Longhorn: Gates fordert die Industrie

29.04.2005
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Die Microsoft-Konferenz Winhec 2005 stand ganz im Zeichen von 64-Bit-Windows und Longhorn. Deren Erfolg hängt jetzt wesentlich von der Kreativität der Hardwareindustrie und der Unterstützung durch Gerätetreiber ab.

Auf der Windows Hardware Engineering Conference (Winhec) in Seattle kündigte Bill Gates die dritte Dekade von Windows an, die 20 Jahre nach der Vorstellung von Windows 1.0 jetzt anbreche. Vor 2800 Teilnehmern ging er zunächst ausführlich auf die neuen 64-Bit-Windows-Systeme "XP Professional" und "Server 2003" ein, die nun offiziell freigegeben wurden. Der Chief Software Architect versprach einen nahtlosen Übergang von der derzeit vorherrschenden 32-Bit-Architektur auf die neue x64-Plattform. Der Schritt war überfällig, nachdem AMD bereits seit vergangenem Jahr mit den AMD64-CPUs entsprechende Hardware ausliefert. Die 32/64-Bit-Hybridarchitektur wird nun auch von Intel in Form der EM64T-Erweiterung unterstützt, so dass nun tatsächlich von einer breiten Marktakzeptanz ausgegangen werden kann.

Der Paradigmenwechsel soll nach Überzeugung von Gates deutlich zügiger über die Bühne gehen als der einst sehr langwierige Umstieg von 16- auf 32-Bit-Plattformen in den 80er und 90er Jahren. Noch in diesem Jahr, so die Prognosen, sollen alle Hardwarehersteller ihre Server-Produktion auf 64 Bit umstellen, bei den Clients wird der Wandel bis Ende nächsten Jahres vollzogen sein. Der Software-Marktführer betont dabei, dass Anwender wie Entwickler beim Wechsel auf 64-Bit-Betriebssysteme keinerlei Probleme zu erwarten hätten. Nach wie vor könne man auf x64-Maschinen auch 32-Bit-Systeme installieren. Mit der 32-Bit-Emulation WOW (Windows on Windows) stellen die Redmonder zudem sicher, dass auch auf x64 nahezu jede 32-Bit-Altanwendung läuft. Nicht unterstützt werden allerdings 32-Bit-Treiber sowie bestimmte systemnahe Programme.

Umstiegswillige können ihre 32-Bit-Windows-Lizenzen bis Ende Juli kostenlos gegen das 64-Bit-Pendant eintauschen. Den Vertrieb der x64-Windows-Versionen beschränkt Microsoft zunächst aber auf die OEMs. Erlaubt ist allerdings der Verkauf von Windows-Paketen in Verbindung mit Hardware wie Mäusen oder Mainboards. Nach Angaben von Firmensprechern wolle man auf diese Weise die Hersteller motivieren, 64-Bit-Treiber zu entwickeln. Denn hier - das gab auch Gates offen zu - bestehe noch ein großer Nachholbedarf. So wurde denn auch das Hardwarelager mehrfach aufgerufen, Treiber für x64 bereitzustellen.

Deutlich besseres Treibermodell

Als Lockmittel hierfür dient ein auf der Winhec vorgestelltes, aktualisiertes Entwickler-Preview-Release für Longhorn. Ihr Hauptmerkmal ist das neue Treibermodell "Windows Driver Foundation" (WDF), auf dessen Grundlage die Hardwarefraktion mit der Entwicklung von Gerätetreibern für Longhorn beginnen kann. Das Treibermodell löst das bisherige WDM ab. Es soll deutlich einfacher zu handhaben sein, die Programmierung erleichtern und außerdem die Systemstabilität erhöhen. Microsoft demonstriert anhand dreier portierter Systemtreiber die Vorteile: Bei der Geräteschnittstelle "Pcidrv" hat sich die Zahl der Codezeilen halbiert, bei "Serial" ist sie auf drei Viertel, bei "Osrusbfx2" sogar auf ein Achtel des ursprünglichen Quelltexts zurückgegangen. WDF soll darüber hinaus auch für weniger Abstürze sorgen - unter anderem durch die Einführung von User-Mode-Treibern für Plug-and-Play-Geräte. Wie der Name sagt, bleiben User-Mode-Treiber auf den Adressbereich des Benutzerprozesses, in dem sie laufen, beschränkt. Sie haben somit keinen Zugriff mehr auf den Speicherbereich des Kernels und dessen innere Systemprozesse. In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass ein überwiegender Teil der berüchtigten Blue-Screen-Abstürze durch fehlerhafte Treiber verursacht wird.

Vorstoß bei 64-Bit-Applikationen

Bezüglich des Angebots von 64-Bit-Applikationen muss Microsoft ebenfalls Vorarbeit leisten. Damit Anwender in den Genuss von zum Beispiel 128 GB Systemadressraum und 1 TB Cache kommen, wollen die Redmonder noch in diesem Jahr eine Reihe von Anwendungen und Server-Produkten für diese Plattform auf den Markt bringen. Dazu zählen SQL Server 2005, Visual Studio 2005, Commerce Server, Host Integration Server, Biztalk Server 2005 sowie die Services für Unix. Im nächsten und übernächsten Jahr folgen Longhorn Server, Exchange Server 12, Virtual Server V2 und Microsoft Operations Manager.

Auch in Sachen Mobile Computing gab es auf der Konferenz einige Neuigkeiten. Zum einen zeigte Gates die Konzeptstudie eines "Ultra-Mobile"-PC, der mit Sieben-Zoll-Bildschirm zwischen PDA und Tablet-PC angesiedelt ist. Marktreif sollen solche Geräte allerdings erst 2007 bis 2008 sein. Daneben betonte der Microsoft-Gründer, dass man das Tablet-PC-Konzept trotz bisher eher bescheidener Marktakzeptanz weiterentwickeln wolle. Von Acer war ein Prototyp mit neuem Deckelmechanismus zu sehen. Im Gegensatz zu den bisherigen Convertibles, die eine Laptop-Bauweise mit einem drehbaren Deckel kombinieren, kommt hier ein Gleit-Klappmechanismus zum Einsatz. Der Wechsel vom Tablett- zum Tastaturmodus geht hierbei deutlich leichter vonstatten, das Tablett-Display bleibt ständig offen sichtbar.

Für Longhorn-basierende Tablet-PCs soll eine neue Eingabemöglichkeit mit dem Finger hinzukommen. Voraussetzung dafür sind aber berührungsempfindliche Displays - die bisher von Microsoft vorgeschriebenen Digitizer-Bildschirme lassen sich ausschließlich mit elektromagnetischem Stift bedienen. Auf einem Tablet von Fujitsu-Siemens wurde die neue Eingabemethode gezeigt - die Bedienung und Navigation schien trotz Fingereingabe mit erstaunlicher Präzision vonstatten zu gehen.

Deutlich zusammengestutzt haben die Redmonder die einstigen Pläne für die Verschlüsselungstechnik Trusted Platform Module (TPM). War noch im letzten Jahr unter dem Kürzel NGSCB von umfassenden Funktionen einer integrierten Soft- und Hardwareverschlüsselung die Rede, so beschränkt sich nun der Einsatz von TPM im Wesentlichen auf den Bereich "Secure Startup": Sofern ein TPM-Chip auf dem Mainboard vorhanden ist, kann er für grundlegende Datensicherheitsfunktionen verwendet werden. So lassen sich damit beispielsweise alle System- und Benutzerdaten, aber auch Dateien wie der Ruhezustands-Cache verschlüsseln. Zugriffsversuche von externen Boot-Medien werden unterbunden, gleichzeitig können derartige Eingriffe aufgezeichnet und dem autorisierten Benutzer mitgeteilt werden.

Vorbei sind mit Longhorn auch die langen PC-Einschaltzeiten. Neben neuen Softwaretechniken kommen hier künftige Festplattentypen mit dem Namen NVRAM ins Spiel. Samsung zeigte erste Prototypen, bei denen es sich um herkömmliche Festplatten mit zusätzlich integriertem, nicht-flüchtigem Flash-Speicher handelt. Durch intelligentes Caching gewisser Systemdaten im schnelleren Flash-Bereich der Festplatte sollen die Boot-Zeiten nur noch zwischen zehn und 15 Sekunden betragen, aus dem Ruhezustand soll der Rechner binnen zwei bis zehn Sekunden erwachen.

Gleichzeitig wird diese Technik den Stromverbrauch von Laptops spürbar reduzieren. In diesem Fall werden Schreibvorgänge im Flash-Speicher zwischengelagert und erst dann auf die Festplatte übertragen, wenn dieser voll ist. Noch sind die Entwickler mit der Optimierung der Technik beschäftigt, doch soll es im Alltagseinsatz möglich sein, den Festplattenmotor nur einmal pro halbe Stunde oder gar Stunde laufen zu lassen. (ue)