NCR will durch Mitarbeiter-Aktion Lehrstellen schaffen:

Lohnverzichtsappell bei 100-Jahr-Feier

27.01.1984

AUGSBURG (CW) - Mit einem durchaus nicht alltäglichen Appell wurde jetzt die Belegschaft von NCR konfrontiert: Freiwilliger Lohnverzicht zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen im Unternehmen. Beginn: April 1984. Dauer: Ein Jahr.

Und weil frohgelaunte Menschen eher mit sich reden lassen, hatte die Firmenleitung die 100-Jahr-Feier von NCR in der Augsburger Kongreßhalle genutzt, um die Mitarbeiter auf diese Idee einzuschwören.

So sieht NCR-Geschaftsführer Hans Joachim Nowak hinter dem Vorschlag nichts weiter als die "Idee eine gemeinschaftliche Leistung zu erbringen, die nichts mit dem Unternehmen zu tun hat".

Die Rechnung des weltweit fünft-größten Computerherstellers ist folgende: Die 3300 Mitarbeiter verzichten monatlich freiwillig auf einen Teil ihres Einkommens, wobei die untere Grenze bei fünf Mark liegt, nach oben jedoch sind keine Grenzen gesetzt. Gäbe jeder Beschäftigte 12 Mal 10 Mark, so wären dies im Jahr rund 400 000 Mark.

"Zwar könnte die NCR die Lehrstellen mühelos aus eigenen Mitteln finanzieren", bekennt Nowak, "doch wir wollen mit dieser Aktion beweisen, daß es in unserem Volk noch Gemeinschaftsleistungen gibt und daß wir nicht nur auf Unternehmen und Staat warten müssen."

Der Funke ist offenbar auf die Belegschaft übergesprungen. Sie stehen dem Vorschlag, so Betriebsrat und Geschäftsleitung, überwiegend positiv gegenüber, zumal mit Hilfe ihres Obolus zehn Ausbildungsplätze mehr als die geplanten fünf eingerichtet werden sollen.

Bei dieser eindeutigen Haltung der NCR-Arbeitnehmer kann auch Bertriebsratsvorsitzender Josef Dreher nicht "Nein" sagen. Zwar steht er nach eigenen Angaben in einem Konflikt. Einerseits hat er als IG-Metall-Funktionär die Gewerkschaftsvorstellungen in der Lehrstellenfinanzierung zu vertreten, andererseits aber die Interessen der Belegschaft zu akzeptieren. Dreher: "Wenn Mitarbeiter bereit sind, freiwillig einen Anstoß zu geben für etwas was zweckmäßig ist, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß Gewerkschaften dagegen sein sollen."