Desktop-Initiativen beherrschen US-Messe Linuxworld

Linux-Lager bläst zum Angriff auf Microsoft

30.01.2004
MÜNCHEN (CW) - Offziell überwogen die moderaten Töne, doch die zahlreichen Ankündigungen auf der Messe Linuxworld in New York sprechen eine deutliche Sprache: Die Open-Source-Gemeinde bläst zum Generalangriff gegen Microsoft, sowohl auf dem Server als auch auf dem Desktop.

"2004 wird das Jahr, in dem Linux auf dem Enter- prise Server zum Mainstream wird", proklamierte Novell-CEO Jack Messman in seiner Eröffnungsrede zur Linuxworld in New York. "Und wenig später werden Business-Anwender - nicht nur die technischen User - mit der Umstellung auf Linux-basierende Desktops beginnen."

Die Übernahmen von Ximian und Suse Linux haben das alteingesessene Softwarehaus in die Open-Source-Welt katapultiert. Nach der Lesart Messmans steht dieser Wandel den meisten Anbietern und Kunden bevor: "In diesem Jahr wird Linux ins Herz der Unternehmen eindringen."

Viel Zeit verwendete der Manager darauf, seinen Glauben an das Open-Source-Modell unter Beweis zu stellen. Novell sei nun ein Mitglied der Open-Source-Community und werde dieser mehr geben, als die Netzwerk-Company zurückerhalte. Am quelloffenen Entwicklungsmodell werde man nicht rütteln: "Suse Linux und Ximian würden das nicht zulassen. Wir haben sie aufgekauft, aber sie weisen uns den Weg."

Wichtiger als solche vertrauensbildenden Maßnahmen dürfte für IT-Verantwortliche eine andere Ankündigung Messmans gewesen sein. Novell werde Lücken im Open-Source-Portfolio schließen, mit dem Ziel, eine Desktop-Umgebung zu schaffen, die mit Windows und Unix konkurrieren kann. Damit hatte der Unternehmenschef eines der beherrschenden Themen der diesjährigen Linuxworld angeschnitten: Linux auf dem Desktop. Zwar konnten Besucher wie gewohnt zahlreiche Neuigkeiten für den Server-Einsatz im Unternehmen erfahren, doch eine ganze Reihe von Herstellern präsentierte Produkte rund um die Nutzung von Open-Source-Programmen auf Desktop- und mobilen PCs.

Sun in der Offensive

Neben den Novell-Marketiers bemühte sich besonders Sun Microsystems um das Image eines bedeutenden Lieferanten von Linux-basierenden Desktop-Lösungen. Ein Kernstück bildet die nächste Version des Java Desktop System (JDS), die der Anbieter künftig mit zusätzlichen Verwaltungsfunktionen für Benutzereinstellungen ausstattet; ebenfalls auf der Agenda steht eine Java-basierende 3D-Benutzeroberfläche, die Sun unter dem Codenamen "Project Looking Glass" entwickelt. Auch hardwareseitig gehen die Kalifornier in die Offensive. Linux soll insbesondere für die bislang mäßig erfolgreichen Thin Clients der Reihe "Sunray" zur Plattform der Wahl werden.

Dass Novell und Sun mit ihren Desktop-Angeboten keineswegs alleine stehen, zeigte die Linuxworld eindrucksvoll. So stellte etwa Linux-Veteran Bruce Perens die Vorteile der Initiative User Linux heraus, die auf der freien Debian-Distribution basiert. Auch HP sieht offenbar Marktchancen für Linux auf dem Desktop. Neue Thin Clients in Form von Diskless Workstations bestückt der Konzern mit Software des Linux Terminal Server Project (LTSP).

Arbeitsgruppe Desktop Linux

Unterstützung erhalten Anbieter wie Nutzer durch die Nonprofit-Organisation Open Source Development Labs (OSDL). Sie richtete eine Desktop Linux Working Group ein, die sich unter anderem um Spezifikationen und Referenzimplementierungen für Linux auf Client-Systemen kümmern soll. Zu den Protagonisten für Linux auf dem Desktop zählten in New York aber auch eine Reihe kleinerer Anbieter. So offerierte etwa die Firma Xandros für 129 Dollar einen Business Desktop, der sich besonders einfach bedienen lassen soll.

Der neue Linux-Kernel 2.6 samt zugehörigen Updates spielte dagegen eher im Zusammenhang mit Server-Software eine Rolle. Mit Features wie der besseren Unterstützung von Multiprozessorsystemen sehen nicht wenige das Tor zu großen Enterprise-Installationen aufgestoßen. Dazu wollen auch die kommerziellen Anbieter beitragen. IBM beispielsweise zeigte eine Linux-Variante ihrer DB2-Datenbank, die bereits Kernel 2.6 nutzt

Geschäftspartner Red Hat hat sich offenbar das Thema Utility Computing auf die Fahne geschrieben. Der Linux-Distributor stellte einen Dienst vor, über den Kunden via Fernwartung Linux-Server aufsetzen und konfigurieren können. Der "Provisioning-Service" ist Teil des eigenen Supportprogramms Red Hat Network. Produkte für das System-Management standen zudem bei etlichen spezialisierten Ausstellern im Vordergrund, darunter etwa die kalifornische Cyclades Corp., die mit einer Linux-basierenden Management-Konsole für Rechenzentren um Kunden buhlte.

Für Aufsehen sorgte die Ankündigung IBMs, Windows-NT-Nutzer mit einem breiten Unterstützungsprogramm zum Umstieg auf Linux zu bewegen. Dass Microsoft die vielfältige Bedrohung ernst nimmt, zeigte die Präsenz des Softwaremultis auf der Messe. Martin Taylor, General Manager Platform Strategies, betonte die Vorzüge der hauseigenen Produkte. Dazu zählten neben Qualität und Sicherheit auch die Rechtssicherheit - ein Thema, das nach der Milliardenklage von SCO gegen IBM auch in New York diskutiert wurde. (wh)

United Linux am Ende

Eine nicht ganz unbedeutende Personalie zählte zu den Überraschungen der Messe. Paula Hunter, vormals General Manager des United-Linux-Konsortiums, wird künftig für die OSDL arbeiten. Wie die Managerin in einem Interview bestätigte, existiert United Linux nur noch auf dem Papier. Die im Mai 2002 gegründete Vereinigung aus Suse Linux, SCO Group (vormals Caldera), Conectiva und Turbolinux war angetreten, um eine standardisierte Variante des Open-Source-Betriebssystems zu schaffen. Mit der SCO-Klage gegen IBM und der Übernahme von Suse durch Novell verschlechterten sich die Voraussetzungen dafür nachhaltig. Vieles spricht dafür, dass sich die OSDL nun zu einem bedeutenden Steuerungs- und Koordinierungsgremium in der Open-Source-Welt entwickeln. Etliche Industriepartner wie IBM, HP, Fujitsu oder Dell sind bereits im Boot; Linux-Initiator Linus Torvalds heuerte im Juni 2003 bei der Organisation an.