Rationalisierungsterrain "Betrieb" mit weißen Flecken:

Lohndatenerfassung - schneller und billiger per EDV

01.04.1977

EDV in der Verwaltung ist heute eine Selbstverständlichkeit. EDV und Betriebsdatenerfassung im Fertigungsbereich wird dagegen nur sehr zögernd eingesetzt. Ein Gebiet, in dem manuelle Datenerfassung und herkömmliche Organisationsverfahren noch besonders verbreitet sind, ist die Lohndatenerfassung. Hierunter wird die Gewinnung aller Informationen verstanden, die für die Brutto-Lohnabrechnung benötigt werden. Die Verfahren zur Lohndatenerfassung sind traditionell gewaschen und weitgehend durch Gewohnheit festgeschrieben. Änderungen sind hier immer ein "heißes Eisen" und werden von den Betroffenen mit ausgesprochenem Mißtrauen betrachtet. Außerdem unterliegen Verfahren der Lohndatenerfassung der Mitbestimmung und sind zustimmungspflichtig.

Welches sind nun die für Lohndaten wichtigen Informationen, und wie kann ihre Erfassung verbessert werden? Ausgangspunkt ist die Anwesenheitszeit der Mitarbeiter im Betrieb sowie die Erfassung aller bezahlten Abwesenheiten. Hier dominiert noch immer die Stempeluhr für Kommt/ Geht-Erfassung mit weitgehend manueller Auswertung. Sonderzeiten werden meist in die Stempelkarte eingetragen; die Informationen teilweise verdichtet - beispielsweise zu Stundensummen - und dann über die zentrale Datenerfassung der EDV zur Verfügung gestellt.

Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ist hier leicht erreichbar: Spätestens seit dem Gleitzeit-Boom stehen leistungsfähige Zeiterfassungssysteme zur Verfügung, die Kommt/ Geht-Zeiten elektronisch festhalten, automatisch die Anwesenheitszeit ermitteln und Sonderzeiten über Zusatztasten, Berechtigungskarten oder durch Eingabe über spezielle Sonderzeiten-Terminals in die Zeitermittlung einfließen lassen können. Über die Bedienung der Zeiterfassungsterminals hinaus entsteht kaum Arbeitsaufwand, das Ergebnis kann - bei geeigneter Programmierung solcher Systeme - ein vollständiger Stundennachweis sein, einschließlich aller Überstunden. Eine Übertragung dieses - aus der Gleitzeit gewonnenen - Know-hows auf die Lohndatenerfassung vor allem für Zeitlohn bietet sich geradezu an.

Unzumutbares Verfahren

Ein spezielles Problem kann sich aus der Mentalität gewerblicher Mitarbeiter ergeben: Eine Erfassung mit der in solchen Systemen üblichen Plastikkarte muß auf den gewohnten Zeitquittungsdruck verzichten. Vom Mitarbeiter wird erwartet, daß er die im späteren EDV-Ausdruck enthaltenen Anwesenheitszeiten glaubt. Eine direkte Kontrolle wäre ihm nur durch zusätzliche Handaufzeichnungen möglich - ein unzumutbares Verfahren. Hier kann ein Lohndaten-Terminal helfen, das die Merkmale einer herkömmlichen Stempeluhr, insbesondere den direkten Zeitquittungsdruck auf einem Lohndatenbeleg, mit den Vorteilen eines Terminals verbindet: Alle Kommt/Geht-Meldungen stehen sofort EDV-gerecht zur Verarbeitung zur Verfügung.

Standardisierung schwer möglich

Bei Leistungslohn-Systemen kommt zur Anwesenheitszeiterfassung die Leistungserfassung hinzu. Die Vielfalt der Entlohnungssysteme erfordert hier eine möglichst hautnahe Anpassung der Erfassungssysteme an die Organisation; eine Standardisierung ist nur schwer möglich. Bei Akkordsystemen wird nämlich für jeden Arbeitsgang ein Beleg (Akkordschein) ausgegeben, der bei traditionellen Organisationen nach Erledigung der Arbeit - gegebenenfalls mit Korrekturen versehen - als Grundlage für die Entlohnung gilt.

Hier lassen sich durch maschinell lesbare Belege, meist Lochkarten, erhebliche Summen einsparen. Durch Erweiterung des Zeiterfassungssystems und Betriebsdatenterminals können die Akkordscheine direkt aus dem Fertigungsbereich zurückgemeldet werden. Korrekturen sind über einfache Tastatureingabe möglich.

Manuelle Aufschreibung überflüssig

Die Datenerfassung erfolgt also durch die Mitarbeiter selbst oder durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten (Vorarbeiter). Unnötige und zeitaufwendige zusätzliche Arbeitsgänge werden vermieden, jede manuelle Aufschreibung ist überflüssig. Ein Zusatzvorteil einer solchen Lohndatenerfassung ergibt sich aus den weitergehenden Informationen der zurückgemeldeten Akkordscheine: Auftragsverfolgung, Terminüberwachung, Daten zur Personaldisposition, Leistungsstatistiken und so weiter können aus dem Datenmaterial zusätzlich abgeleitet werden. Aus der Lohndatenerfassung wird hier bereits die vollständige Betriebsdatenerfassung.

Heimliche Akkordreserven

Ein besonderes Problem sind die heimlichen Akkordreserven: Durch Hortung von Akkordscheinen verschafft sich der Mitarbeiter ein Polster an Arbeitsleistung, um leistungsschwache Zeiten ausgleichen zu können. Oft wird diese Reservenbildung vom Unternehmen toleriert und sogar gefordert. Eine automatische Lohndatenerfassung kann solche Akkordreserven daher durchaus berücksichtigen: Dem Mitarbeiter muß dann lediglich ein Dispositionsrecht über den Zeitpunkt der Rückmeldung der Akkordscheine eingeräumt werden. Soll aber die Reserve abgebaut oder zumindest transparent gemacht werden, so ist die Einführung automatischer Zeiterfassungsverfahren hierfür ein geeigneter Zeitpunkt.

Automatische Lohndatenerfassung ist besonders wirksam, wenn Informationen direkt von Fertigungsmaschinen abgenommen werden müssen. Es können Laufzeiten, Stillstandszeiten und -gründe, aber auch Fertigungsmengen sein. Das weitverbreitete Verfahren der Erfassung über Diagrammscheiben ist im Vergleich dazu sehr zeit- und kostenaufwendig. Insbesondere aber bieten Terminalsysteme für Betriebsdatenerfassung eine Integration der Maschinendaten in die Zeit- und Leistungsdaten.

Nutzenschwelle bestimmen

Wo liegt die Nutzenschwelle solcher Organisationsformen? Lohndatensysteme mit ausreichender Intelligenz für integrierte Zeit- und Leistungsdatenerfassung erfordern Systemkosten zwischen rund 3500 und 10 000 Mark monatlich, entsprechen also grob den Kosten von zwei bis vier Mitarbeitern. Eine Ersparnis, die diesen Aufwand rechtfertigt, ist oft schon in Unternehmen mit einigen hundert Lohnempfängern möglich. Bei größeren Unternehmungen sind oft ganz erhebliche Rationalisierungsreserven mobilisierbar. Ein Großbetrieb mit 30 000 Mitarbeitern hat beispielsweise allein durch die Automatisierung der Kommt/Geht-Erfassung Einsparungen von über einer Million Mark jährlich ausgerechnet. Es lohnt sich also, die Lohndatenerfassung kritisch unter die Lupe zu nehmen.

*Wulf Riedell ist Vertriebsleiter Datentechnik und Elektronik der Kabel- und Metallwerke Gutehoffnungshütte Aktiengesellschaft, Hannover