Liebe am Arbeitsplatz

Liebesknigge für IT-Profis

27.06.2020
Von 
ist freie Wirtschaftsjournalistin in London.
Angeblich verirrt sich Amors Pfeil gelegentlich auch in die Herzen eingefleischter Nerds. Wir haben Experten gefragt, wie mit Liebe am Arbeitsplatz umzugehen ist.
Foto: VRD/Fotolia.com

Jeden Morgen mit Schmetterlingen im Bauch zur Arbeit gehen ... ja, das wär`s! Für manchen Büroarbeiter ist das Gefühl kein ferner Wunschtraum, sondern Realität. Einer älteren Forsa-Umfrage zufolge hat sich hierzulande fast jeder Fünfte schon mal am Arbeitsplatz verliebt, 14 Prozent der Berufstätigen sind eine feste Beziehung im Job eingegangen. Ein riskantes Unterfangen. Im Büro gelten besondere Regeln für Verliebte. Wer die nicht kennt, katapultiert sich schnell ins Aus - bei seiner/m Angebeteten, Kollegen und Chefs. Was ist zu beachten, wenn es im Büro funkt? Was, wenn die neue Chefin genau mein Typ ist? Oder wenn der Geschäftsführer unanständige Sprüche klopft? Unser Liebesknigge gibt Antworten auf zehn wichtige Fragen rund um Flirts, Liebe und Affären am Arbeitsplatz.

1. Ich finde eine Kollegin aus meinem Team süß. Darf ich sie ansprechen?

Grundsätzlich gilt: Be never "intim" in the team. Falls man nur auf einen Flirt aus ist: Hände weg! Meint man es ernst, am besten mit einem Lächeln austesten, ob die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht. Falls Ihre Angebetete auch wirklich noch zu haben ist (Infos einholen!), könnte man mit einem unverfänglichen Kaffee in der Kantine starten. Von Jobthemen dann langsam zu Hobbys und Privaterem wechseln, und wenn es gut läuft, ein nächstes Treffen vorschlagen. Diplompsychologin Brigitte Scheidt empfiehlt einen Realitätscheck: "Männer deuten reine Freundlichkeit der Frau oft als Zustimmung zu ihrer Person", so die Familientherapeutin. Daher sollten sie an Körpersprache und Gesten herausfinden, ob die Herzensdame wirklich an ihnen interessiert ist - oder vielleicht nur an dem vorgeschlagenen Kinofilm. Gutes Indiz: Wer körperlichen Kontakt zulässt, hat oft mehr als rein freundschaftliches Interesse. Wer seine Hand dagegen bei einer Berührung wegzieht, will nur ein Kumpel sein.

2. Meine neue Chefin ist genau mein Typ.

Eine Affäre mit Vorgesetzten führt meistens zu Ärger und kann sogar den eigenen Arbeitsplatz gefährden. "Wer solch einen Flirt anfängt", so Beziehungs-Coach Lisa Fischbach, "sollte vorher prüfen, ob er in der Lage ist, die Konsequenzen psychisch auszuhalten." Die sind nicht ohne. Lästereien, Ausgrenzungen, Mobbing: Kollegen kennen kein Pardon. "Man steht schnell im Verdacht, sich durch eine Beziehung mit dem Chef einen Vorteil für die Karriere verschaffen zu wollen", so Fischbach. Beim Liebesaus leiden die Betroffenen durch das Abhängigkeitsverhältnis doppelt - privat wie beruflich.

3. Ich habe eine Affäre im Büro und will sie beenden.

Ein schwerer Schritt - ähnlich wie eine Kündigung. "Die Trennung zwischen Kollegen birgt noch mehr Schmerz in sich als bei anderen Liebespartnern", erklärt Psychologin Scheidt. "In den Liebeskummer mischt sich die Sorge, dass man weiter mit dem Ex zusammenarbeiten muss - oder sogar die Furcht, dass der andere einen seine Macht im Job spüren lassen wird." Wichtig ist, klar und wertschätzend mit dem Partner zu sprechen. Nicht herumeiern! Sich kein Hintertürchen offen lassen! Keine schmutzige Wäsche waschen! Alles würde im privaten Seelen- und beruflichen Arbeitsleben zu zusätzlichen Verwicklungen führen.

4. Die Leistungen eines Teammitglieds lassen wegen Liebeskummers nach.

Zeit zu handeln. In einem Vier-Augen-Gespräch sollten Vorgesetzte den Mitarbeiter auf seine nachlassende Performance ansprechen und ihn um eine Erklärung aus seiner Sicht bitten. "Spricht er von sich aus den Liebeskummer an, so zeigen Sie Verständnis. Verschweigt er den Grund, so respektieren Sie dies", sagt Scheidt. "In jedem Fall aber müssen Sie ihn auf die beruflichen Belange hinweisen." Bei einem schwerwiegenden Leistungsabfall ist die Abmahnung das Mittel der Wahl. "Nachdem Verliebtsein und Liebeskummer regelmäßig nur vorübergehende Zustände sind, dürfte es in der Regel damit sein Bewenden haben", sagt Arbeitsrechtler Helmut Krause. Verbessern sich danach die Leistungen aber nicht, kann sogar die Kündigung drohen.

5. Ein Kollege bittet mich um ein Date, aber ich finde ihn nur nett ...

Hier ist Diplomatie gefragt. "Aus Angst vor Spannungen und Kränkungen fällt vielen der Korb unter Kollegen noch schwerer als im Privatleben", weiß Fischbach. Nur zum Gefallen mit dem Kollegen auszugehen, schüre falsche Hoffnungen. Die Beziehungsexpertin empfiehlt, ein freundliches Dankeschön für die Einladung mit dem Hinweis auf andere Verpflichtungen zu verbinden. Wer dreimal einen Korb bekommen hat, sollte diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden haben.

6. Ich merke, dass sich zwischen zwei Kollegen etwas anbahnt. Einmischen oder nicht?

Unbedingt raushalten - "zumindest so lange, wie das Gleichgewicht des Teams durch die Liaison nicht gestört wird", rät Psychologin Scheidt. Hat man jedoch das Gefühl, die beiden verbünden sich gegen den Rest des Teams, heißt es: Samthandschuhe rausholen und eine Aussprache suchen - mit einem oder beiden. In dem Gespräch gilt es, die eigenen Befürchtungen anzuführen und gemeinsam zu überlegen, wie eine Neujustierung des Teams aussehen könnte. Falls die Betroffenen mauern, den Teamleiter zu Rate ziehen. Wichtig: "Es geht nicht darum zu bewerten, sondern nur die Produktivität des Teams aufrechtzuerhalten", so Scheidt.

Unsere Experten

Lisa Fischbach, Diplompsychologin, arbeitet als Beziehungsexpertin und Single-Coach bei der Online-Datingbörse ElitePartner in Hamburg.

Helmut Krause, Rechtsanwalt, berät als Fachanwalt für Arbeitsrecht in Puchheim bei München Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Betriebsräte.

Brigitte Scheidt, Diplompsychologin, berät als Familientherapeutin und Coach in Berlin Fach- und Führungskräfte in Fragen rund um Job und Karriere.

7. Ein Mitglied der Geschäftsführung belästigt mich.

Rechtsanwalt Helmut Krause: "Sexuelle Belästigung beginnt in dem Augenblick, in dem das Gegenüber die Ansprache als unangenehm empfindet."
Rechtsanwalt Helmut Krause: "Sexuelle Belästigung beginnt in dem Augenblick, in dem das Gegenüber die Ansprache als unangenehm empfindet."
Foto: Helmut Krause

Hier gilt kein Pardon. "Sexuelle Belästigung beginnt in dem Augenblick, in dem das Gegenüber die Ansprache als unangenehm empfindet. Es kommt nicht darauf an, ob der Unmut über eine entsprechende Äußerung zum Ausdruck gebracht wird oder nicht", erklärt Rechtsanwalt Krause. Die Angebaggerte ist im Recht, sollte aber alle Avancen verbal und körpersprachlich ablehnen. Hört die Anmache nicht auf, kann man den direkten Vorgesetzten oder den Betriebsrat einschalten. Für schwerwiegende sexuelle Übergriffe wie Busengrapschen ist die strafrechtliche Verfolgung vorgesehen. Der Täter muss damit rechnen, dass sein Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Schon bei mittelschweren Fällen ("Ich würde gern mit Ihnen morgen frühstücken...") drohen neben Strafanzeige und Kündigung die Abmahnung und die Versetzung.

8. Als einzige Frau im Männerteam muss ich mir Macho-Sprüche anhören.

Da hat jede Frau ihre eigene Waffe. Erlaubt ist, was wirkt - vom Ignorieren und Zulegen eines dicken Fells bis zu rhetorischen Kontern aller Art ("Das soll lustig sein?"; "Was hast du für ein Problem?"; Erzählen von männerfeindlichen Witzen). Stacheln ein, zwei Anführer die Gruppe an, gibt es Sinn, sich Verbündete gegen die Wortführer zu suchen. Egal, welche Strategie Frauen wählen: "Wenn die Männer merken, dass ihre Kollegin sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, verlieren sie zuweilen schnell den Spaß an ihrem Macho-Gehabe", weiß Job-Coach Scheidt.

9. Wann sollte ich eine Liebesbeziehung zu einem Kollegen öffentlich machen?

Nicht zu früh! Schließlich will man keine schlafenden Hunde wecken. Coach Fischbach rät, so lange abzuwarten, bis es ernst ist in der Beziehung. Ausnahme: Wenn Gerüchte kursieren und der Flurfunk in vollem Gang ist. "Dann ist weiteres Stillhalten kontraproduktiv und Offenheit angebracht", so die Beziehungsexpertin. Empfohlenes Vorgehen: Erst den Vorgesetzen kurz und sachlich informieren, dann die Kollegen, mit denen man direkt zusammenarbeitet. "Sich dabei nicht verpflichtet fühlen, private Details zu erzählen", empfiehlt Fischbach. "Die Fakten reichen."

10. Ich muss mit meinem Ex zusammenarbeiten.

Herzliches Beileid! Solch eine Situation wünscht sich niemand. "Sind beide Seiten darüber hinweg, dürfte die Zusammenarbeit möglich sein", glaubt Scheidt. Wenn nicht, empfiehlt die Psychologin die Versetzung in eine andere Abteilung. "Dort kann man befreit von privaten Verwicklungen frisch anfangen." Der Vorgesetzte kennt oder ahnt vermutlich den Grund für das Versetzungsanliegen. Falls nicht, reicht es, von "privaten Gründen" zu sprechen oder aber andere berufliche Belange vorzuschieben. Alles sollte professionell über die Bühne gehen, ohne private Wunden aufzureißen. "Job ist Job, und Ex ist Ex", so Scheidt. "Beides sollte man voneinander trennen."