License 6.0: Zocken bis zur letzten Minute

18.07.2002
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.

Doch ein großer Teil der Anwenderschaft denkt offenbar nicht daran, aktiv zu werden. Laut CIO-Umfrage haben 58,8 Prozent der IT-Verantwortlichen ausgesagt, dass sie der neuen Lizenzierung nicht beitreten und derzeit alles beim Alten lassen. Ähnliche Erfahrungen haben Verteter einer großen deutschen Windows-Anwendervereinigung gemacht, die ungenannt bleiben wollten. Dort habe man die Erfahrung gemacht, dass sich viele Unternehmen nicht vom ultimativen Charakter des Juli-Termins haben beeindrucken lassen und auf Microsofts Goodwill-Strategie setzen. Hier gebe es bis zum letzten Tag eine Art Pokerspiel zwischen den Verantwortlichen bei Microsoft und den Anwendern.

Große Anwender mit „Enterprise-Agreement“-Verträgen, so hieß es aus dem Verband, verhandeln in dieser Situation direkt mit Microsoft. Hier liegen die Karten auf dem Tisch, die Kunden warten mit ihren Unterschriften bis Ende des Monats und erwarten noch, dass Microsoft die Lizenzbedingungen ändert. Bei Verträgen unterhalb des Enterprise Agreements wird mit Microsoft-Partnern verhandelt. Auch in dieser Kategorie laufen derzeit zähe Gespräche. Viele IT-Verantwortliche schieben nach wie vor ihre Unterschrift auf, so lange es geht, um den Druck zu erhöhen. Für zahlreiche Unternehmen ist die Alternative zum neuen Lizenzprogramm klar: Sie frieren ihre auf NT 4.0 basierenden Systeme ein und warten, bis der Anwendungsdruck zu hoch ist, um dann auf neue Microsoft-Produkte oder gar auf Alternativen wie Linux und Open-Source-Anwendungen umzusteigen.

 Liebäugeln mit Open Source

Der Wirbel um License 6.0, das haben die letzten Monate gezeigt, hat die Debatte um derartige Alternativen auf breiter Front angeheizt. Viele Unternehmen erwägen mittlerweile einen Umstieg auf das Open-Source-System, um der Update-Spirale der Microsoft-Produkte zu entkommen. Nicht immer werden solche Wechselgedanken offen mitgeteilt, aber auch bei Microsoft-treuen Kunden spricht man hinter vorgehaltener Hand oft von Evaluierungen und Tests bei Servern oder Desktop-Systemen. Ein Versicherungskonzern, der ungenannt bleiben will, zieht derzeit Linux als Alternative in Erwägung. Bisher war Linux technikgetrieben, so lautet mittlerweile der Tenor in der Branche, doch jetzt äußern zunehmend auch Geschäftsführungen, dass das Microsoft-Lizenzmodell nicht akzeptabel ist und deshalb ein anderes Betriebssystem geprüft werden soll.