Die erste Generation benötigt deutlich mehr Strom wie etwa UMTS, was bei mobilen Anwendungen im Business-Umfeld einzukalkulieren ist. Noch nicht zufriedenstellend ist laut Dressler auch das Handover zwischen verschiedenen LTE-Zellen für eine unterbrechungsfreie Datenübertragung gelöst. Ein Problem was aufgrund der kleineren Zellgrößen nicht unterschätzt werden sollte.