Löwenbräu: Ohne Netz und doppelten Boden

31.07.1987

Zweifellos wäre der Löwenbräu-Fall weit weniger spektakulär, wenn es keinen Dissens zwischen DV/Org.-Abteilung und Vorstand gegeben hätte. Doch allzusehr über die Rolle des DV-Managements nachzudenken - recht geschieht es den DV-Spezialisten, wenn sie auf dem RZ-Doppelboden einbrechen, den sie ohne Not betreten haben -, lenkt vom eigentlichen Problem ab: Eine Steigerung der Effektivität in den Unternehmen stellt sich nicht automatisch durch die Einführung neuer DV-Techniken (Hardware, Software) ein.

Niemand plädiert mehr dafür, die schiele Logik von MIPS-Power und echtem Anwendungsnutzen, sprich: Wirtschaftlichkeit, kritiklos von den Herstellern zu übernehmen und deren Upgrade-Philosophie blind zu folgen. Nein, die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen in schöner Regelmäßigkeit alte Mainframe-Rechner abgebaut wurden, um Platz zu machen für neuere, noch größere Installationen.

Natürlich heißt das umgekehrt nicht, daß "weniger" stets "mehr" sein muß. Machen wir uns immer wieder klar, daß die DV nur ein Werkzeug ist (siehe Steigerung der Effektivität). Also: Daß die DV-Systeme zwangsläufig immer komplexen werden - das werden sie, und das ist der Knackpunkt -, sagt im Einzelfall (Löwenbräu) nichts über ihre Problem-Kompatibilität aus.

Also: Wie die Komplexität in den Griff kriegen? Das ist hier - und überall in der Anwendung der DV - die Frage. Dabei ist dies kein ideologischer Streitfall wie "Mainframe oder Mini/Mikro": Wieviel Komplexität an der Benutzer-Schnittstelle ist zumutbar, wieviel "Künstliche Intelligenz" müßte unter die Haube gepackt, in der Maschine versteckt werden, wenn ein Anwender-Unternehmen die Chance haben wollte, seine Software weitgehend ohne System-Ballast zu entwickeln?

Mit anderen Worten: Wären die DV-Ableilungen gezwungen, ihre Software-Entwicklungskosten über Benutzergebühren zu decken, während das Topmanagement den Fachbereichen entsprechend hohe DV-Budgets bewilligt, dann brauchte man weder über den Anwendungsstau zu lamentieren noch über die Software-Lücke und den vermeintlich schlechten Service der DV.

Mehr noch: Die DV-Abteilungen hätten großes Interesse daran, möglichst viele Anwendungen zum Laufen zu bringen, würden ihre Verfahren ständig den neuesten Erkenntnissen anpassen. Voraussetzung dafür ist, daß in den Anwendungen, in den Programmen, keine Verbindungen zu den darunterliegenden System-Ebenen zu berücksichtigen sind. Das ist bei den heutigen DV-Systemen nicht der Fall.

Traurig, aber wahr: Herkömmliche Mainframe-Programme enthalten bis zu 80 Prozent Code, der von der Technik bestimmt wird (Maschine, Betriebssystem, Daten-Management, Kommunikation etc.), Code, der mitgeschleppt werden muß, obwohl er mit der eigentlichen Anwendung nichts zu tun hat. Das macht die enorme Komplexität aus - und diese gilt es zu entflechten.

Das Unix-Konzept, für das sich Löwenbräu entschieden hat, ist zwar kein Allheilmittel, aber immerhin ein richtiger Ansatz. Das sollten sich Vorstände und DV-Verantwortliche immer wieder klarmachen. Dann gibt es auch keinen Meinungsstreit über die Wirtschaftlichkeit der DV - wohl aber mehr Wahlmöglichkeiten unter den Hersteller-Angeboten. Was die Sache, siehe Löwenbräu, letztlich billiger macht.