Top 100 - Smartphone 2012

Licht und Schatten im Smartphone-Markt

25.09.2012
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Das Interesse an Smartphones ist konstant hoch, doch davon profitieren nur wenige Anbieter. Während es Apple und Samsung bestens geht, darben Nokia und Research in Motion.

Während andere IT-Bereiche wie das PC-Geschäft bereits seit Jahren schwächeln, brummt der Smartphone-Markt nach wie vor. Allerdings fällt die Wachstumskurve inzwischen nicht mehr ganz so steil aus wie in den vergangenen zwei Jahren. Von Stagnation oder einer beginnende Marktsättigung wie im gesamten Handy-Markt kann dennoch keine Rede sein. So melden die Marktforscher von IDC, dass im zweiten Quartal 2012 weltweit knapp 154 Millionen Geräte verkauft wurden, das entspricht einem Plus von immerhin 42 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei handelt es sich laut IDC um das niedrigste vierteljährliche Wachstum seit dem Schlussquartal 2009. Die Analysten gehen jedoch davon aus, dass die Nachfrage hoch bleibt, da Mobiltelefone und Smartphones inzwischen eine zentrale Rolle im Leben der Anwender spielen.

Vom insgesamt sehr positiven Trend kann vor allem Samsung profitieren: Mit mehr als 50 Millionen verkauften Smartphones, 172 Prozent mehr als im Vorjahr, gelang den Südkoreanern im zweiten Quartal ein neuer Absatzrekord. Nachdem Samsung bereits früher an Apple verbeigezogen war, kann der Konzern nun seine Führung weiter ausbauen. Die Asiaten profitieren dabei gleich von einer ganzen Reihe von neuen Modellen, insbesondere dem Quad-Core-Flaggschiff Galaxy SIII.

Im Vergleich dazu scheint Apple mit 26 Millionen abgesetzten Geräten und einem Marktanteil von knapp 17 Prozent abgeschlagen. Macht man sich jedoch bewusst, dass die Kalifornier zu diesem Zeitpunkt nur das bereits im Herbst 2011 erschienene iPhone 4S als Trumpf hatten, ist der Erfolg außerordentlich. Zudem versteht es Apple vortrefflich, aus seinem Produkt den größtmöglichen Gewinn herauszuschlagen: Nach Berechnungen der US-amerikanischen Investment-Bank Canaccord Genuity verbuchte der Hersteller im zweiten Quartal 71 Prozent aller operativen Profite im gesamten Mobiltelefonmarkt, während sein Marktanteil lediglich 6,5 Prozent betrug.

Newcomer locken mit günstigen Einstiegsgeräten

Zu den Gewinnern gehören laut Canaccord außer Apple eigentlich nur Samsung, HTC und teilweise die chinesischen Newcomer Huawei und ZTE. Letztere setzen die etablierten Player mit günstigen Einstiegsgeräten unter Druck. Im Vergleich dazu verbuchten die Mitbewerber Motorola, Nokia, Research in Motion und Sony teilweise erhebliche Verluste.

Besonders schlecht ist es nach wie vor um Nokia bestellt. Steven Elop, Ex-Microsoft-Manager und gegenwärtiger Chef des langjährigen Handy- und Smartphone-Marktführers, hatte im Frühjahr 2011 beschlossen, mit dem Unternehmen von der "brennenden Plattform" Symbian zu springen und zu Microsofts Windows Phone zu wechseln. Am Abwärtstrend hat sich jedoch nichts geändert. Auch das leicht anziehende Geschäft mit den neuen Lumia-Geräten kann den allgemeinen Rückgang derzeit nicht aufhalten. Die Finnen setzten im zweiten Quartal 2012 nur rund vier Millionen Windows Phones ab. Auf dem Großteil der ingesamt verkauften 10,2 Millionen Smart Devices waren dagegen Symbian und das inzwischen aufgegebene Betriebssystem MeeGo installiert.

Derzeit hoffen die Skandinavier, dass mit der neuen Version 8 von Windows Phone, das enger mit dem Desktop-Betriebssystem verwandt ist, der Knoten platzen wird. Geschieht das nicht, dürften die Tage des Handy-und Smartphone-Pioniers gezählt sein.

In einer ähnlich prekären Situation befindet sich Blackberry-Hersteller Research in Motion. RIM hatte ebenfalls viel zu spät auf die mit dem iPhone und Android-Geräten eingeleiteten Trends wie Touchscreens oder intuitive Bedienung reagiert - jetzt droht den Kanadiern die Zeit davonzulaufen. Nachdem die Markteinführung von Geräten mit dem neuen, auf QNX basierenden Betriebssystem Blackberry 10 erst Anfang 2013 möglich ist, muss das Unternehmen an allen Ecken und Enden sparen, eine Übernahme ist nicht ausgeschlossen.

Besser spät als nie: RIM-CIO Thorsten Heins will mit der neuen Plattform Blackberry 10 Boden gut machen.
Besser spät als nie: RIM-CIO Thorsten Heins will mit der neuen Plattform Blackberry 10 Boden gut machen.

Nokia und RIM droht das gleiche Schicksal: Fällt die Aktie unter eine bestimmte Marke, ist das Unternehmen womöglich als Ganzes weniger als die Summe seiner Patente wert. Dann läge eine Zerlegung in der Luft. Interessenten für alle möglichen Arten von Schutz- und Markenrechten gibt es genug, nachdem die Hersteller der einzelnen Plattformen mittlerweile nicht nur direkt im Markt konkurrieren, sondern sich auch in zahllosen Patentrechtsstreitigkeiten vor Gericht beharken. Die Motive dafür sind unterschiedlich: Während etwa Microsoft versucht, Geräteherstellern die Nutzung des kostenlos verfügbaren Android zu vergällen, strebt Apple für Konkurrenten wie Samsung sogar Verkaufsverbote an. Das Nachsehen haben die Kunden: An sie werden indirekt die Kosten für Gerichtsverfahren und Kompensationszahlungen weitergegeben. Zudem ist es ärgerlich, wenn wegen eines Gerichtsentscheids plötzlich nützliche Funktionen wie Slide toUnlock oder gar das Wunschgerät selbst nicht mehr erhältlich sind.

Patentkrieg statt Innovationswettstreit

Anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen, sollten die Hersteller vereint gegen eine andere, größere Gefahr vorgehen: den nachlassenden Innovationsschub. Die smarten Handys sind in einigen Bereichen fast schon an einem Punkt angelangt, wo der technisch mögliche Fortschritt die Nutzer eher hemmt als weiterbringt. So ist die Pixeldichte mancher hochauflösender Displays für das menschliche Auge kaum mehr wahrnehmbar, und auch die Extraleistung von Quad-Core-CPUs wird momentan nur für wenige grafikaufwendige Spiele benötigt. Wenn sich die Hersteller in Features verlieren und die wesentlichen Weiterentwicklungen vernachlässigen, könnte den Kunden schon bald mangels neuer Anreize die Kauflust vergehen. Resultat wäre eine ähnliche Marktentwicklung wie bei den PCs.

Teaserbild: Cybrain/Fotolia