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Lkw-Maut nach 100 Tagen vor neuen Bewährungsproben

08.04.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Gäbe es nicht die heftige Feinstaubdiskussion und die zunehmend direkt an Ortschaften vorbeidonnernden Schwerlaster - das seit Jahresanfang laufende Lkw-Mautsystem auf deutschen Autobahnen würde kaum noch wahrgenommen. Dabei war der Start des durch eine Pannenserie lange verzögerten Projekts nicht selbstverständlich. Nach lautem Getöse bis zum Beinahe-Scheitern Mitte Februar 2004 kommt der Erfolg nun auf leisen Sohlen - und den gebe es zum 100. Mauttag an diesem Sonntag tatsächlich, witzelte dieser Tage ein Verkehrsexperte: "Die Maut funktioniert, sonst würden nicht so viele Trucker auf unbemautete Nebenstrecken ausweichen."

"Das Mautsystem läuft", titelte auch der Betreiber Toll Collect in seinem Informationsdienst "unterwegs". Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) - in der langen Vorphase 2003 und Anfang 2004 wegen "zu lockerer Zügel" viel kritisiert - hatte bereits am 3. Januartag frohlockt: "Die erste Etappe haben wir gewonnen." Das satellitengestützte Mautsystem - Symbol für die neue innovative Kraft der Deutschen und Technik "Made in Germany" - funktionierte plötzlich. Eine technologische Blamage vor dem Ausland war abgewendet. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte Ende Februar 2004 die kurz zuvor von Stolpe ergebnislos geführten Nachverhandlungen mit dem Toll-Collect-Konsortium von DaimlerChrysler, Deutsche Telekom und Cofiroute doch noch zum Erfolg gebracht.

Im Zusammenspiel von Satelliten- und Mobilfunksignalen wurden die angemeldeten mautpflichtiger Lkw ab zwölf Tonnen Gewicht erfasst. Die befürchteten langen Schlangen, Staus an Grenzen und Tankstellen oder Raststätten blieben aus. Bis heute ist es nach Aussage von Toll Collect zu keinen großen Störungen gekommen. Allerdings bezweifelt ein Teil der Speditionsbranche immer noch die Richtigkeit mancher Abrechnung. Außerdem wird weiterhin vermutet, dass dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) und dem Kontrollsystem vergleichsweise viele ausländische Mautpreller durch die Maschen schlüpfen.

Anlässlich der 100 Tage wollen sich Stolpe, Toll-Collect-Chef Christoph Bellmer und BAG-Chef Ernst Vorrath an diesem Montag der Öffentlichkeit präsentieren. Für den dauerhaften Erfolg sind jedoch neben der technischen Funktionsfähigkeit des Systems mehrere Messlatten zu beachten. So müssen die Einnahmen zum dringenden Abbau des Verkehrsstaus verlässlich eingespielt werden. Vorgesehen sind für dieses Jahr drei Milliarden Euro, von denen 600 Millionen an den Betreiber abgezweigt werden. Nach jetzigem Verlauf werden sogar auch 3,5 Milliarden nicht ausgeschlossen.

Und vor allem muss die wichtige zweite Maut-Stufe der automatischen Erfassung zum 1. Januar 2006 stehen. Erst diese ausgereifte Softwareversion mit jederzeit flexibler Anpassung der Mauttarife und Mehrwertdiensten hat das Zeug, zum Exportschlager zu werden. Gerade auch für die Erfassung der Maut-Flüchtigen auf Bundesstraßen und die von Stolpe geplante Gebührenerhöhung für stark rußende Lkw ist die zweite Stufe der Technik erforderlich.

Ausländische Interessenten geben sich seit einiger Zeit die Klinke in die Hand. Bei einer ersten Ausschreibung in Großbritannien geht auch das deutsche System mit in den Wettbewerb. Über konkrete Geschäftsaussichten hält sich das Konsortium vorerst bedeckt. Finanziell sind Exportaufträge dringend erforderlich, denn nach der Pannenserie hat das Projekt schon Kosten von mehr als einer Milliarde Euro verursacht. DaimlerChrysler musste in seiner Bilanz 2004 eine Belastung von 472 Millionen Euro ausweisen. In Deutschland erwarten die Partner frühestens 2016, mit dem System Geld zu verdienen. (dpa/tc)