Lockvogel-Preise für schnelle Modems

17.03.1978

Klaus Rosenthal, freiberuflicher EDV-Journalist, Aschaffenburg

Eigentlich sind wir von der Deutschen Bundespost permanente Preissteigerungen gewohnt. Das traf und trifft dazu noch auf solche Bereiche zu, die ohnehin Jahr für Jahr erkleckliche Gewinne abwerfen,

Mit dem starken Aufkommen der Datenübertragung in immer komplexeren Verbundnetzen ist der Post ein neuer großer Kunde gleichsam in den Schoß gefallen. Allerdings war und ist bis heute keine Alternative zum Nachrichten-Monopolisten vorhanden. Und fairerweise muß gesagt werden, daß die in Form von Telefonleitungen verlegten Kupferbergwerke eigentlich nicht von der Post in die Erde versenkt worden sind, um Computerdaten zu befördern. Als jedoch das Übermitteln von digitalisierten Daten sich als hervorragendes Geschäft abzuzeichnen begann, hat die Post auch hier beherzt die Kassenlade weit geöffnet. Noch heute liegen die Kosten für DFÜ-Betreiber in unserem Lande so hoch, daß viele Firmen ihre kleineren Filialen aus Kostengründen nicht mit in ein Terminalverbundsystem einplanen.

Darüber hinaus hat die private Industrie mit modernen Modems Contendern und Zeitmultiplexern ganze Serien von intelligenten Kommunikationsgeräten entwickelt, die als DFÜ-Billigmacher gelten. Diesen Knowhow-Vorsprung mußte die Bundespost wohl oder übel akzeptieren. Deshalb entließ sie auch Anwender mit gemieteten Leitungen aus der postalischen Zwangsabnahme von Hochgeschwindigkeits-Modems und anderen intelligenten Datenübertragungseinrichtungen.

Diese Inkompetenz muß die Post offenbar schwer gewurmt haben. Nicht anders ist ein neues Leistungsangebot über Modems für die Transferraten 4800 und 9600 bit/sec. zu verstehen, das derzeit in der DFÜ-Branche rege diskutiert wird.

Die Neuigkeit ist nachzulesen im "Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen", Nr. 4, 1978. Dort sind in der "Zehnten Verordnung zur Äderung der Fernmeldeordnung" folgende Discountpreise angegeben:

Datenübertragungsgerät (Modem) für 9600 bit/sec. (synchron) mit Datensender, Datenempfänger und Taktgeber für Direktrufverbindungen: 355 Mark Monatsgebühr inklusive Wartung. 4800 bit/sec.-Modems kosten 255 Mark pro Monat.

Ein Preisbeispiel vom freien Markt zeigt, daß ein 9600 bit/sec. Modem inklusive Wartung im Zweijahresvertrag rund 1050 Mark kostet - eine fürwahr fürstliche Preissenkung, die uns nun von der Bundespost ins Haus steht.

Der Jubel über diesen Preissturz alt sich jedoch in Grenzen, wenn man die Konsequenzen der DBP-Partnerschaft etwas weiter projiziert. Das trifft besonders auf DFÜ-Anwender zu, die größere Netze aufgebaut haben. Ihnen wäre zwar eine, Ersparnis an den einzelnen Leistungsknoten gewiß.

Doch mit dem Aufstellen eines schnellen Modem-Pärchens auf der Sender- und Empfänger-Seite fangen ja die eigentlichen Raffinessen einer kostenmindernden Datenübertragung erst an. Erst hinter dem Modem beginnt die eigentliche "Musik" von raffinierten Schaltungen, Kanalaufteilungen, Geschwindigkeitsvariationen und anderen Trickschaltungen. Diese Hilfsmittel zur besseren Ausnutzung der Leitungen sind ausschließlich von den privaten Herstellern von Datenkommunikationsgeräten entwickelt worden. Die Post wird diesen Komfort nicht bieten, weil sie laut Angebot keine Mehrkanal-Modems vermieten wird.

Was der zukünftige Partner der Bundespost gleichermaßen vergessen muß, sind Testeinrichtungen zum Ausprobieren neuer Schaltungen sowie Remote-Steuerungen. Auch die in letzter Zeit neu entwickelten Network-Management-Konfigurationen, bei denen dezentrale Modems beobachtet und fehlerhafte aus dem Netz ausgesondert werden können, sind mit der Bundespost nicht möglich. Abgesehen davon, daß die Postler gar nicht über das entsprechende Knowhow der privaten Modem-Anbieter verfügen, bleibt die Frage offen, ob man überhaupt an einer Beratung des Kunden interessiert ist, die auf Gebührensenkung hinausläuft.

Mit der eingangs erwähnten Änderung der Fernmeldeordnung wird übrigens der DFÜ-Kunde an die Post gebunden, hat er sich einmal für den staatlichen Partner entschieden. Früher durfte er getrennte Anträge auf 4800 oder 9600 bit-Leitungen und entsprechende Modems vom Hersteller X stellen.

Die Post stellte die entsprechenden Leitungen zur Verfügung; der Kunde konnte sich auf dem freien Markt nach eigenem Gusto seine High-Speed-Modelle aussuchen. Mit dieser sinnvollen Aufgabenteilung soll es jedoch alsbald vorbei sein. Denn die Post faßt diese beiden Teile in einem Antragsbegriff zusammen. Dieser besagt, daß nur noch eine "Leistung", nämlich 4800 oder 9600 bit pro Sekunde Transferrate geliefert wird. Mit unpostalischen Worten: Der Anwender muß Leitung und Modem von der Post abnehmen, da das "Leistungsangebot" nicht gestückelt eingekauft werden kann.

Früher war es möglich, daß der Kunde bei zu häufigen Modem-Ausfällen die Geräte guten Gewissens und zumeist auch rechtens kündigen konnte. Auch das ist in dieser vom Wettbewerb bestimmten Form nicht mehr möglich. Mit der Post als Partner kann der Kunde wiederum nur das gesamte Paket kündigen. Effekt: Wenn die Modems weg sind, müssen die Leitungen gleich mitwandern.

Bereits früher ist die Post mit Modem-Lieferungen in Schwierigkeiten gekommen. Vor gut sechs Jahren argumentierte der staatliche Lieferant noch mit fehlenden freien Leitungen, obwohl Insider es besser zu wissen glaubten. Nach deren Meinung lag der Fehler allein bei Einkaufsdispositionen von Modems.

Dieses Mal will man offenbar diesen Fehler nicht wiederholen. Um den ersten möglichen Einkaufswellen begegnen zu können, wurden im Ausland rund eintausend Ericsson-Modems eingekauft.

Nicht verwunderlich wäre es, wenn die Post in einer zweiten Einführungsstufe die Gebühren für die High-Speed-Leistungen nochmals senken würde. Denn inzwischen haben die privaten Anbieter ihre derzeitigen Preise mit dem Rotstift neu kalkuliert. Man darf deshalb auch von dieser Seite mit Preissenkungen rechnen. Kein Wunder, leben doch manche Anbieter ausschließlich von solchen Geräten. Für einige dürften die Discountpreise der Post ausgesprochen existenzbedrohend sein. Doch deshalb wird kein DFÜ-Kunde den privaten Anbieter bevorzugen.

Die Frage stellt sich nur, ob die Post mit ihrem erweiterten Monopolanspruch sich nicht dem vom wiederholten Vorwurf aussetzt, den Fortschritt zu bremsen. Denn zu einem Leistungspaket gehört auch intensive Beratung, Aufzeigen von Alternativen, Kostensenkungsmaßnahmen und freier Wettbewerb. Selbst wenn jedoch die Post erklärte, sie würde und wird ihre Kunden in diesem Sinne ausreichend beraten, so darf man skeptisch sein, ob das gewachsene Knowhow der privaten Anbieter ihr durch eine bloße Änderungsverordnung zuwächst.

Bleibt dem noch unentschlossenen Anwender nur die Möglichkeit, sich noch schnell auf dem freien Markt Hochgeschwindigkeits-Modems einzukaufen, ehe es zu spät ist. Das gilt jedoch nur für den, der größere Netze betreibt. Der Anwender mit einer einzigen Leitung ist mit dem Discount-Angebot der Post gut bedient.

Und wer von den großen DFÜ-Anwendern den Verdrängungungswettbewerb der Post erkennt, der wird auch bereit sein, für mehr Komfort bei der Datenübertragung etwas mehr Geld zu zahlen.