Nach dem Sanierungskurs

LH-Systems-Chef Hansen im Interview

16.04.2012
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Kein Outsourcing-Partner für Lufthansa

CW: War es wirklich die IT-Organisation der Lufthansa, die nicht reif für den großen Outsourcing-Partner war, oder war die Lufthansa Systems in einem zu schlechten Zustand, um gekauft zu werden?

Hansen: Es gab konkrete Gespräche und auch Unternehmen, die ich als Partner interessant gefunden hätte. Bei anderen konnte ich es mir von Beginn an nicht vorstellen. Ein großer Player wollte sogar unbedingt und war enttäuscht, dass nichts daraus geworden ist. Wir sind schon für viele interessant, nicht nur wegen der bestehenden Verträge mit der Lufthansa, sondern auch wegen unseren anderen Kunden. Letztendlich ist es aber aus den genannten Gründen nicht zum Abschluss gekommen.

CW: Der Umsatzanteil, den Sie mit Ihrem Mutterkonzern erwirtschaften, liegt bei 60 Prozent. Ist das eine ideale Größenordnung?

Hansen: Mein Ziel ist es, diese Relation so zu verändern, dass wir etwa die Hälfte im Konzern erwirtschaften. Dazu müssen wir mehr externe Kunden akquirieren. Wir haben gute Airline-Produkte, sind stark in IT-Projekten und der SAP-Beratung und haben wertvolles Know-how, wenn es um komplexe Geschäftsprozesse geht. Außerdem haben wir die Kompetenz große IT-Systeme für Konzerne zu entwickeln - das war immer eine unserer Stärken.

CW: Das, was Sie im externen Markt anbieten, klingt nach einem Kessel Buntem: Produkte, Projekt-Know-how, Outsourcing-Leistungen etc. Was ist das Kernangebot, mit dem Sie punkten wollen?

Hansen: Im Airline-Geschäft bieten wir Produkte entlang der gesamten Prozesskette an. Und wir können diese Applikationen auch hosten, so dass wir hier einen kompletten Service bereitstellen. Das ist ein für uns wesentlicher Markt, in dem wir eine Menge Know-how haben.

Externe Kunden sollen das Wachstum treiben, so Hansen.
Externe Kunden sollen das Wachstum treiben, so Hansen.
Foto: Lufthansa Systems AG

Im deutschsprachigen IT-Markt wollen wir mit Professional Services für Industrieunternehmen wachsen. Wir haben die richtigen Leute, eines der modernsten und sichersten Rechenzentren in Europa und interessante Produkte. Von der Projektleitung bis zur Systementwicklung bieten wir unseren Kunden hier die gesamt Bandbreite. Zu unseren Kunden zählen beispielsweise Buderus, Schenker oder auch die Hamburg Port Authority.

CW: Entertainment-Systeme, Pricing- und Ticketing-Anwendungen - das sind für die Lufthansa zunehmend wettbewerbsrelevante Produkte. Inwieweit sind Sie als Partner gesetzt?

Hansen: Wir stehen hier voll im Wettbewerb, und das ist auch gut so. Einige Produkte entwickeln wir, andere kauft die Lufthansa bei anderen. Manche Lösungen sind auch nur bei Wettbewerbern der Lufthansa im Einsatz, bei Lufthansa selbst aber nicht. Wir haben in der Vermarktung keine Restriktionen.

CW: Wenn Sie zum Beispiel ein schickes Bord-Entertainment-System entwickeln, müsste die Lufthansa doch interessiert sein, dass es nicht beim Wettbewerb landet.

Hansen: Wir haben ein Entertainment-System entwickelt, doch die Lufthansa hatte sich für ihre Interkontinental-Flotte für eine andere Lösung entschieden, weil unser Produkt noch nicht marktreif war. Wir haben dann Virgin America und die Condor als Erstkunden gewinnen können. Und wir sind in fortgeschrittenen Gesprächen mit Airlines in Asien/Pazifik.

Die Lufthansa ist jetzt dabei, das System auch für die Kontinentalflotte auszuschreiben. Da werden die Karten neu gemischt. Ob wir gewinnen, wird man sehen. Wir haben eine erstklassige Lösung und deshalb denke ich, dass wir eine solide Chance haben. Ich bin überzeugt, dass es gut ist, im Konzern Wettbewerb zu haben. So bleiben wir angestrengt und aufmerksam.

Viele Produkte verkaufen wir gleichermaßen an die Lufthansa und ihre Wettbewerber. Revenue-Management ist so ein Beispiel. Um die Preisgestaltung hinzubekommen, bedarf es einer hochkomplexen Logik. Dass wir diese Software vielfach vermarktet haben, ist für viele eine Überraschung, ich weiß.