IT im Transportwesen/Mehr als ein Modethema: Supply-Chain-Management

Logistikdienstleister sollten kompatibel zur Industrie werden

09.06.2000
Die verladende Industrie stellt immer höhere Anforderungen an ihre Logistikdienstleister (LDL). Diese versuchen ihrerseits durch gezieltes Vorgehen im Supply-Chain-Management (SCM) weitere Marktanteile zu erschließen. Wie eine Studie belegt, die auf der Befragung von deutschen, britischen und US-amerikanischer Unternehmen basiert, spielt dabei die IT-Infrastruktur eine zentrale Rolle. Martin Schlegel* und Michael Schüller* erläutern Details der Untersuchung mit dem Titel "Anforderungen der verladenden Wirtschaft an Logistikdienstleister im Supply-Chain-Management".

Die telefonisch und per E-Mail durchgeführte Befragung fand von Januar bis April 2000 statt. Interviewt wurden die Logistikleiter von insgesamt 360 ausgewählten Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Grundlage der nachfolgend dargestellten Ergebnisse sind 173 Fragebögen aus den Branchen Automotive, Elektronik, Chemie/Pharma, Konsumgüter und Handel. Untersucht wurden

-der Status derzeitiger SCM-Projekte,

-die in der Planung befindlichen Projekte,

-die zum SCM notwendige IT-Landschaft sowie

-die Outsourcing-Potenziale, die sich Logistikdienstleistern zukünftig erschließen.

Das Rollenverständnis der Logistikdienstleister innerhalb von Supply Chains verändert sich dahingehend, dass von den Verladern zunehmend komplette Logistiklösungen nachgefragt werden. Diesen Trend können LDL nur dann erfolgreich nutzen, wenn sie aus der Rolle des reaktiven Auftragnehmers in die Rolle des Supply-Chain-Masters schlüpfen. Hierbei gilt es für sie zu beachten, dass jede Supply Chain andere Anforderungen beinhaltet. So trauen zwar 58 Prozent der befragten Industrieunternehmen den Logistikdienstleistern SCM grundsätzlich zu, doch adäquates IT- und spezielles Branchen-Know-how fehlten derzeit noch.

SCM in mindestens einem BereichEs zeigte sich, dass Supply-Chain-Management bei 95 Prozent der Firmen bereits in mindestens einem Unternehmensbereich betrieben wird. 60 Prozent gaben an, bald SCM-Projekte angehen zu wollen. Die komplette logistische Kette, beginnend bei der Beschaffung über Produktion und Lager bis hin zum Versand, steht hierbei im Fokus. Unternehmensintern wird das Thema SCM durch die Firmenleitung (bei 50 Prozent) oder den Logistikverantwortlichen (28 Prozent) initiiert. Weitere Impulse kommen von seiten der Kunden (14 Prozent) und vereinzelt auch von Zulieferern (acht Prozent).

Als eindeutig wichtigstes Kriterium für die Initiierung von SCM in den befragten Unternehmen kristallisierte sich branchenübergreifend das Bestreben einer Verbesserung der Kundenbeziehung heraus.

Einen besonders hohen Stellenwert hat die Informationstechnologie bei Supply-Chain-Management-Projekten. Dies äußert sich zum einen in einer geeigneten Kommunikationsinfrastruktur (XML, EDI oder Internet), die zur Vernetzung der beteiligten Unternehmen notwendig ist. Zum anderen bieten so genannte APS-Systeme (Advanced Planning and Scheduling) die funktionale Unterstützung für die strategische Planung und den operativen Einsatz von Supply Chains. Einem APS-System liegen fortschrittliche Planungsansätze zugrunde, die über die Funktionalität klassischer Materialplanungsansätze hinausgehen und anstelle sequenzieller Planungsverfahren Simultanplanungsverfahren nutzen.

Die Verbreitung von APS-Systemen ist in den befragten Unternehmen derzeit noch sehr uneinheitlich. So planen Firmen, die schon heute ERP-Systeme nutzen, bereits den Einsatz von SCM-Systemen. Unternehmen, die noch keine ERP-Erfahrungen gesammelt haben, beschäftigen sich derzeit noch mit deren Einführung. Bei der Priorisierung dieser einzusetzenden Systeme stehen bekannte Namen wie Manugistics, i2-Rhythm und SAP-APO auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Bemerkenswert ist aber auch, dass 41 Prozent der Unternehmen sich noch gar nicht für ein Produkt entschieden haben.

Operative Prozesse outsourcen?Untersucht wurde neben den IT-Anforderungen auch das Outsourcing-Potenzial für SCM an Logistikdienstleister. Zugrunde gelegt wurde hierbei das SCOR-Modell (Supply Chain Operations Reference) des weltweit anerkannten Supply Chain Council, einer Non-Profit-Organisation, die sich mit der Verbreitung und Analyse von Supply-Chain-Management beschäftigt. SCOR bildet Prozesse in den Ebenen Planung, Beschaffung, Produktion und Versand ab.

Das höchste Outsourcing-Potenzial bieten operative Prozesse. Taktische Aufgaben werden hingegen ungern ausgelagert. Eine Ausnahme bilden dabei die taktischen Prozesse im Versandbereich: Hier können sich 25 Prozent der Befragten eine Übertragung an kompetente Partner vorstellen. Beschaffungsseitig werden beispielsweise die Roh-, Hilfs- und Betriebsstofflagerung sowie der Transport der Güter zur Produktion beziehungsweise zum Lager outgesourct.

Im Bereich der Produktion sind die Befragten vor allem daran interessiert, Prozesse wie Wartung von Maschinen und Transportmitteln, Inhouse-Logistics sowie Aufgaben des Verpackens und der Versandvorbereitung an LDL abzugeben. Auf der Seite der versandorientierten Prozesse sind neben den klassischen Aufgaben wie Kommissionieren, der Zoll- und Gefahrgutabwicklung auch Prozesse wie Value-added-Services und Recycle-Management zu nennen. Allgemein sind es Kernkompetenzen und Kostengründe, die ein Outsourcing veranlassen.

Wichtige Aspekte der Studie waren nicht nur die beschriebenen funktionalen Anforderungen an Outsourcing-Nehmer, sondern auch Gesichtspunkte wie Unternehmensgröße oder Anzahl der Geschäftspartner. Es stellte sich heraus, dass die meisten Firmen vorzugsweise mit zwei bis fünf Outsourcing-Partnern (35 Prozent) zusammenarbeiten wollen. Mittelständische Unternehmen präferieren einen mittelständischen Frachtführer gegenüber großen Logistikkonzernen.

Logistikdienstleister als Partner

Über die Form der Zusammenarbeit besteht ein klares Bild. So äußerten 55 Prozent der Logistikleiter, dass sie den Logistikdienstleister gern als Partner sehen, der die im Unternehmen entwickelten Konzepte unterstützt.

Nur 15 Prozent der Logistikspezialisten meinten, dass die Dienstleister eigenständig die Supply-Chain-Management-Lösungen für das Unternehmen entwickeln sollten.

*Martin Schlegel ist Diplomand bei der Lufthansa Systems AS GmbH und verfasste die Studie im Rahmen seiner Diplomarbeit; Michael Schüller ist Produkt-Manager Supply-Chain-Management bei der Lufthansa Systems AS GmbH. Weitere Infos unter: E-Mail: jklement@lhsystemsas.de.

Abb.1: Gründe für SCM

Eindeutig im Vordergrund steht in den Unternehmen: Der Kunde soll besser bedient werden. Quelle: LHS

Abb.2: SCM-Software

Offener Markt: Eine klare Marktführerschaft ist noch nicht auszumachen. Quelle: LHS

Abb.3: Outsourcing vorstellbar

Beschaffung, Produktion und Versand als taktische Aufgaben werden nur ungern ausgelagert. Quelle: LHS