Revolution in der Personalauswahl

Loyalitätstest per PAPI und MAMI

11.12.1974

Exklusiv für CW

Als ich meinen Freund Leo Trauerwein (Stiefonkel des bekannten CW-Kolumnisten, Sebastian) kürzlich an der Frankfurter Hauptwache traf, wo er im Café Kranzler ein gebrauchtes Waffeleisen erwarb, um darin - wie er lautstark verkündete - im kommenden harten Winter allmorgendlich seine Socken anzuwärmen, fiel mir ein, daß ich unlängst über Leo und sein erfolgreiches Treiben auf dem amerikanischen Testmarkt Erstaunliches gelesen hatte.

In der Financial Times, im Manager Magazin und selbst im Spiegel fand sich Hinweise über Leos bahnbrechendes Loyal Testprogramm MAMI (Mental and Moral Inventory), mit dem er über sein amerikanisches Manager-Betreuungsbüro Consulting Unlimited groß ins Geschäft gekommen war.

"Leo", sprach ich gerührt und schüttelte ihm die Hand, "wie geht es dir, alter Junge? Ich denke, du bist in den Staaten und testest die Manager!"

"Tu ich auch. Ich bin nur zwei Tage in Frankfurt. Weißt du, ich mußte mir ein Waffeleisen..."

"Okay, okay - die Story kenne ich bereits. Berichte doch mal: Wie läuft dein neues MAMI-System?"

"Bestens", strahlte Leo. "Mit PAPI (Perception) and Preference Inventory) gab es ja, wie du sicher gelesen hast, einige Schwierigkeiten wegen der 90 Testfragen zum Selbstausfüllen für introspektive Manager. Die Kritiker behaupten, jeder Prüfling würde automatisch in den eigenen Sack hinein lügen, wenn er seine Persönlichkeit bewertet und beispielsweise bekennen soll, ob er ein aktiver, selbstsicherer Problemlöser ist."

Positiver Drang

"Na, diese Frage wird doch wohl jeder Manager bejahen..." "Und damit Minuspunkte machen! Denn er verrät, daß er ungern delegiert. - Oder meine Erkundigung, ob jemand den Drang verspürt, seine Sekretärin zu vergewaltigen."

"Das wird doch keiner zugeben wollen!"

"Richtig. Aber wer es eingesteht, kriegt drei Pluspunkte, denn er beweist eine dynamische, aggressive Verkäuferpersönlichkeit mit starkem Bedürfnis nach Umweltkontakten. Sehr positiv zu beurteilen."

"Und mit MAMI hast du dein Testsystem verbessert?"

"Ganz entscheidend. Wir haben festgestellt, daß alle Pressemenschen und sämtliche Kritiker aus unserem mehrdimesionalen Testmuster, wo wir Energieaufwand, Führungsanspruch, Vitalität, Arbeitsstil und Temperament äquivalent zum Loyalitätswert einordnen, immer nur die Loyalität herauspicken und isoliert darüber berichten - aus purer Sensationslust. Das brachte uns auf die Idee, MAMI zu entwickeln und überhaupt nur noch diesen Komplex zu bearbeiten. Aber ohne Fragebogen und Selbstbespitzelung."

"Wie läuft denn das?"

Schwieriger Wahrheitsgehalt

"Bei MAMI stellt der Prüfer und testet sofort den Wahrheitsgehalt der Antwort. Das geht so: Wenn der General Manager einer Dampfkesselfabrik beispielsweise die Loyalität für sich in Anspruch nimmt, muß er sich auf einen Kessel aus der eigenen Produktion setzen und den Druck auf zehn Prozent über Maximum einregeln. Schafft er das ohne zu schwitzen, dann hat er Vertrauen. In der Pharma-Industrie demonstriert der Geschäftsführer durch die Einnahme selbstgedrehter Pillen seine Loyalität zum Erzeugnis. Beim Flugzeugbau ..."

"EDV-subtil"

Leo fixiert mich irritiert: "Heinzgünther", sagte er streng, "deine Vorgesetzten haben recht, wenn sie sich über deine mangelnde sittliche Reife zum Computergeschäft beklagen. Selbstverständlich testen wir die EDV-Gemeinde mit weit subtileren Methoden. Nehmen wir einen Benutzer, den Finanzdirektor, zum Beispiel. Wir fragen ihn, ob er die abgespeicherten Daten noch einmal auf Karteizetteln in seiner Schublade führt. Sagt er ja, fragen wir ihn, ob er seinem Rechenzentrum vertraut. Sagt er wieder ja, dann muß er vor meinen Augen die redundanten Karteikarten versenken und eigenhändig Wasser ziehen. Erst dann gebe ich ihm die Pluspunkte für höchste Hardware- und Service-Loyalität."

"Fein. Aber wie ermittelt man loyales Verhalten gegenüber seinem Software, Betreuer, der einem gerade die gesamte DV-Organisation auf den virtuellen Allround-Generator umgestellt hat, auf die automatische Programmredaktion mit Input in heimischer Mundart und Output in höherer Gyte-Grammatik - du weißt, was ich meine."

Alles inklusive

"Nichts leichter als das: Wenn ein RZ-Manager die neue Software-Linguistik jetzt an Weihnachten einführt, so warten wir mit unseren Treueprüfung bis Ostern 1975. Dann erzählen wir ihm einen unanständigen Witz - auf Cobol! Versteht er die Sprache immer noch und muß lachen, dann hat er Cobol nicht aus seinem Bewußtsein verdrängt und leidet an einer gespaltenen Persönlichkeit. Er glaubt im Grunde nicht an das neue Einfachsystem, seine Fortschrittsmoral ist verkümmert. Ich haue ihm also eine tiefe Minuskerbe ins grafische Loyalitätsprofit. Ich mache ihm aber auch klar, wo seine Schwachstellen sind und wie er sich verbessern kann. Das ist im Honorar enthalten."

- Heinzgünther Klaus ist Pressechef der Honeywell Bull GmbH, Köln.