Löst SP1 die Vista-Bremse?

26.02.2008
Von Michael Pietroforte
Microsoft hatte lange die Bedeutung des ersten Service Packs heruntergespielt. Tatsächlich enthält es nun aber einige interessante Verbesserungen und wichtige Fehlerkorrekturen.

Windows Vista konnte in über einem Jahr seit seiner Markteinführung nur schwer in der Unternehmenswelt Fuß fassen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an das Service Pack 1 (SP1), weil es bisherige Vorbehalte gegen das Betriebssystem entkräften soll. Microsoft hofft, dass das SP1 die Vista-Bremse lösen kann.

Wichtige Links

Informationen über alle Änderungen und die Verteilung des Service-Packs:

http://technet.microsoft.com/de-de/windowsvista/bb738089.aspx.

Überblick über die Änderungen bei der Desktop-Suche:

http://support.microsoft.com/kb/941946.

Liste der Anwendungen, die Probleme mit SP1 haben:

http://support.microsoft.com/kb/935796.

Informationen zu den im Text beschriebenen Problemen mit Gerätetreibern:

http://support.microsoft.com/kb/948187.

Manche Computer starten nach der Installation von SP1 ständig neu:

http://support.microsoft.com/kb/949358.

Die wichtigsten Änderungen

Insgesamt 470 Hotfixes und 100 Detailverbesserungen;

Reduced Functionality Mode (RFM) wird abgeschafft;

Hotpatching ermöglicht den Austausch von Systemkomponenten im laufenden Betrieb;

Verbesserung der Performance auf moderner Hardware;

gemeinsame Codebasis mit Windows Server 2008.

Hohe Erwartungen

Für die Zurückhaltung der Anwender sorgten besonders Kompatibilitätsprobleme sowie die beträchtlichen Hardwareanforderungen. Vom ersten Reparaturpaket erwarteten zögernde IT-Verantwortliche diesbezüglich eine Besserung sowie eine höhere Ausführungsgeschwindigkeit des als schwerfällig geltenden Vista. Viele Firmen warteten nicht nur auf solche konkreten Fortschritte, sondern folgten auch dem ungeschriebenen Gesetz, wonach eine neue Windows-Version erst nach der ersten Generalüberholung zuverlässig genug für den breiten Unternehmenseinsatz ausfällt.

Seit Vistas Debüt Anfang 2007 war Microsoft damit beschäftigt, Kinderkrankheiten des Systems zu beseitigen. Eine Reihe dieser Nachbesserungen standen bereits über den Online-Service Windows Update zum Download bereit. Von den insgesamt 470 Hotfixes, die mit dem SP1 ausgeliefert werden, waren aber 390 bislang noch nicht öffentlich verfügbar. Umso erstaunlicher mutet es an, dass man in Redmond die Bedeutung des SP1 stets herunterspielte.

Dagegen sind viele der zirka 100 neuen Features bereits über einige Kompatibilitäts- und Zuverlässigkeits-Updates verbreitet worden. Aber vor allem die interessanteren Neuerungen kommen erst mit dem SP1. Dazu gehören etwa die Modifikationen an der Desktop-Suche, die aufgrund von Googles Beschwerde beim US-Justizministerium notwendig wurden. Ein neues Suchprotokoll erleichtert es Drittanbietern nun, die Suchfunktion des neuen Windows durch die eigene Desktop-Suchlösung zu ersetzen. Allerdings war es schon bisher möglich, Vistas eigene Suchfunktion durch Abschalten des entsprechenden Windows-Dienstes zu deaktivieren. Googles Konkurrenzprogramm funktioniert somit auch ohne SP1 unter Windows Vista.

Die wichtigste Veränderung aus Anwendersicht dürfte die Abschaffung des Reduced Functionality Mode (RFM) sein. Bislang begab sich ein nicht ordnungsgemäß aktiviertes Vista nach dreißig Tagen in einen Zustand, in dem außer der Online-Aktivierung praktisch nichts mehr ging. Diese Vorstellung bereitet vor allem IT-Verantwortlichen Bauchschmerzen, denn theoretisch könnte so das gesamte Firmennetz lahmgelegt werden, wenn etwa aufgrund einer technischen Fehlfunktion die Aktivierung nicht geklappt hat. Eine noch nicht aktivierte Vista-Installation mit SP1 ist auch nach Ablauf der dreißigtägigen Schonfrist voll funktionsfähig. Der Anwender muss aber entsprechende Hinweise in Form der bekannten ballonartigen Pop-ups in der Taskleiste ertragen. Außerdem verwandelt sich der Desktop-Hintergrund in ein bedrohliches Schwarz, um zusätzlich auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen.

Während es sich hierbei gewissermaßen um eine Mängelbeseitigung handelt, ist die Hotpatching-Funktion ein echtes neues Feature. Es erlaubt ohne anschließenden Neustart selbst dann den Austausch von Systemsoftware, wenn diese von Windows-Prozessen geladen wurde. Damit soll das Patch-Management im Unternehmensnetz vereinfacht werden. Wenn dieses Feature wie versprochen funktioniert, dann werden sich künftig aus der Mittagspause zurückkehrende Anwender nicht mehr wundern müssen, weshalb ihr Rechner einen Neustart vorgenommen hat, obwohl doch das zuletzt bearbeitete Dokument noch gar nicht abgespeichert war.

Neue Sicherheitsfunktionen

Eine Reihe von Neuerungen ließ Microsoft seinem Betriebssystem in puncto Sicherheit angedeihen. So beschränkt sich Bitlocker nun nicht mehr nur auf die Verschlüsselung des Systemlaufwerks, sondern kann auch Datenlaufwerke vor unbefugtem Zugriff schützen. Das Sicherheits-Center erhielt neue Programmier-Schnittstellen, die es Drittanbietern erleichtern, ihre Sicherheitssoftware in Vista einzuklinken. Umstritten ist dabei die Veränderung der "Kernel-Patch-Protection" in der 64-Bit-Version von Windows Vista. Bislang war es nicht möglich, zur Laufzeit den Kernel zu modifizieren. Dies galt als zusätzlicher Schutz für Vista x64, da sich Schadsoftware bevorzugt am Windows-Kernel zu schaffen macht. Microsoft hat hier wohl dem Drängen der Hersteller von Sicherheitssoftware nachgegeben.

In Sachen Sicherheit hatte sich Vista von Beginn an recht gut geschlagen. Nach allgemeiner Einschätzung ist es auch ohne Service-Pack deutlich resistenter gegen Bedrohungen als Windows XP mit SP2. Dagegen wurde Vistas schlechte Performance im Vergleich zu seinem Vorgänger immer wieder bemängelt. Hier sollen einige Verbesserungen in SP1 dem neuen System auf die Sprünge helfen. Sie betreffen insbesondere die Geschwindigkeit beim Kopieren von größeren Datenmengen, lokal und über das Netz. Erste Tests haben allerdings schon deutlich gemacht, dass auch Vista SP1 selbst auf moderner Hardware deutlich langsamer läuft als Windows XP. Das ist jedoch nicht verwunderlich, denn bislang galt dies noch für jede neue Windows-Version. Die Vorgänger waren auf gleicher Hardware immer schon schneller. Gegenüber der Originalversion von Vista kann SP1 beim Einsatz von Standardanwendungen aber eine Leistungssteigerung von bis zu zehn Prozent bewirken. Rechner, auf denen Vista aufgrund seines beachtlichen Ressourcenbedarfs nicht richtig in die Gänge kommt, werden auch mit dem SP1 kaum flotter.

Entspannung bei Treibern

Das SP1 wird die Hoffnungen derjenigen zerstreuen, die aufgrund von Treiberproblemen auf den Umstieg verzichten mussten. SP1 enthält keine Gerätetreiber, die nicht auch schon über Windows Update verfügbar gewesen wären. Ähnliches gilt in Bezug auf die Softwarekompatibilität. Auch hier hatte Microsoft schon vor SP1 alle Verbesserungen veröffentlicht. Im Gegenteil: Microsoft selbst weist darauf hin, dass SP1 zusätzliche Kompatibilitätsprobleme hervorrufen kann. So wurde auch schon eine Liste von Anwendungen veröffentlicht, die unter Vista SP1 nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren. Mittlerweile kursieren im Internet Berichte über weitere Probleme, die das Service-Pack verursacht. Microsoft hat diese teilweise bestätigt und Anleitungen in der Knowledge Base veröffentlicht, wie man sie umgeht.

Für Aufregung hat Microsofts Entscheidung gesorgt, Endanwendern SP1 erst Mitte März zugänglich zu machen. Als Grund wurden fehlerhaft implementierte Gerätetreiber genannt, die unter Vista SP1 Schwierigkeiten machten. Um Hardwareherstellern die Möglichkeit zu geben, angepasste Treiber bereitzustellen, hatte man sich in Redmond entschieden, die Veröffentlichung von SP1 zu verzögern. Vermutlich aufgrund der darauf folgenden massiven Beschwerden von Unternehmenskunden lenkte Microsoft dann doch ein. Inzwischen steht SP1 über das Microsoft Developer Network (MSDN), Technet Plus und das Licensing Center zum Download bereit.

Die Zeit arbeitet für Vista

Ob diese Proteste darauf schließen lassen, dass man in den Unternehmen auf das erste Service-Pack gewartet hat, um endlich mit der Vista-Migration beginnen zu können, wird sich erst zeigen müssen. Tatsache ist jedenfalls, dass sich seit dem Erscheinen des neuen Windows Anfang 2007 einiges getan hat. So waren etwa zum Start von Vista zirka 13 000 Hardwaretreiber verfügbar, heute hat allein Windows Update schon 54 000 zu bieten. Auch Vistas Ressourcenhunger kann angesichts leistungsfähigerer Hardware nicht mehr in dem Maße schrecken wie noch vor einem Jahr.

Mehr Vista-Programme

Bei der Software sieht es ähnlich aus. Zu Beginn konnten sich lediglich 250 Anwendungen mit Microsofts Windows-Vista-Logo schmücken, inzwischen sind es zehnmal so viele. Die meisten Hersteller haben ihre Hausaufgaben gemacht und ihre Anwendungen an Vista angepasst. Auch wenn vieles davon schon vor SP1 verfügbar war, so präsentiert sich Vista SP1 insgesamt, trotz der neu aufgetretenen Probleme, als deutlich reiferes Betriebssystem.

Außerdem hofft man in Redmond wohl, dass der inzwischen ebenfalls verfügbare Windows Server 2008 zusammen mit SP1 Vista zum Durchbruch bei Unternehmenskunden verhelfen wird. Die beiden Betriebssysteme verfügen über den gleichen Kernel beziehungsweise dieselbe Codebasis. Um die Verwandtschaft mit Windows Vista SP1 zu unterstreichen, hat man sich sogar dazu hinreißen lassen, die Server-Variante Windows Server 2008 SP1 zu taufen - und das, obwohl das erste Service Pack für den Server noch lange nicht in Sicht ist. Ob das ungeschriebene Gesetz, vor dem Einsatz des neuen Systems auf das erste Service Pack zu warten, damit für Windows Server 2008 außer Kraft gesetzt werden kann, sei dahingestellt. (ws)