Lernerfolg: Kontrolle steckt noch in den Kinderschuhen

17.06.1988

Schlechtes Gewissen regt sich nach wie vor bei vielen Org./DV-Leitern bei der Frage, ob und wie sie den Lernerfolg eines Mitarbeiters nach dessen Seminarbesuch überprüfen. Kaum eine Führungskraft fragt außer "Wie war's?" auch noch und "Wie läßt sich das neu erworbene Wissen sinnvoll und wirtschaftlich in der Gruppe multiplizieren?" Daß der Bereich Lernkontrolle sowie das gesamte Gebiet der Weiterbildung in den Unternehmen stiefmütterlich behandelt wird, liegt nicht am bösen Willen, sondern an der strukturellen Konzeptionslosigkeit. Dabei erfordert besonders die fortschreitende Technologie die notwendigen Trainingsmaßnahmen in das Gesamtkonzept der DV strategisch einzubetten. Andernfalls bleibt nur die Hoffnung, daß ein Kurs zumindest eines bewirkt hat: Mitarbeiter und Vorgesetzte reden danach häufiger und offener miteinander. Dies wäre immerhin ein - wenn auch methodisch schwer meßbarer - Erfolg.

Dr. Hans Christoph Angermeyer

Geschäftsführer GMO Nord-West, Gesellschaft für Management- und Organisationsberatung mbH, Köln

Die Kosten für Informationsverarbeitung steigen in unseren Unternehmungen trotz des weiterhin verbesserten Preis-/Leistungs-Verhältnisses der eingesetzten Technik. Neben dieser für viele Unternehmensleitungen wenig erfreulichen - weil oft wenig verstandenen - Entwicklung steigt die Anzahl der Beteiligten an dieser Informationsverarbeitung ständig. Dies wissen wir zwar schon lange - mindestens seit der Veröffentlichung der Untersuchungen der Gesellschaft für Informatik aus dem Jahre 1982 -, die richtige Umsetzung in die daraus zwingend abzuleitende Weiterbildungsinitiative als unternehmerische Chance für das IV-Management fehlt häufig. Daher ist IV-Weiterbildung in vielen Fällen immer noch tagesaktuelles Nachschulen von Ist-Wissen und eine lästige Führungsaufgabe ohnehin.

Einmal ehrlich: Anlaß für Schulungsgenehmigungen ist häufig immer noch die Personalmotivation. "Herr X muß mal wieder auf einen Lehrgang dürfen" - was an und für sich ja noch nichts Falsches ist. Aber wo ist die Einbettung in eine strategische DV-Abteilungsweiterbildung, wo ist die Kontrolle des Feedbacks, der Nutzen für das Unternehmen? Welche Führungskraft Fragt außer "Wie war's" auch noch "Was hat es für Sie persönlich gebracht?", "Was hat es für die Abteilung gebracht?" und wie läßt sich dieses Wissen sinnvoll und wirtschaftlich in der Gruppe multiplizieren?"

Daß diese Fragestellung bei ehrlicher Beantwortung viel schlechtes Gewissen. erzeugt, liegt nicht am bösen Willen, sondern an der strukturellen Konzeptionslosigkeit, wie heute die Weiterbildung in der Datenverarbeitung betrieben wird. Das Recht auf Weiterbildung muß transformiert werden in eine Pflicht auf Weiterbildung; die Zielrichtung muß aber von der Leitung DV vorgegeben werden. Ohne Zielanalyse für Ausbildung - abgeglichen mit dem mittelfristigen DV-Rahmenplan - können auch eine Weiterbildungskonzeption und eine Maßnahmenplanung nicht erfolgreich sein.

Dies ist um so wichtiger, weil sich innerhalb der klassischen Informationsverarbeitung die Berufsbilder zunehmend verschieben: Der IV-Organisator (diese Bezeichnung ist hier willkürlich gewählt und sollte an dieser Stelle auch kein Gegenstand langwieriger Diskussion sein) muß andere Fähigkeiten entwickeln, als er sie von der traditionellen Systemanalyse her kennt. Die Zusammenarbeit und daher Kommunikation mit dem Nutzer ist in Zeiten der Nutzung von relationalen Datenbanken, modernen Abfragesprachen und verschärft durch die Benutzerfreundlichkeit der PCs wesentlich schwieriger geworden. Um die aktuellen und künftigen Aufgaben erfüllen zu können, müssen Ausbildungsinvestitionen die folgenden Schwerpunkte unterstützen: Betriebsabläufe umfassend erarbeiten, betriebliche Anforderungsanalysen erstellen, Projektteams zielorientiert führen, Moderations- und Visualisierungstechniken beherrschen, Projektmanagementaufgaben erfüllen sowie Benutzerschulung gestalten und durchführen.

Die Fähigkeiten der IV-Leute, strukturiert zu arbeiten, müssen ergänzt werden, um zielorientierte = projektergebnisorientierte) Kommunikations- und Moderations-Techniken.

Nur sinnvoll genutzte Informationsverarbeitung kann wirtschaftliche Informationsverarbeitung sein. Ein wesentliches Kriterium für eine solche Nutzung ist, daß diese Prozesse von den vielen Beteiligten in der jeweiligen Funktion beherrschbar bleiben. Hier setzt die Suche nach der Weiterbildungsstrategie wieder ein. Ohne eine klare Konzeption und Maßnahmen zur Vorbereitung auf die neunziger Jahre ist die "Ressource" Information nicht zu heben.

Professor Gerd Wiendieck

Universität zu Köln, Leiter der Abteilung Wirtschaftspsychologie

Die Effizienz von Trainingsmaßnahmen zu beurteilen, heißt zunächst einmal mehrere Fragen zu beantworten: Welche Qualifikation hatte der auf Seminar geschickte Mitarbeiter vorher, was wollte man mit dem Kurs erreichen und drittens, wie sieht es nach dem Seminarbesuch aus? Um hier überhaupt eine Antwort zu finden, muß als nächstes unterschieden werden, ob es sich um ein Fach- oder ein allgemein gehaltenes Führungsthema handelte. Bei den Fachthemen ist das Ergebnis des Seminarbesuchs häufig klar definierbar.

Ganz anders sieht die Situation bei der Erfolgsbeurteilung von Weiterbildungsmaßnahmen aus, die sogenannte Führungsthemen zum Inhalt haben. Von klarer Definierbarkeit kann hier keine Rede sein. Als Hilfestellung dienen lediglich allgemeine Trends wie: Wir müssen Verkrustungen aufbrechen, innerliche Kündigungen bei den Mitarbeitern beseitigen oder die Leute sozial sensibler machen. Führungserfolg bei dieser Art von Seminaren läßt sich nicht genau beschreiben; er läßt sich auch nicht auf die betroffene Person selbst reduzieren. Hier geht es um Interaktionsphänomene, denn ein bestimmter Lernerfolg ist nicht nur von der Person des Führers, sondern auch von der Person des Geführten abhängig. Ferner spielen die vorhandenen Organisationsstrukturen und sogar Umweltbedingungen für den Erfolg eine Rolle.

In der Realität kann es durchaus passieren, daß Leitende durch Trainingsmaßnahmen im Bereich Führung zwar sensibler werden, aber ihr neues Verhalten im Betrieb nicht umsetzen können. Darüber hinaus geht es in den Trainingsmaßnahmen für Vorgesetzte weniger darum, Defizite der Vergangenheit aufzufüllen, vielmehr sollten Zukunftsaspekte anvisiert werden. Bis her weiß man allerdings nicht so genau, wie nun die Führungskraft von morgen aussehen soll. Was also kann ein solcher Kurs erreichen? Wenn es, optimal läuft, wird er die Motivation, die Loyalität oder die Kooperationsbereitschaft des Teilnehmers verbessern.

In der Regel können lediglich Teilbereiche des Erfolges gemessen werden. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Mißt man beispielsweise als Erfolgshinweis die Häufigkeit der Gespräche, die ein Manager nach Besuch eines Führungs-Seminars mit seinem Mitarbeiter führt, so kann dies zu folgender Situation führen. Der Betroffene ahnt, daß dieser Punkt als Maßstab genommen wird und redet demzufolge häufiger mit seinen Mitarbeitern.

All das führt dazu, daß man im Bereich des Führungstrainings auf solche Meßmethoden verzichtet und die Zufriedenheit des Teilnehmers als ausreichenden Effizienznachweis betrachtet. Die Lösung des Problems besteht meines Erachtens nicht darin, irgendwelche perfekten Methoden zu entwickeln, sondern daß Trainingsmaßnahmen optimal in dem gesamten Prozeß der Organisationsabwicklung eingebettet werden. Wenn als Folge davon Mitarbeiter und Vorgesetzte häufiger und offener miteinander sprechen würden und dadurch der Informationsfluß in Gang käme, wäre dies ein - wenn auch methodisch schwer meßbarer - Erfolg.

Dr. Felicitas Albers

Unternehmensgruppe Schumann, Köln

Angesichts eines ständig wachsenden Schulungs- und Seminarangebotes, das sowohl professionelle Veranstalter als auch Trainer und Moderatoren umfaßt, stellt sich für die Klientel dieser Dienstleistung in dringlichem Maße die Frage nach Messung und Kontrolle des Lernerfolges. Wissenschaft und Praxis bieten nur sehr spärliche und bedingt taugliche Instrumente hierzu an.

Ursache ständigen Schulungsbedarfs ist die Schnelligkeit der technischen Entwicklung. Sie erfordert neben konkreter Wissensvermittlung, den gezielten Erfahrungsaustausch unter Fachleuten. Die Praxis zeigt, daß die Frequentierung von Schulungs- und Seminarveranstaltungen häufig auch anderen, nicht immer offenkundigen Bedürfnissen entspricht. So kann eine Seminarteilnahme - in Abhängigkeit der Höhe des Honorars - ein Statussymbol für den Betroffenen sein. Sie kann - neben der Vermittlung aktueller Fachinformationen - im primär persönlichen Interesse des Teilnehmers liegen, da Seminare den Charakter informaler Personalmärkte annehmen können.

Was sind nun die Erfolgsfaktoren von Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen? Je stärker die Initiative zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen vom einzelnen Teilnehmer ausgeht, desto höher dürfte seine Motivation und damit der potentielle Lernerfolg sein. Darüber hinaus sind selbstverständlich die Qualität des Veranstalters, der Referenten und Trainer wesentliche Determination des Erfolges. Zusätzlich entscheidend ist die Entsprechung von Veranstaltungsinhalten und -zielgruppen einerseits sowie den Lernzielen und der Qualifikation der Teilnehmer andererseits. Beim Versuch, die Erfolgsfaktoren zu messen, muß konstatiert werden, daß dies im vorhinein nur teilweise möglich ist. So sollte die Bestimmung der Lernziele, die Einschätzung der Motivation und Qualifikation des potentiellen Teilnehmers durch das entsprechende Unternehmen möglich sein. Die Qualitätsbeurteilung des Veranstalters und seiner Referenten und Trainer kann hingegen nur auf Erfahrungen beruhen, häufig anhand der Selbstbeurteilungen der Teilnehmer.

Praktikabler Ersatzindikator ist die Reputation der Seminaranbieter. Die Abgleichung von Schulungs- und Seminarinhalten mit den individuellen Anforderungen der Teilnehmer bedarf gezielter Informationen durch den Seminaranbieter und sorgfältiger Analyse im Vorfeld der Seminarbuchung. Häufig wird man hier eine exakte Übereinstimmung nicht erreichen können, so daß sich die Frage stellt, inwieweit der Aufbau einer individuellen Veranstaltung der Teilnahme an einem generellen Seminar vorzuziehen ist. Dem Vorteil einer solchen Individualisierung mittels der Durchführung von Inhouse-Veranstaltungen steht der Nachteil eines hohen zeitlichen und finanziellen Entwicklungsaufwandes gegenüber, der um so schwächer wirkt, je größer die interne Teilnehmerzahl ist. Durch die Hinzuziehung externer Spezialisten bei der Konzeption interner Schulungsmaßnahmen kann eine weitgehende Entlastung der internen Schulungsbereiche erreicht werden.

Firmen- und branchenübergreifenden Erfahrungsaustausch können solche Seminare natürlich nicht leisten. Häufig ist die firmeninterne Kommunikation, die bei vertraulichen Problemstellungen eine entsprechende Diskretion erfordert, aber auch ein wichtiges Ziel.

Günther Albert

Kaufmännische Aus- und Fortbildung, Veba Oel AG, Gelsenkirchen

Erfolgreiches Lernen hängt wesentlich von der richtigen Formulierung der Lernziele ab; sie sind Grundlage und Maßstab für die Erfolgskontrolle von Bildungsmaßnahmen.

Die Lernziele müssen sich unbedingt auf das beziehen, was tatsächlich als Problemstellung, als Defizit, zu beseitigen ist. Die Praxis zeigt aber, daß Lernziele häufig falsch formuliert sind; oder die Formulierung ist zwar richtig, aber der Maßstab und die Prüfinhalte für die Erfolgskontrolle sind falsch. Zum Beispiel ist es ein erheblicher Unterschied, oh der Lernende situative Führung erklären oder, ob er sie anwenden kann.

Seit geraumer Zeit ist der Transfer des Gelernten auf sich ständig wandelnde Verhältnisse, also die Anwendung auf die tägliche Praxis, immer mehr zum eigentlichen Lerninhalt geworden. Hierzu braucht der Lernende aber Beratung und Unterstützung. Dementsprechend wandelt sich die Position des Trainers. Er ist nicht mehr in erster Linie der Vortragende und Vormachende. Nein, er ist nach der Anleitung der Begleiter und Berater, der dem Teilnehmer beim Nachbereiten und Üben, also beim Anwenden, hilft, der auch immer wieder nachprüft, ob das Gelernte auch tatsächlich angewandt wird.

Trotzdem ist Lernen in der Praxis auch heute noch häufig Wissensvermittlung. Aber selbst dort, wo der Transfer Bestandteil des Lernzieles geworden ist, scheitert die Umsetzung, weil doch wieder nur blanke Theorie vermittelt wird, oder weil zwar Anwendungsbezug dargestellt, der Lernende aber beim Transfer alleingelassen wird.

Allzu häufig kommt es vor daß der Referent erscheint, seinen Lehrstoff, zum Beispiel

zur situativen Führung, "abspult" und wieder entschwebt, wenn es gerade interessant wird. Der Lernende ist zwar Zunächst vom Gehörten überzeugt, trifft aber bei der Anwendung auf ein Umfeld, das seinen neuen Erkenntnissen "feindlich" gegenübersteht. Wenn er nun keine Unterstützung erhält, hat er das Gelernte schnell wieder vergessen.

Trotzdem wird diese Maßnahme als Erfolg gewertet, weil der Teilnehmer Gelerntes abrufen kann, beziehungsweise er selbst die Veranstaltung bei Befragen zunächst als Erfolg wertet.

Tatsächlich ist aber ein größer Mißerfolg eingetreten, denn der Mitarbeiter weiß zwar nun, wie man führt, er kann aber nicht führen; doch das zu lernen, war das eigentliche Problem. Aber wie ist der Erfolg dieser Art Lernziel zu kontrollieren?

Dazu müssen die Beobachtungen des Verhaltens in der Alltagssituation, die Beratung beim Verhalten sowie das Schließen festgestellter Lücken im Mittelpunkt stehen. Auf jeden Fall ist es nur begrenzt förderlich, den Teilnehmer nach dem Erfolg zu fragen, denn den kann er meist (noch) nicht realistisch überblicken.

Kontrolle kann eigentlich nur erfolgen, indem das Verhalten vor der Fortbildung mit dem nach der Maßnahme verglichen wird. Oder die Gruppe des fortgebildeten Mitarbeiters wird mit einer Kontrollgruppe verglichen. Oder sollen, gerade bei Führungsfragen, die Mitarbeiter des geschulten Vorgesetzten interviewt werden? Und ständig stellt sich die Frage: Was soll konkret untersucht werden? Welcher Maßstab soll angelegt werden? Es müssen vor der Bildungsmaßnahme klare Verhaltensvariablen herausgefiltert werden, die man für die Situation für aussagekräftig hält.

Doch wie soll ihre Ausprägung festgestellt werden? Es gibt zum Beispiel kein "Fieberthermometer" für wachsende Arbeitszufriedenheit. Und vor allem: Wie kann festgestellt werden, ob die Verhaltensveränderung tatsächlich Ergebnis der Bildungsveranstaltung ist, oder ob nicht der ausgebliebene tägliche Familienkrach beim Vorgesetzten zu einem Höhenflug an Freundlichkeit geführt hat?

Mit Anwendung wissenschaftlicher Methoden könnte man hier wahrscheinlich weiterkommen, doch wer trägt den Aufwand?

Die wirksame Erfolgskontrolle in der Fortbildung wirft Fragen über Fragen auf, wir sind erst am Anfang der Entwicklung. Das darf uns alle nicht ruhen lassen. Dieser Beitrag ist auch deshalb nicht als Hemmschuh, sondern als Aufforderung zu sehen, weiterzumachen.