Linux auf dem Desktop weckt Interesse

22.05.2003
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Linux-Desktop-Angebot: Suse ist der einzige Linux-Distributor mit einem dedizierten Desktop-Angebot, dem „Suse Linux Office Desktop“ und der künftigen Version „Enterprise Desktop“. Die Pakete umfassen neben dem Betriebssystem, den Benutzeroberflächen „KDE“ und „Gnome“ und dem „Mozilla“-Browser eine Palette von typischen Büroanwendungen. Hinzu kommt die „Crossover“-Software von Codeweavers, mit der sich etliche - aber nicht alle - Windows-Anwendungen aus Linux starten lassen. Außerdem umfasst es den „Acronis OS Selector“, ein Partitionierungswerkzeug für das wechselweise Arbeiten mit Windows und Linux.

Sun wollte eigentlich ein Paket aus PCs, Servern, eigener Linux-Version und Office-Anwendungen schnüren. Das ist seit der Einstellung der eigenen Distribution auf die lange Bank geschoben. Red Hat hat schon mehrmals erklärt, sein Angebot in Richtung Clients ausbauen zu wollen. Chief Executive Officer und President Matthew Szulik befand: „Das Linux-Phänomen auf den Servern weitet sich auf die Desktops aus.“ Ende letzten Jahres kündigte Red Hat an, zusammen mit Oracle das Angebot für Clients verbessern zu wollen. Herausgekommen ist dabei bisher nichts. Red Hats „Enterprise Linux 3 Workstation“ ist eher für anspruchsvolle Umgebungen konzipiert. Jetzt soll im Spätsommer dieses Jahres ein umfassenderes Paket mit typischen Office-Werkzeugen auf den Markt gelangen.

Red Hat tut sich in einem Punkt mit dem Desktop-Markt schwer. „Die Integration proprietärer Software ist für uns ausgeschlossen“, erklärt ein Firmensprecher. Angesprochen sind damit in erster Linie die lizenzbehafteten Tools Crossover und Acronis OS Selector. Suse begründet die der Open-Source-Orientierung widersprechende Aufnahme dieser Tools in sein Angebot damit, dass Linux in der Regel auf bestehenden Windows-PCs installiert und zumindest in einer Übergangszeit mit Anwendungen und Daten aus zwei Welten gearbeitet werde.

Live-Sprecher Riek legt den Finger in die Wunde: „Der Wissenshorizont von Microsoft-geschultem Supportpersonal kann erschreckend gering sein.“ Dessen übliche Methode, mit Workarounds an Problemen herumzudoktern, vertrage sich nicht mit dem Open-Source-Prinzip, Fehler an ihren Wurzeln zu bekämpfen. Diesen Unterschied zwischen der Open-Source- und der Microsoft-Welt betrachten die Analysten Velten und Binder nicht als gravierend. Das IT-Personal habe durch die Bank ein „Eigeninteresse, sich weiterzubilden“, damit sein Know-how nicht veraltet.

Das größte Hindernis für Linux-Desktop-Projekte sind letztlich die Endanwender selbst. Gonicus-Chef Schröder: „Die Akzeptanz der End-User ist der entscheidende Faktor bei einem Migrationsprojekt. Sie werden keinen Linux-Desktop gegen den Willen der Benutzer einführen können.“ Letztlich sei das doch bei allen DV-Projekten so, wendet Suse-Manager Burger ein: „Es kommt darauf an, wie es intern vorbereitet und verkauft wird.“ Das Look and feel der Linux-Benutzeroberflächen und -Office-Anwendungen dürfte kein Problem mehr sein; beide ähneln der Windows-Welt. Trotzdem muss man grundsätzlich zu Veränderungen bereit sein, so Burger: „Linux auf dem Desktop ist nicht Microsoft.“

Die radikalste Position in Sachen Desktop-Linux vertritt IBM. Auf schlanken Clients sollen unter einer Browser-Oberfläche Server-basierende Portallösungen laufen. Dabei ist es Big Blue egal, ob die Clients Windows, Windows CE, Linux oder Mac-OS verwenden. „Plattformignorant“ nennt IBMs IT-Architekt im Bereich Software Solutions Architectures, Holger Lehmann, diesen Ansatz. Das deckt sich zumindest in einem Punkt mit Zielen, die bei Linux-Desktop-Projekten oft eine Rolle spielen: die Eindämmung des kostenträchtigen Turnschuh-Supports. Die Administration der Endgeräte soll zentralisiert stattfinden. Technisch funktioniert das auch mit neueren Microsoft-Systemen. Aber bei Linux haben die User nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Desktops nach Belieben zu konfigurieren oder um gefährliche Spielereien zu erweitern.