Lieber SAP als alte Programmiersprachen lernen

18.12.2007
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Grundlagenwissen? Soziale Kompetenz? Fehlanzeige – Informatikabsolventen verlassen die Hochschulen mit einigen Defiziten. Alexander Zinn, Geschäftsführer der mittelständischen T&A Systeme GmbH in Hattingen, fordert Lehranstalten wie Arbeitgeber auf, den IT-Nachwuchs besser auszubilden.

CW: Herr Zinn, ihre Firma realisiert Projekte im Bereich IT-Infrastrukturen. Derzeit suchen Sie neue Mitarbeiter. Wo sehen Sie Defizite der Bewerber?

ZINN: Bereits einfaches Grundlagenwissen wie TCP/IP, dessen Routing und Zusammenhänge fehlt vielen Informatikabsolventen. Das ist nicht vertretbar ist, denn als Basis-Protokoll des Internet und sämtlicher Firmennetze hat es die Bedeutung wie etwa die Beherrschung unserer Rechtschreibung. Dafür werden an den Hochschulen veraltete Programmiersprachen oder Blockverteilungen auf Festplatten vermittelt, die niemand mehr braucht. Die Absolventen haben natürlich auch technische Defizite, die aus Erfahrungsmangel herrühren. Die muss der Arbeitgeber in der praktischen Ausbildung im Berufsleben berücksichtigen. In Euro bewertet, wirken sich jedoch die sozialen Defizite weit heftiger als das fehlende technische Wissen aus, da jede Projekteskalation und Budgetüberschreitung aus Abstimmungsproblemen und Empfindsamkeiten resultiert.

CW: Wie kann man gegen soziale Defizite angehen?

ZINN: Da helfen keine Bücher oder Kurse, sondern nur die Konfrontation mit der Praxis. Zielführend sind da heute Clusterbildung mit Unternehmen und konkrete Projekte von Unternehmen, in die Studenten eingebunden werden. Gerade Bildungsträger, die den Lernenden mehr als drei Monate Praxis am Stück verordnen, setzen hier Akzente. Generell ist ja eine positive Tendenz (Verkürzung der Studiumszeit und mehr Praxis) in dem Bereich zu sehen, die wir als Unternehmer nur begrüßen können. Hier darf ich aber auch auf die Verantwortung der Arbeitgeber hinweisen, die junge Menschen mit vernünftigen Aufgaben versorgen müssen und nicht mit Frondiensten, weil es günstige Arbeitskräfte sind.

CW: Dann ist es also nicht Aufgabe der Hochschule, die weichen Kompetenzen zu vermitteln.

ZINN: Das würde auch den Bock zum Gärtner machen! Die Hochschule ist wissenschaftlich und soll Methodenkompetenz vermitteln. Das kann sie auch, Produkte in Märkte einzuführen eher nicht. Die nicht-fachliche Kompetenz muss also dann von denen vermittelt werden, die da ihre Stärken haben: die Unternehmen. Aber die Professoren könnten durchaus aktiver und intensiver darauf aufmerksam machen und sogar dafür sorgen, dass das geschieht. Ich kenne selbst einige, die den Studenten glaubhaft klar machen, wie wichtig Menschen, soziale Kompetenz und auch das Verkaufen von Ideen, Nutzen und sich selbst sind. Da wären wir dann wieder bei den Praktika. Ich empfehle mehr Praktika in mittelständischen Unternehmen zu absolvieren. Immer noch strömen viele Studenten in die Konzerne, wo die Plätze ja endlich sind. Ich habe selbst erlebt, wie Professoren sich damit rühmen, dass ihre Studenten Karrieren in großen Firmen machen werden – dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn diese später kein Interesse am Mittelstand haben.

CW. Erwarten Sie wirklich eine prozessnahe, also an der jeweiligen Softwarebedienung ausgerichtete Ausbildung? Soll die Hochschule zum Beispiel konkretes SAP- oder Oracle-Wissen vermitteln?

ZINN: Bedingt. Es ist sicher ein guter Ansatz. In anderen Studiengängen lernen die Studenten auch mit den Geräten der Industrie umzugehen. Gerade bei Prozess-relevanter Software ist das praktische Erleben der Auswirkung einer Parametrisierung entscheidend, denn das ist vielen gar nicht klar. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn ein Customizing ewig dauert. Denn auch Prozesse muss man am Ende erlebt haben. Ich bewundere dabei immer die Einfachheit erfolgreicher Web-Plattformen wie Ebay, Amazon oder Skype – dort waren exzellente Prozessleute am Werk. Im Fazit bleibt hier: Standardprogramme sollten Pflicht werden, aber nicht nur beschränkt auf Starten und Bedienen, sondern auch auf die Konsequenzen in den Folgeprozessen – dann klappen auch die vielen SOA-Ansätze besser.

CW: Worauf legen Sie bei der Einstellung neuer Mitarbeiter großen Wert?

ZINN: Auf eine solide Schulbildung in Deutsch, Mathematik und Englisch. Dazu gute Erziehung und eine vernünftige Wertevorstellung sowie der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Fachlich muss Gelerntes zum Einsatzzweck passen. Bei uns wäre das die Beherrschung von Betriebssystemen und Infrastruktur-Produkten – sowie TCP/IP.

CW: Wie gehen Sie bei Einstellungen konkret vor?

ZINN: Nach der Sichtung der Unterlagen laden wir den passenden Bewerber zum Erstgespräch ein. Hier geht es ums Kennenlernen. Mit zwei Tests werden seine fachlichen und sozialen Fähigkeiten geprüft. Fallen die Tests positiv aus folgt ein intensives Zweitgespräch mit den Fachverantwortlichen. Hier wollen wir herausfinden, was ein Kandidat wirklich will und wo er Leidenschaft entwickelt. Passt das zur gestellten Aufgabe der Position, nennen wir das "Fitting", und die Chance ist hoch, dass er erfolgreich wird und Zufriedenheit erlebt. In einem dritten Gespräch werden die Konditionen wie Gehalt, Arbeitszeit, etc. abgeklärt.