Unsicherheit bei den Herstellern von Erweiterungskarten:

Lizenz-Querelen um PS/2-Mikrokanal-Design

29.01.1988

München (CW) - Entwickler von Add-on-Karten für IBMs PS/2-Mikrokanal-Architektur müssen damit rechnen, demnächst Lizenzgebühren in sechsstelliger Höhe an den Inhaber eines Patentes für die automatische Rekonfigurierung abführen zu müssen. Das gleiche gilt für Hersteller von Systemen, die den Mikrokanal emulieren. Eine Verteuerung der betroffenen Produkte zeichnet sich ab.

Inhaber des Patents ist nicht etwa die IBM, sondern ein relativ unbekanntes kalifornisches Unternehmen namens Computer Automation Inc. Es besitzt nämlich Rechte an einem "automatischen modularen Adreßzuweisungssystem", wie es in der US-Patentschrift heißt (sieche CW Nr. 22/87, Seite 17). Ein solcher Zuweisungsmechanismus ist im Mikrokanal realisiert und besorgt die automatische Erkennung von Add-on-Boards. Computer Automation hat nun ein Lizenzprogramm ins Leben gerufen, welches saftige Gebühren für eventuelle Nutzer des Patentes vorsieht. "Jede Speicherkarte, die durch den Prozessor automatisch adressiert werden kann, ohne daß irgendwelche Schalter eingestellt werden müssen, arbeitet wahrscheinlich nach unserem Verfahren", meinte Computer-Automation-Geschäftsführer George Pratt.

IBM besitze nicht das Recht, eigene Sublizenzen für die Erfindungen von Computer Automation zu vergeben. Allerdings gebe es ein gegenseitiges Lizenzabkommen der beiden Unternehmen. "Nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand glauben wir nicht, daß potentielle Lizenznehmer in der Lage sein werden, PS/2-Clones oder Mikrokanal-kompatible Boards herzustellen, ohne unser Patent zu berühren", erläuterte Pratt.

Die Lizenzbedingungen von Computer Automation entsprechen nach Meinung eines mit der Angelegenheit befaßten Patentanwaltes den in der Branche üblichen Normen. Er sei auch nicht überrascht, daß IBM die Hesteller von Add-ons für die PS/2-Familie nicht auf mögliche Forderungen seitens Computer Automation aufmerksam gemacht habe. "Es besteht keine Verpflichtung, Vertragspartner vor Patenten Dritter zu warnen", sagte er. Andererseits habe Computer Automation von IBM mit 100 000 Dollar deutlich weniger verlangt als (stückzahlenbereinigt) von den jetzt zur Kasse gebetenen Unternehmen. Dies, so der Anwalt weiter, werde wahrscheinlich "einige negative Reaktionen" bei den Betroffenen auslösen.

In der Branche hat der Vorstoß gemischte Reaktionen hervorgerufen. Während viele Third-Party-Hersteller noch über ihre Rechtsabteilungen prüfen lassen, welche Chancen sie bei einem eventuellen Prozeß hätten, zeichnet sich nach einem Bericht des IDG News Service bereits ab, wer voraussichtlich die Kosten tragen wird: die Endabnehmer, und zwar über den Preis für die Add-ons.

Die IBM hat mittlerweile über einen Unternehmenssprecher klarstellen lassen, daß eine Computer- Automation-Lizenz keine ausreichende Berechtigung darstelle, PS/2-Clones zu bauen. "Der Mikrokanal ist eine reine IBM-Entwicklung", erklärte der Sprecher. Auf den Mikrokanal besitze sein Unternehmen das Copyright, ebenso wie auf das PS/2-Gesamtkonzept, und dafür werde IBM "keinesfalls" Lizenzen vergeben.