Leserbrief Unix und die Derivate Betrifft CW Nr. 50 vom 16. Dezember 1994, Seite 9: "32 Bit und kein bisschen weise"

13.01.1995

Sie schreiben in Ihrer Kolumne, dass die grossen PC-Betriebssystem- Hersteller IBM und Microsoft doch von ihrem Konfrontationskurs OS/2 kontra Windows ablassen und sich auf einen Standard einigen sollten. Als Grund fuehren Sie an, dass die Unix-Welt deutlich zeige, dass dieses zum Vorteil aller Softwarehersteller ist.

Aber was fuer eine Kompatibilitaet oder Einheitlichkeit gibt es denn eigentlich dort? Trotz aller Bemuehungen laeuft auf einem Hewlett- Packard-9000-Rechner nur HP Unix, auf einer IBM RS/6000 nur IBM AIX und auf einer SNI RM 600 nun einmal nur SNI Sinix. Wenn ueberhaupt, so gibt es nur auf Intel-PCs eine kleinere Auswahl an verschiedenen Anbietern von Unix-Betriebssystemen (zum Beispiel SCO Unix, Novell Unixware und neuerdings Linux). Diese verschiedenen Unix-Versionen sind allerdings nicht (das waere ja auch zu schoen) binaerkompatibel: Ein Programm, welches fuer ein bestimmtes Unix entwickelt wurde, laeuft leider nur auf einer bestimmten Hardware mit einem speziellen Unix-Derivat des Herstellers. Theoretisch sollte ANSI C dieses Problem loesen - eine Neuumwandlung des Programms mit dem C-Compiler des jeweiligen Betriebssystem-Herstellers, und das Programm ist fertig fuer die neue Unix-Plattform. Jeder, der dieses schon einmal getestet hat, musste wohl erfahren, dass das Verfahren nur bei Trivialprogrammen moeglich ist. Bei groesseren Anwendungsprojekten mit Betriebssystem- Schnittstellen ist es leider nicht so einfach.

Einigermassen einheitlich sind eigentlich nur die nach XPG/4 von der X/Open-Gruppe genormten Unix-Zeilenkommandos wie LS oder Print (um nur zwei zu nennen), herstellerspezifische Erweiterungen, besonders in den zahlreichen Optionen, sorgen aber auch hier fuer grosse Unterschiede.

Eine Einheitlichkeit der PC-Betriebssysteme wie unter Unix ist also kein erstrebenswertes Ziel - dann doch lieber nur zwei Konkurrenten vom Schlage IBM und Microsoft.

Kay Labinsky, gepruefter Wirtschaftsinformatiker, Koeln-Ossendorf

Anmerkung der Redaktion: Als "Vorbild" hatten wir Unix gerade nicht hingestellt, sondern gesagt, dass es im Krieg der Unix- Derivate keinen Sieger geben kann - also genau das Gegenteil.