Warum die Internationale Biathlon-Union die Einführung von Microsoft CMS abbrach

Lieber ein Ende mit Schrecken!

20.02.2004
Nach acht Monaten war immer noch kein Ende der Einführung abzusehen, Anpassungsaufwand und Kosten stiegen stetig - da beendete die Internationale Biathlon-Union (IBU) den Versuch, ihr Content-Management-System (CMS) auf der Basis von "Microsoft CMS" aufzubauen. Stattdessen entschied sie sich für die Lösung eines deutschen Mittelständlers. Von Ingo Deutschmann*

Der vor elf Jahren gegründete Weltverband mit Sitz in Salzburg dient als Dachorganisation für 57 nationale Biathlon-Verbände. "Von unserem Start weg waren Kosten ein Thema", so Peer Lange, Kommunikationsdirektor der IBU. Deren Ziel ist es, den nationalen Verbänden möglichst viel Geld für den Sport zur Verfügung zu stellen. Dazu führt sie geschickte Verhandlungen mit der europäischen Fernsehunion EBU und der Sponsorenfirma APF. "Den Kampf um Sponsorenleistungen können wir natürlich nur gewinnen, wenn der Sport medienwirksam vermarktet wird", erläutert Lange.

In dieser Hinsicht misst der Biathlon-Dachverband nicht nur dem Fernsehen, sondern auch dem Internet große Bedeutung bei. 1997/98 wurde der erste Web-Auftritt unter www.ibu.at realisiert. Er war statisch, konzentrierte sich stark auf Wettkampfresultate und barg kaum redaktionelle Inhalte. Vier Jahre später war die Homepage zudem veraltet: Der zunehmende Traffic überforderte die Leistungsfähigkeit, für die praktischen Erfordernisse reichte die Funktionalität nicht mehr aus. Folglich wurde der Auftritt nicht mehr konsequent gepflegt.

Hoch gesteckte Anforderungen

Anfang 2002 formierte sich um Lange herum eine IT-Projektgruppe, die das Content-Management auf neue Füße stellen sollte. Im Mai holte sie das Produkt "Microsoft CMS" ins Haus. Auf dieser Basis wollte das Team gemeinsam mit der EBU das Projekt "biathlon-world.com" umsetzen. "Der neue Internet-Auftritt war und ist als State-of-the-Art-Kommunikationsplattform gedacht, die vom Funktionär über den Sportler und die Medien bis zum Fan alle Biathlon-Interessierten informiert und verbindet", lautet Langes Credo.

Entsprechend hoch gesteckt waren die funktionalen Anforderungen: Die Redakteure von Rundfunkanstalten und Printmedien sowie die Fotografen sollten von überall her, beispielsweise von den Veranstaltungsorten Ruhpolding oder Oberhof aus, jederzeit freien Zugang zum CMS haben - sei es, um ihrerseits Texte oder Fotos einzustellen, oder auch, um Bildmaterial herunterzuladen. Es kam nur eine mehrsprachenfähige Lösung in Frage, da die Texte sowohl in Englisch als auch in Deutsch verfasst und präsentiert werden sollten. Zudem mussten Bedienkomfort und Schnelligkeit den Aktualitätsansprüchen genügen. Darüber hinaus war neben einem Forum und einem Chatroom für die Fans auch die Möglichkeit gefordert, (live) Streaming-Videos oder Bilder von Streckenprofilen und -querschnitten anzubieten.

Das System war zu unflexibel

Acht Monate lang mühte sich das Projektteam, diese Anforderungen mit Microsoft CMS zu erfüllen - letztlich ohne Ergebnis. "Im Lauf des Einführungsprozesses zeigte sich, dass die Microsoft-Lösung für unsere Zwecke ungeeignet war", resümiert Lange. Beispielsweise erwies sich das System als zu unflexibel. Bei der Aktualisierung von Web-Inhalten kosteten die anscheinend nicht ganz ausgereifte Infrastruktur und die schlechte Bedienbarkeit wertvolle Zeit. Navigationspunkte ließen sich vom Anwender genauso wenig ändern oder ergänzen wie das Layout der Seite.

Außerdem erlaubte das System nur den Zugriff auf die bereits verfügbaren Bild-Ordner, aber kein individuelles Neuanlegen: "Wir hatten zum Beispiel Ordner für die Saison 2001/02 vorgesehen, so dass wir alle Fotos hätten ablegen können. Als wir dort eine Unterteilung nach Wettkampf-Orten vornehmen wollten, war das unmöglich", erinnert sich Lange.

Mit einem Customizing hätten sich diese Probleme vielleicht lösen lassen. Doch das erforderte erheblichen Kosten- und Zeitaufwand. Terminverzögerungen waren deshalb an der Tagesordnung. "Zum Saisonstart 2002/03 hatten wir gerade den News-Teil fertig gestellt, der Organisationsbereich der Site war unbefüllt, der Event-Abschnitt unvollständig", blickt Lange zurück. Außerdem habe die ungünstige Datenbankstruktur merklich Web-Server-Performance gefressen, wodurch sich die Zugriffszeiten für die User unnötig erhöhten: "Die Unzufriedenheit war so groß, dass wir entschieden, uns nach einer anderen Lösung umzuschauen."

Das Rennen machte im Sommer 2003 die Incca GmbH, Rosenheim, mit "InccaCM5". Es basiert auf einer eigenen Programmierplattform, dem "Incca Framework", und verwendet offene Technologien wie XML, Java und C++, wodurch es anpassbar wird und sich in vorhandene IT-Infrastrukturen integrieren lässt.

Incca versicherte der IBU, dass "biathlonworld.com" binnen vier bis sechs Wochen umgesetzt werden könne - inklusive Anpassungen, Schulungen und Einführung. "Wir haben es kaum fassen können", beschreibt Lange seine damalige Gefühlslage. Auch mit kurzen Wegen, Schnelligkeit und einem offenen Ohr für die Fragen und Wünsche des Kunden habe das Unternehmen überzeugt. Ein Beispiel dafür ist die Finanzierung: Das von Incca angebotene Leasingkonzept kam der - nach dem ersten gescheiterten CMS-Anlauf naturgemäß angespannten - finanziellen Situation der IBU entgegen. Ein maßgeschneiderter Finanzierungsplan mit flexiblen Laufzeiten ermöglicht es dem Verband, den vollen Nutzen aus der Lösung zu ziehen, ohne dafür auf einen Schlag die gesamten Investitionskosten tragen zu müssen. Zudem sind die Leasingraten als Fixkosten fest planbar.

Völlig neu aufgesetzt

Von Mitte August bis Ende September 2003 wurde das CMS bei der IBU eingeführt. "Wir haben Incca völlig neu aufgesetzt, die alte Lösung quasi abgeschaltet und die neue gestartet", erläutert Michael Balk, Geschäftsführer der B-Fusion Agentur für Gestaltung und Multimedia mit Sitz in Rosenheim. Balk war verantwortlich für die Vorlagenerstellung und betreut heute noch die Website als Remote-Administrator. In dieser Eigenschaft lobt er die einfache Bedienbarkeit: "Gerade jetzt in der Saison, wo alle zwei Augenblicke Ergebnisse live gestellt, Siegerfotos veröffentlicht und Wettkampfzusammenfassungen als Streaming-Video verfügbar gemacht werden müssen, verkürzt sich unsere Reaktionszeit dadurch enorm."

Kommunikationsdirektor Lange freut sich über den geringen Schulungsbedarfs: "Wir haben Fotografen und Redakteure ferngeschult, um sie mit dem System vertraut zu machen. Das war klasse, weil kostengünstig und effizient."

Die Antwortzeiten haben sich ebenfalls spürbar verkürzt. Wenn ein Client die Site anfragt, startet InccaCM5 keine vollständige Datenbankabfrage, denn dazu müsste jedesmal die ganze Seite von der Datenbank gerufen und beim Client neu aufgebaut werden. Vielmehr generiert das System aus jeder Aktualisierung eine echte HTML-Seite, die vom Client geladen wird. Aus der Datenbank kommen nur Elemente, die sich kurzfristig ändern, beispielsweise Banner. Die statische HTML-Seite muss nicht auf demselben Server wie das Content-Management liegen, wodurch sich die Ladezeit weiter verkürzen lässt.

"Wir sind mehr als froh, im zweiten Anlauf das geeignete Content-Management-System gefunden zu haben", zieht Lange ein Fazit. Im Vergleich zur ersten Lösung spare die IBU mit Incca zwei Drittel der Lizenzkosten - "ganz abgesehen von den Nerven". Zudem ließen sich Anschaffungs- wie Folgekosten leichter einplanen. Und last, but not least sei die Lösung offener für Erweiterungen. (qua)

*Ingo Deutschmann ist Fachjournalist in München.

Steckbrief

Projektart: Einführung eines Content-Management-Systems.

Branche: Sportverband.

Zeitrahmen: Gründung des Projektteams Anfang 2002, zweiter Anlauf im August 2003, Inbetriebnahme am 30. September.

Stand heute: läuft produktiv.

Produkte: Content-Management-System "InccaCM5".

Dienstleister: B-Fusion Agentur für Gestaltung und Multimedia, Rosenheim.

Herausforderung: Ablösung von "Microsoft CMS" nach achtmonatiger Einführungsphase.