Linuxworld: Einfachheit macht stark

11.08.2005
Auch in den USA gewinnt der Linux-Zug an Fahrt. Nie zuvor gab es so viel Aufmerksamkeit.

Auch die amerikanische Wirtschaftspresse war voller Meldungen über die Konferenzmesse Linuxworld, deren zweite in diesem Jahr in San Francisco stattfand. Alles, was mit Linux zu tun hat, macht Schlagzeilen. Allem Anschein nach hat sich in den USA während der letzten Monate einiges getan.

Neuheiten

Hewlett-Packard bringt Linux-Versionen seiner Antivirenlösung "Virus Throttler" und des "Proliant Essentials Intelligent Networking Pack", einer Softwaresuite zur Steigerung der Netzleistung, auf den Markt. Die Produkte waren bisher nur für Windows erhältlich und laufen jetzt auch auf Red-Hat- und Suse-Linux.

Open-Xchange Inc. bietet ein kostenloses Tool zur Migration vom Groupware-Server Suse Linux Openexchange (SLOX) auf den Open-Xchange Server 5 an. Als Server-Betriebssystem können die Anwender nicht nur Suse Linux Enterprise Server 9, sondern auch Red Hat Enterprise Server 4 einsetzen. Der "SLOX2OXtender" migriert automatisch sämtliche Nutzer- und Konfigurationsdaten auf das neue System.

Scalix bietet eine kostenlose "Community Edition" seines E-Mail- und Kalender-Servers für Linux. Doch dem fehlen einige für Unternehmen wichtige Dinge wie Unterstützung von Microsoft Outlook, Gruppenkalender und öffentliche Ordner. Dieses sowie Migrationshilfen und Support bleiben der kommerziellen "Enterprise Edition" vorbehalten.

Business Objects hat Linux-fähige Versionen seiner Business-Intelligence-Lösungen "Business Objects XI" und "Crystal Reports Server XI" freigegeben.

Das Startup Enterprise DB macht die Open-Source-Datenbank "Enterprise DB 2005" verfügbar. Sie ist eine Weiterentwicklung von PostgreSQL, soll aber eine bessere Performance bringen und kompatibel zur Oracle-Datenbank sein. Die Enterprise-Software ist geeignet für Linux, Windows, Solaris sowie Mac OS X und läuft auf 32- und 64-Bit-Prozessoren von Intel und AMD.

Platform Computing präsentierte den "Enterprise Grid Orchestrator" (EGO), der als zentrales Management-System für Applikationen in einem unternehmensweiten Grid dienen soll. Der Anbieter will demnächst ein kostenloses Software-Development-Kit veröffentlichen, um Entwicklern bei der Integration von Anwendungen zu helfen.

Red Hat konzentriert sich zunehmend auf Sicherheit. Neu ist das "Red Hat Certificate System", ein Authentifizierungssystem, das Smartcards verwendet, um den Zugang zu IT-Ressourcen zu erlauben.

Patent-Pool

Die Open Source Development Labs (OSDL), eine Industrievereinigung zur Förderung von Linux, haben die Initiative "Patent Commons" gestartet. Nach Abschluss der Vorbereitungsarbeiten soll eine Art Patent-Pool entstehen. In ihm sollen alle Patente und die auf ihrer Grundlage vergebenen Lizenzen gesammelt werden, die Firmen wie IBM, Nokia,

Novell, Red Hat und Sun Open-Source-Projekten zur freien Verwendung überlassen haben. Entwickler hätten so die Möglichkeit, sich in einem Repository schnell Überblick über frei verwendbare Techniken zu verschaffen.

Mehr zum Thema

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*79425: Neue GPL;

*79288: Freigabe von Suse Linux Professional;

*79569: IBMs Grid and Grow;

*79609: IBMs Branchenorientierung;

*79626: OSDL Patent Commons.

So zeigte sich Oracles Co-President Charles Phillips unverblümt verwundert. Besonders in den letzten zwölf Monaten sei der Run auf das Open-Source-Betriebssystem spektakulär gewesen. Die Überraschung sei, dass eine große Zahl von Kunden schon Linux-Systeme für den Betrieb von Datenbanken und Java-Applikations-Servern nutzen. Er hatte ursprünglich erwartet, dass die Kunden Linux zuerst in kleineren Testumgebungen, danach für Applikations-Server und erst später für Datenbanken verwenden würden.

Bald jeder Zweite auf Linux

Derzeit betreiben, so Phillips, 20 Prozent der Kunden Oracle-Produkte auf Linux-Basis. "Ich glaube, über 50 Prozent unserer Kunden werden Linux in den nächsten fünf Jahren verwenden, vielleicht auch früher."

Die amerikanischen Anwender haben sich offenbar in den letzten Jahren mit Linux bekannt gemacht. Und die IT-Anbieter spüren, dass jetzt größere Entscheidungen anstehen. Bemerkenswert ist das Verhalten der Risikokapitalgeber, die offenbar in Linux-orientierten Startups das Geschäft der Zukunft wittern. Sie haben laut Dow Jones Venture One im vergangenen Jahr 290 Millionen Dollar in neue Open-Source-Firmen investiert.

Ende der Steinzeitwerkzeuge

Ein Liebling der Investoren ist beispielsweise Splunk Technology; denn die Firma könnte für Administratoren einmal das sein, was Google für Otto Normalsurfer ist. Das Unternehmen bietet eine Suchmaschine an, die Log-Files nach variablen Kriterien und Begriffen durchsucht. So lassen sich die Hinweise auf Ursachen von Systemproblemen schneller finden als mit den oft selbst entwickelten "Steinzeitwerkzeugen", wirbt Splunk. Das Produkt ist kostenlos; eine leistungsfähigere kommerzielle Version mit Support wird später in diesem Jahr erscheinen.

Interessanterweise tauchen wieder vermehrt Softwarehäuser auf, die ihre Anwendungen kostenlos vertreiben und auf Lizenzeinnahmen verzichten, dafür aber mit Services und Updates überleben wollen. Solche Unternehmen waren zur Jahrtausendwende noch reihenweise Bankrott gegangen. Ein Beispiel für das Revival ist SugarCRM, dessen Programm zum Management von Kundenbeziehungen schon im ersten Jahr des Firmenbestehens 275 000-mal kostenlos heruntergeladen wurde.

Das Schwergewicht der Linuxworld hat sich verlagert. Nicht mehr Linux-Distributionen, der Web-Server Apache, die Datenbank MySQL oder Programmiersprachen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Viel wichtiger sind Applikationen - speziell als Bündel mehrerer Anwendungen, möglichst auch noch mit passender Hardware.

So unterstützt Dell auf den "Poweredge"-Servern 830 und 850 mit Dual-Core-Intel-Prozessoren nicht nur Linux von Red Hat und Novell-Suse. Die Kunden können auch gleich MySQL und den Applikations-Server Jboss im Bundle mitbekommen. Im Preis der getesteten Systeme ist der Support durch MySQL Network und Jboss Network enthalten.

Mehr Komplettpakete

IBM offeriert erstmals mit "Grid and Grow" ein variables Paket aus Blade-Servern, Betriebssystemen, Administrations-Tools aus eigener Entwicklung und von anderen Softwarehäusern sowie Support und Services. Das sehr preisgünstige Angebot soll vor allem zur besseren Kenntnis dieser Rechnerverbünde beitragen. "Grid hat die Aura der Komplexität", erläuterte Al Bunshaft, IBMs Grid-Chef, "und wir wollen die Komplexität beseitigen."

Big Blue hat außerdem mit der "wichtigsten Neuausrichtung seit der ersten großen Linux-Initiative vor fünf Jahren" nachgelegt. Das Unternehmen will nicht mehr einfach zahlreiche Hard- und Softwareprodukte nach technischen Plattformen ausgerichtet anbieten. Vielmehr stellt es das eigene Portfolio und Angebote von anderen Anbietern zu branchenspezifischen Paketen von betriebswirtschaftlich orientierten Lösungen zusammen. Big Blue konzentriert sich auf 17 Branchen, darunter Luftfahrt, KFZ, Banken, Elektronik, Energie, Finanzmärkte, öffentliche Verwaltung, Gesundheitswesen, Versicherungen, Handel, und Telekommunikation.

Linux und entsprechende Anwendungen zu installieren und zu betreiben ist für Kenner kein Problem. Schwieriger wird es schon, aus dem inzwischen sehr breiten Angebot aus mehr als 100 000 Open-Source-Projekten, die zum Teil auch noch an ähnlichen Problemen arbeiten, die passenden Produkte auszuwählen. Noch schwieriger wird es, bei neuen Releases einzelner Anwendungen die Kompatibilität mit anderen Programmen zu überprüfen. Dieses Problem wird umso größer, je mehr Unternehmen und Verwaltungen sich für Open-Source-Software interessieren, denn vielerorts fehlt es am notwendigen Wissen.

Services für IT-Umgebung

In diese Lücke springen Dienstleister wie Spikesource aus Redwood City und Sourcelabs aus Seattle, die sich bisher auf den US-amerikanischen Markt konzentrieren. Beide Unternehmen bieten umfassende Informationen über Open-Source- und Linux-fähige kommerzielle Anwendungen. Anwender können aus ihnen eine Auswahl treffen und erfahren, ob und in welchen Releases mit welchen Bugfixes und auf welcher Hardware etc. diese miteinander harmonieren. Die Anwendungen sind entsprechend getestet.

70 Open-Source-Programme lassen sich bei Spikesource gleich kostenlos herunterladen. Um es einfacher zu machen, bietet das Serviceunternehmen sieben Software-Stacks mit den am häufigsten nachgefragten Applikationen. Wer Support haben will und per Abo - natürlich zuvor getestete - Updates beziehen möchte, zahlt für diese Dienstleistung.

Solche Angebote schaffen Linux- und Open-Source-Interessierten einen hervorragenden Überblick und geben die Sicherheit, in kurzer Zeit zu funktionsfähigen IT-Umgebungen zu kommen. Das ist gerade für die weniger Linux-erfahrenen US-amerikanischen Anwender wichtig. Es erleichtert die Verbreitung quelloffener Software.