Banken verlangen 430 Millionen Dollar zurück

Lernout & Hauspie muss Antrag auf Gläubigerschutz stellen

08.12.2000
MÜNCHEN (CW) - Der infolge des Verdachts der Bilanzfälschung finanziell schwer angeschlagene Spezialist für Spracherkennungssoftware Lernout & Hauspie (L&H) ist zahlungsunfähig. 100 Millionen verschwundene Dollar in Südkorea und Außenstände von 430 Millionen Dollar treiben den Hersteller dazu, Gläubigerschutz zu beantragen.

Die Situation für L&H wird immer aussichtsloser: Immer schlimmere Machenschaften und Unregelmäßigkeiten in der Bilanzierung der letzten drei Jahre werden bekannt. Die Börsenaufsichten in den USA, Europa und mittlerweile auch die belgische Staatsanwaltschaft ermitteln gegen den Hersteller, und hochkarätige Manager verlassen das Unternehmen und geraten selbst ins Zwielicht (siehe CW 46/00, Seite 4, und CW 48/00, Seite 10). Parallel dazu wird die finanzielle Schieflage des Unternehmens immer bedrohlicher. Auslöser sind ein weiteres Mal Geschehnisse in Südkorea. Von dort hatte der Skandal im Frühjahr seinen Lauf genommen, als Vorwürfe laut wurden, der Hersteller habe durch vorgetäuschte Umsätze seine Bilanzen nach oben manipuliert. Hinzu kamen vor kurzem Meldungen, nach denen dort rund 30 Millionen Dollar an Risikokapital verschwunden seien. Dieser Tage nun melden L&H-Manager, dass rund 100 Millionen Dollar in bar fehlen.

Gläubiger sind mit ihrer Geduld am EndeMit dem Geld wollte der Hersteller nach eigenen Angaben Außenstände bei seinen Gläubigern bezahlen, zu denen die Dresdner Bank und die Deutsche Bank gehören. Diese verlangen jetzt die sofortige Rückzahlung von Krediten in Höhe von insgesamt 430 Millionen Dollar, wenn nicht ein Restrukturierungsplan vorgelegt wird. Die Gelder waren im Frühjahr an L&H geflossen, um in erster Linie die Übernahme von Dictaphone, einem Anbieter von Diktiersystemen und Aufzeichnungslösungen für Call-Center, zu finanzieren. Angesichts dieser Situation konnte dann John Duerden, L&Hs Chief Executive Officer, lediglich melden, dass er vergeblich versucht habe, bessere Konditionen auszuhandeln. Der Hersteller beantragte daraufhin im US-Bundesstaat Delaware für seine US-Dependance und kurz danach auch für die L&H-Division Dictaphone Schutz vor Gläubigeransprüchen gemäß Kapitel elf des US-Konkursrechts. Wenige Tage später ging der belgische Mutterkonzern einen juristisch vergleichbaren Weg.

Wie es mit L&H nun weitergeht, ist ungewiss. Gegenüber den Medien wollte CEO Duerden nicht sagen, wie viel Geld nötig wäre, um wieder auf die Beine zu kommen. Man verhandle mit möglichen Kreditgebern. Die Konkursmeldung habe dazu gedient, wieder etwas Luft zu bekommen und nicht durch Gläubiger bei der nötigen Lösung der Probleme behindert zu werden, so Duerden. Er wolle nun die Bilanzen in Ordnung bringen, das Vertrauen der Mitarbeiter und Kunden zurückgewinnen und einen von den Gläubigern geforderten Restrukturierungsplan vorlegen. Beobachter halten indes auch einen Verkauf von Unternehmensteilen nicht mehr für ausgeschlossen. Die Übernahme von Dictaphone kann zudem noch ein juristisches Nachspiel haben. So hat der ehemalige Hauptaktionär, Stonington Partners, Klage eingereicht, weil er sich im Nachhinein von L&H bezüglich der Geschäftsaussichten betrogen fühlt. Stonington will deshalb versuchen, Dictaphone wieder aus dem L&H-Konzern herauszulösen.