Kolumne

"Linux - die Ideologen haben das Wort"

08.02.2002
Heinrich Vaske Chefredakteur CW

Ideologische Aspekte spielten in der IT schon immer eine Rolle. Viele Anwender, ob Laien oder Profis, haben ihre Weltanschauung. Apple oder Wintel, Mainframe oder Unix, kommerzielle oder freie Software - das sind nur wenige Beispiele für Fragen, an denen sich die Geister scheiden.

In letzter Zeit schlägt die ideologische Diskussion allerdings irritierend hohe Wellen. Es geht um Linux. Quelloffen und kostenlos - diese Vorzüge sprechen für das Betriebssystem, und sie sind zweifellos so überzeugend, dass sich Anbieter, die auch morgen noch an Betriebssystem-Lizenzen verdienen wollen, ernsthaft Gedanken machen müssen.

Trotzdem ist festzuhalten, dass sich der praktische Linux-Einsatz in den meisten Unternehmen nicht ohne Grund noch auf Nischen beschränkt. Nur weil Linux in einem offenen Entwicklungsprozess entstanden und kostenlos erhältlich ist, handelt es sich - trotz aller Fortschritte - nicht in jedem Anwendungsfall um das bessere, sicherere und unter Gesamtkostenaspekten preiswertere Betriebssystem.

Praktiker, die sich ihre Objektivität bewahrt haben, wissen das, doch sie haben einen zunehmend schweren Stand. Sie müssen sich nicht nur gegen ihre hausinternen Controller, sondern auch gegen die Marketing-Maschinen von Herstellern wie IBM, Hewlett-Packard oder Oracle (siehe Seite 18) argumentativ behaupten.

Doch das ist noch nicht alles: Wer es wagt, Linux öffentlich in Frage zu stellen und stattdessen Microsoft-Produkte vorzieht, ist heftigsten Reaktionen bis hin zu Anfeindungen ausgesetzt. Er macht sich, folgt man den Ausführungen auf der Website bundestux.de, sogar einer antidemokratischen Gesinnung schuldig. Auf der Site tummeln sich Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und politischer Parteien, die Linux im Deutschen Bundestag durchsetzen möchten. Dort heißt es sogar, es gebe die "demokratische Pflicht eines Staates, auf Freie Software zu setzen".

Mit Verlaub: Wenn es in Sachen IT überhaupt Pflichten für einen demokratischen Staat gibt, dann doch wohl nur die, für eine funktionierende und kosteneffiziente Verwaltung zu sorgen. Was sich hier einige Linux-Eiferer gemeinsam mit Politikern aller Fraktionen leisten, ist ein schlechter Witz. Ihnen geht es weder um technische Argumente noch um Kosten-Nutzen-Erwägungen im Sinne des Bürgers. Es geht um Bevormundung - und um Wahlkampf. Eine objektive Entscheidung zugunsten der unter Preis-Leistungs-Aspekten bestmöglichen IT-Infrastruktur kann unter diesen Umständen schon fast nicht mehr fallen. Wir werden sehen, was in ein paar Jahren der Bundesrechnungshof dazu zu sagen hat.