Open Source im RZ

Linux öffnet Mainframes den Markt

15.09.2008
Von 
Jan Schulze ist freier Autor in Erding bei München.
Mit dem Open-Source-Betriebssystem erschließen sich den lange als Dinosaurier verschrienen Großrechnern neue Einsatzgebiete.

Kaum eine Technologie wurde in den vergangenen Jahren so oft für tot erklärt wie die Mainframes. Doch trotz aller Grabreden erfreuen sich die Big Irons bester Gesundheit und gehören zu den Kernkomponenten vieler Rechenzentren. Linux hat sich zu einem zentralen Bestandteil der Großrechner entwickelt, der den Maschinen neue Einsatzgebiete erschließt. Die Kombination aus einem Open-Source-Betriebssystem und einer hochgradig proprietären Hardwareplattform scheint dabei nur auf den ersten Blick unpassend. Tatsächlich lassen sich mit Linux auf Mainframes des System z von IBM die Tugenden beider Welten zu einer für viele Einsatzgebiete geeigneten Umgebung verbinden.

Linux oder z/OS?

Aus technischer Sicht nimmt Linux heute auf dem Mainframe eine gleichberechtigte Position gegenüber dem klassischen Großrechner-Betriebssystem z/OS ein. Es wird in der Regel auf Basis des Virtualisierungs-Layers z/VM betrieben und kann damit unabhängig von z/OS existieren. IBM stellt für reine Linux-Workloads ausgelegte Prozessoren - die "Integrated Facilities for Linux" (IFL) - bereit, die bei gleicher Leistung deutlich günstiger als Standardprozessoren für z/OS sind. Das Open-Source-Betriebssystem verfügt über vollen Zugriff auf die Hardwaremerkmale der Plattform. Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen Mainframe-Linux und Linux auf anderen Plattformen wie etwa Intel-basierenden Servern gering. Laut Jens-Gero Boehm, Alliances Manager Central Europe beim Suse-Linux-Anbieter Novell, sind mehr als 95 Prozent der Funktionen identisch.

Technologien ergänzen sich

Damit löst die Verbindung von Linux mit dem Mainframe eine Reihe von Problemen, die jede Technologie für sich genommen hat: Großrechner gelten oft als kompliziert und veraltet, vor allem der IT-Nachwuchs kann sich nur schwer für die großen Eisen begeistern. So ist es für Unternehmen zunehmend schwierig, Personal für die unternehmenskritischen Systeme zu finden. Gleichzeitig trauen zahlreiche Organisationen Linux den Einsatz in hochkritischen Umgebungen noch nicht zu, wo Verfügbarkeit und Sicherheit wichtiger sind als die reinen Kosten. In der Kombination jedoch beseitigt jede der beiden Komponenten die vermeintlichen Schwächen der anderen: Linux bringt nicht nur neue Technologien auf den Host, sondern senkt auch die Hemmschwelle für den Nachwuchs, sich mit der Technik zu befassen. Denn das allgemein verfügbare Linux-Know-how lässt sich uneingeschränkt auf den Großrechner übertragen. Linux wiederum kann bei kritischen Workloads auf die Fähigkeiten der System-z-Architektur zurückgreifen. "Linux profitiert bezüglich Hochverfügbarkeit und der Sicherheit von den Vorteilen der Mainframe-Hardware", erklärt Boehm.

Die Domäne der Mainframes sind unternehmenskritische Anwendungen. Typische Workloads sind ERP-Systeme und Datenbanken. Daran hat sich durch die Portierung von Linux zunächst nichts geändert. Sowohl SAP als auch Oracle haben ihre ERP-Systeme bereits seit einiger Zeit für den Einsatz auf Mainframe-Linux freigegeben und zertifiziert. Der Linux-Mainframe bietet sich damit als Konsolidierungsplattform im ERP-Umfeld an: In der Regel werden Datenbanken und Applikationen auf dedizierten Systemen betrieben. Die Kommunikation zwischen den Servern erfolgt dabei über das Netzwerk. Werden alle Instanzen hingegen auf einem Großrechner betrieben, entfällt dieser Flaschenhals. Denn das Netzwerk ist zum einen nur für eine relativ niedrige Übertragungskapazität ausgelegt, zum anderen bieten die Netzwerkkomponenten viel Angriffsfläche für Hacker. Der Mainframe hingegen erledigt die komplette Kommunikation zwischen Anwendungen und Datenbank systemintern über "Hypersockets" - mit deutlich schnelleren Datenwegen und unangreifbar für Unbefugte. Gleichzeitig sind die einzelnen Instanzen durch die Virtualisierungstechniken, die beim Mainframe seit langem ein elementarer Bestandteil sind, sicher voneinander getrennt. Dadurch können auch Test- und Produktivumgebungen auf derselben physikalischen Maschine betrieben werden. Somit steht für die gesamte ERP-Infrastruktur eine einheitliche Plattform bereit, die zudem beim Umgang mit zahlreichen Usern deutlich leistungsstärker ist als Standard-Server. Auch ist die Energiebilanz eines Mainframes wesentlich günstiger als die einer ähnlich leistungsstarken verteilten Umgebung - in Zeiten rapide steigender Energiekosten ein gewichtiger Aspekt.