Dienstleister und Anwenderunternehmen suchen unterschiedliche Mitarbeiter

Linux-Profis sind gefragt

12.03.2004
Das Interesse an Linux und Open Source steigt kontinuierlich - und das nicht erst, seitdem sich große Metropolen wie München, Paris und Rom zu den offenen Systemen bekannt haben. Damit sind auch Spezialisten gefragt, die sich in diesem Umfeld auskennen. Anwenderfirmen suchen eher Experten, die auch Unix- und Windows-Know-how mitbringen, Dienstleister dagegen wollen die jungen, auf der Hochschule mit Open-Source-Wissen "infizierten" Informatikprofis.Von Winfried Gertz*

Nicht nur Behörden, auch Anwenderunternehmen denken zunehmend über die Alternative Linux nach. "Sie haben von der belastenden Lizenzpolitik einiger Hersteller genug", sagt Silke Selting, Personalleiterin der Bremer Internet-Agentur Artundweise GmbH. Für Firmen wie Kraft, Kellogs und Becks entwickelt Artundweise Web-Lösungen und sucht dank einem guten Auftragspolster Informatiker mit hervorragenden Java- und Linux-Kenntnissen. Wer Datenbanksysteme wie PostgreSQL beherrscht, eigenständig Klassen schreiben kann und mit der Einrichtung von J2EE-Web-Applikationen und -Servern vertraut ist, kann gleich loslegen. "Unsere Kunden wollen wissen, ob wir gute Linux-Experten beschäftigen. Oft ist damit sogar die Auftragsvergabe verbunden", skizziert Selting das Verhalten ihrer Klientel.

Bei der Entscheidung, ihre Systeme auf Linux zu migrieren, geben Unternehmen der quelloffenen Alternative nicht nur deshalb den Vorzug, weil ihr der Ruf des "Billigheimers" vorauseilt. Gartner-Studien zufolge wollen IT-Manager den Bestand der unter Linux laufenden Web- und Datenbank-Server um ein Fünftel erhöhen, um Kosten zu senken, zugleich aber die Sicherheit ihrer Systeme zu verbessern und sich aus der Abhängigkeit von übermächtigen Lieferanten befreien. Quelloffene Systeme erlauben ihnen, Fehler im Code aufzuspüren, statt sich "im Nirwana der Windows-Welt" zu verlieren, urteilt Selting.

Daraus erwächst ein Qualifikationsbedarf, der weit über die bloße Systemadministration hinausreicht. Gesucht sind Experten, die anspruchsvolle Aufgaben meistern können: Beim Augsburger Weltbild-Verlag beispielsweise optimieren Informatiker die Datenbankarchitektur, entwickeln neue Suchmaschinen oder tunen den Apache-Web-Server. Sie kennen sich mit Oracle und SQL Server aus, beherrschen die Programmierung mit Java und C++ und sind mit der Script-Sprache Perl vertraut. Ein vergleichbares Profil sollte den Systemingenieur auszeichnen, der bei der Münchner Filmproduktionsfirma Framepool GmbH anheuert. Neben der Leidenschaft dafür, dass am Ende der fehlerlose Film "aus dem Server schnurrt", kommen laut Chief Operating Officer Götz Schmidt-Bossert für die Pflege und Weiterentwicklung des digitalen Filmproduktionssystems nur Bewerber in Frage, die bereits als Linux-Administratoren gearbeitet haben, im Datenbank- und Speicher-Management zu Hause sind und mit modernen Multimedia-Systemen umgehen können.

Solide Ausbildung gefragt

Die Nachfrage nach IT-Experten, wie sie Artundweise, der Weltbild-Verlag und Framepool suchen, nimmt zu. Ein Blick in die einschlägigen Jobbörsen bestätigt den Trend. Bei näherem Hinsehen indes ergeben sich einige Unterschiede. In Anwenderunternehmen wird der Linux-Spezialist eher für administrative Tätigkeiten gesucht und sollte in der Unix- und der Windows-Welt gearbeitet haben. Dabei bekommen auch Quereinsteiger ihre Chance, vorausgesetzt, sie können eine Linux-Zertifizierung vorweisen. Die Linux-Dienstleister dagegen wollen Informatiker mit abgeschlossenem Studium, die mit modernen Sprachen und Entwicklungswerkzeugen vertraut und bereits während der Ausbildung auf Open-Source-Terrain vorgestoßen sind.

Als Folge der traditionell verbreiteten Unix-Orientierung integrieren immer mehr Hochschulen Open-Source-Projekte in den Lehrplan. Kein Wunder, dass Firmen, die Linux-Experten suchen, besonders darauf achten, an welcher wissenschaftlichen Einrichtung Bewerber studiert haben. "Bei der technischen Ausstattung der Hochschulen gibt es große Unterschiede", beobachtet Martin Heller, Geschäftsführer der Konstanzer IN -Integrierte Informationssysteme GmbH. Es haben sich bereits einige Unis wie Erlangen/Nürnberg, Darmstadt, Kaiserslautern und Chemnitz als "Linux-Hochburgen" etabliert. Wer dort studiert hat, kann sich beispielsweise als "Software Engineer" beim Konstanzer Softwarehaus bewerben - vorausgesetzt, er ist mit Java, J2EE und JSP vertraut und vermag Erfahrungen mit Tomcat, Apache und Jboss vorzuweisen.

Multiple-Choice-Tests sagen wenig aus

Solche Kompetenzprofile gehen weit über das einschlägige Zertifizierungsangebot des Linux Professional Instituts (LPI) hinaus, das vor allem Wissen mit einem Multiple-Choice-Test abfragt. Insbesondere Quereinsteiger, die sich meist autodidaktisch vorbereiten, versprechen sich von den Zertifikaten, als Administrator oder zumindest als Trainer unterzukommen. Doch die Aussichten sind schlecht. "Das Angebot an Linux-Administratoren ist größer als die Nachfrage", sagt Angelo Zenz, Chef der Münchner Datenverarbeitungs- und Management Consulting GmbH (DMC). "Daher ist auch die Bezahlung nicht außergewöhnlich." Trotzdem erwartet Zenz, dass das Thema Open Source weiter anziehen dürfte, vor allem, "wenn sich Linux auf dem Desktop gegen Windows besser durchsetzt".

Die Nachfrage von Schulungsteilnehmern nach Linux-Zertifizierungen - von Red Hat einmal abgesehen - geht langsam zurück, wie Axel Stadtelmeyer, Geschäftsführer der Münchner Tria IT-Training GmbH, einem Schulungspartner von Suse, beobachtet. Er erwartet, dass erfahrene Spezialisten für HP-UX, AIX oder SCO Unix "der nahe liegende Rekrutierungspool" für Linux-Experten sein werden. Tria hat 2003 knapp 500 Personen in Sachen Linux weitergebildet.

Auch DMC-Chef Zenz hält nicht viel von Zertifikaten. Obwohl die Firma einige Linux-Spezialisten einstellt, "haben wir noch keinen zertifizierten Computerfachmann genommen". (hk)

*Winfried Gertz ist freier Journalist in Starnberg.