Linux-Kernel 2.6: Kampfansage an Unix

08.06.2004
Von Jürgen Quade

Technisch hat erst Kernel 2.6 udev ermöglicht. Es benötigt nämlich das Gerätemodell, eine neue Komponente dieses Kernels. Im Gerätemodell sind die Informationen über die Geräte sowie über die Verschaltung der Geräte (die physikalische Struktur der Hardware) und der zugehörigen Treiber abgelegt. Anwender und Administratoren können auf diese Information über das neue Sys-File-System, die externe Repräsentation des Gerätemodells, zugreifen. Das Sys-File-System ist - ebenso wie das Proc-File-System - ein virtuelles Dateisystem, bei dem die Informationen dynamisch (also erst beim Zugriff) erzeugt werden und nicht statisch auf einem Hintergrundspeicher wie beispielsweise der Festplatte abgelegt sind.

Großes Potenzial im Gerätemodell

Das Gerätemodell war ursprünglich entwickelt worden, um ein funktionierendes Power-Management zu ermöglichen. Denn kennt man die physikalische Verschaltung der Geräte an den Bussystemen, lassen sich die einzelnen Komponenten bei Bedarf von außen nach innen abschalten. Dabei haben die Entwickler schnell erfasst, welch großes Potenzial die Technik bietet. Es gilt als sicher, dass das neue Gerätemodell in den folgenden Kernel-Versionen eine zentrale Rolle spielen wird.

Und wo bleibt der Desktop? Andrew Morton, Maintainer des 2.6er Kernels und rechte Hand von Linus Torvalds, konstatiert: "Wir haben Server-seitig sehr viel Arbeit investiert, dort war es am notwendigsten. Für Desktops musste nicht viel getan werden. Kernel 2.4 war in dieser Hinsicht bereits ausgezeichnet - abgesehen von der Geschichte mit den Applikationen." Durch kürzere Antwortzeiten, die Interaktivität und das Geräte-Management profitiere jedoch auch der Desktop vom neuen Kernel, so Morton.

In erster Linie hat Kernel 2.6 allerdings eines bewiesen: Unternehmenstauglichkeit. Geht es um unternehmenskritische Anwendungen, spielt Linux mittlerweile in der gleichen Liga wie kommerzielle Unix-Varianten und dürfte für deren Anbieter zu einer echten Bedrohung werden. Kernel 2.6 hat das Fundament für den Einsatz im Datacenter, als Web-Server oder File-Server verbessert - ein Trend, der sich noch verstärken wird. Darüber hinaus wird sich das Bemühen der Entwickler, in den Embedded-Markt vorzudringen, fortsetzen.